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Bankenregulierung à gogo? Eine kritische Standortbestimmung

Bankenregulierung à gogo? Eine kritische Standortbestimmung

Als Reaktion auf die Finanzkrise sind mittlerweile zahlreiche und gewichtige regulatorische Projekte beschlossen worden oder sogar bereits in Kraft getreten. Der vorliegende Beitrag nimmt thesenartig eine überblicksartige Lagebeurteilung aus ökonomischer Sicht vor. Dabei stehen Eigenkapital- und Liquiditätsregulierung exemplarisch im Vordergrund. Von zentraler Bedeutung sind das Konzept der makroprudenziellen Regulierung, die anreizverträgliche Ausgestaltung regulatorischer Anforderungen sowie Sorgfalt beim Design der neuen Liquiditätsregulierung.

Wer die internationale Diskussion zu verschiedenen Neuerungen und Vorschlägen im Bereich der Banken- und Finanzmarktregulierung der letzten Monate verfolgt hat, wird sich kaum des Eindrucks eines gewissen Aktivismus, mindestens eines bisher nicht gesehenen Aktivitätsniveaus, erwehren können. Auch in der Schweiz sind massive Verschärfungen der Banken- und Finanzmarktregulierung zu beobachten. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Es wird hier nicht die Meinung vertreten, dass diese Initiativen generell als übertrieben zu kritisieren seien. Vielmehr muss der Akzent in der Folge auf einer vernünftigen Umsetzung und auf einer soliden Konsolidierung liegen.

Ausgangslage: Zwischen zwei Phasen


Im längerfristigen Überblick befinden wir uns momentan an einem interessanten Punkt. Mit den Beschlüssen von Bundesrat und Finma vom Frühsommer dieses Jahres ist der Bereich der Eigenkapitalregulierung in mehrerlei Hinsicht neu definiert worden. Dazu zählen die schweizerische Umsetzung von Basel III (Stufen Eigenmittelverordnung, ERV, und verschiedene Finma-Rundschreiben), das schweizerische Massnahmenpaket zu «Too big to fail» (Bankengesetz, Bankenverordnung und ERV), die Revision der spezifischen Eigenmittelunterlegung im Hypothekargeschäft (ERV) sowie die Einführung eines, allerdings bisher nicht aktivierten, antizyklischen Eigenkapitalpuffers (ERV). Während also bis heute die Regulierung des Eigenkapitals im Zentrum stand, wird es – international wie national – in einer nächsten Phase insbesondere um die Revision der Liquiditätsregulierung (Verordnung und Finma-Rundschreiben) gehen.Anstelle einer Darstellung der einzelnen Inhalte dieser Regulierungsvorhaben soll hier in Form von drei Thesen auf grundlegende Aspekte der bisherigen und absehbaren weiteren Entwicklung hingewiesen werden:− Systemrisiko und makroprudenzielle Regulierung: Die Finanzkrise hat eindrücklich illustriert, dass ein System von stabilen Banken nicht auch automatisch ein stabiles Bankensystem garantiert. Für die Flankierung des bisherigen mikroprudenziellen Regulierungsansatzes mit makroprudenzieller Regulierung bestehen in der Tat gute Gründe. Dabei darf aber das Argument der Verbesserung der Systemstabilität nicht unreflektiert zur Begründung beliebiger Verschärfungen herangezogen werden. Makroprudenzielle Instrumente – wie beispielsweise der neue antizyklische Kapitalpuffer – bedürfen vielmehr einer klaren, ökonomisch fundierten Motivation.− Anreizverträglichkeit: Die rechtliche, ökonomische und politische Komplexität der verschiedenen Regulierungsansätze darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch neue Massnahmen anreizverträglich ausgestaltet sein müssen. Mit Fehlanreizen, beispielsweise für eine Verlagerung bestimmter Geschäfte in nicht oder wenig regulierte Bereiche des Finanzdienstleistungssektors (Shadow Banking), wäre der legitimen Zielsetzung einer erhöhten Systemstabilität nicht gedient. Überlegungen zu solchen Anreizeffekten wird inskünftig erhöhtes Gewicht zukommen müssen.− Liquidität: Die Umsetzung der Liquiditätsanforderungen von Basel III wird voraussichtlich zu substanziellen Änderungen gegenüber dem heutigen schweizerischen Liquiditätsregime führen. Mit der geplanten Einführung einer (kurzfristigen) Liquidity Coverage Ratio (LCR) und einer längerfristigen Net Stable Funding Ratio (NSFR) wird die Liquiditätsregulierung neu konzipiert. Eine angemessene Differenzierung je nach Ausgangslage einzelner Bankengruppen und Institute (Proportionalitätsprinzip) sowie ein sorgfältiger Mix aus quantitativen Vorgaben (Liquiditäts-Minima) und qualitativen Standards (Liquiditäts-Management) werden dabei entscheidend sein.

Ausblick: Zusammenarbeit nötig


Eine ungebremste Fortsetzung der bisherigen Regulierungsdynamik ohne Berücksichtigung möglicher wettbewerbspolitischer Implikationen wäre kaum zielführend. Deshalb bleibt von hoher Relevanz, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes explizit eine Zielvariable der schweizerischen Regulierung bildet. Dafür ist die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Regulatoren und Regulierten weiterhin eine zentrale Voraussetzung.

Zitiervorschlag: Markus Staub (2012). Bankenregulierung à gogo? Eine kritische Standortbestimmung. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.