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Wer kontrolliert die Kontrolleure?

Artikel 7 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (FINMAG) gibt der Finma verschiedene Regulierungsgrundsätze vor: «Sie reguliert nur, soweit dies mit Blick auf die Aufsichtsziele nötig ist. Dabei berücksichtigt sie insbesondere: a) die Kosten, die den Beaufsichtigten durch die Regulierung entstehen; b) wie sich die Regulierung auf den Wettbewerb, die Innovationsfähigkeit und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz auswirkt; c) die unterschiedlichen Geschäftstätigkeiten und Risiken der Beaufsichtigten; und d) die internationalen Mindeststandards. Sie unterstützt die Selbstregulierung und kann diese im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnisse als Mindeststandard anerkennen und durchsetzen. Sie sorgt für einen transparenten Regulierungsprozess sowie eine angemessene Beteiligung der Betroffenen.» In der Praxis hält sich die Finma nicht an diese Regulierungsgrundsätze.
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Die Finma verursacht Regulierungsfolgekosten in Milliardenhöhe. Diese belaufen sich in den nächsten Jahren auf rund 3 Mrd. Franken. Eingeschlossen sind dabei die Projekte, die der Schweiz vom Ausland aufgedrängt werden, wie etwa die Abgeltungssteuern und Fatca. Von Transparenz und Mitsprache in der Regulierung kann hier kaum die Rede sein. Finanzinstitute werden zudem oft gezwungen, Massnahmen zu treffen, bevor ein neues Gesetz überhaupt in Kraft tritt.

Opfer der Regulierungswut sind besonders kleinere Institute

Die Regulierungskosten beinhalten meist hohe Fixkosten, die grosse und kleine Marktteilnehmer gleichermassen treffen. Dazu zählen nicht nur EDV-Projekte und Administrativaufwand, sondern auch höhere Eigenmittel- und Liquiditätshaltungskosten. In Bezug auf die Eigenmittelunterlegung kommt es aufgrund der vorgesehenen Neuregulierung zur paradoxen Situation: Grössere Kantonalbanken müssen für die gleiche Hypothek rund doppelt so viele Eigenmittel bereitstellen wie die systemrelevanten Grossbanken. Wenn Banken ihre Bilanzen kürzen müssen, weil sie die notwendigen Eigenmittel nicht innert nützlicher Frist beschaffen können, dann erzielen sie die grössten Eigenmitteleinsparungen, indem sie KMU- und anderen Unternehmenkredite aufkündigen. Gemäss den Finma-Eigenmittelunterlegungsregeln werden diese rund viermal riskanter als Bankgegenparteien eingestuft.

Finma bisher vor öffentlicher Kritik geschützt

Banken, Versicherungen und andere Finanzintermediäre benötigen von der Finma eine Betriebsbewilligung und werden von ihr beaufsichtigt. Aus Angst vor Vergeltungsmassnahmen wagen sie nicht, öffentlich Kritik zu üben. Die Branche ist sich zwar einig, dass eine strenge Aufsicht für den Finanzplatz Schweiz einen Wettbewerbsvorteil darstellt. Die Art und Weise, wie diese Aufsicht wahrgenommen wird, hat sich aber seit dem Inkrafttreten des FINMAG drastisch verändert.

Die wichtigsten Beanstandungen der Branche sind: Statt mit den betroffenen Instituten pragmatische Lösungen für erkannte Probleme zu finden, führe sich die neue Garde der Finanzmarktaufseher rechthaberisch und arrogant auf. Die oft praxisunerfahrenen Hochschulabgänger könnten sich kostspielige Gerichtsprozesse leisten, weil die Kosten ohnehin dem Finanzsektor überwälzt werden. Und der «Swiss Finish» wird als Ausdruck fachlicher Unsicherheit der Finma wahrgenommen, die sich mit im Vergleich zum Ausland wesentlich schärferen Vorschriften selbst schützen wolle.

Dringender Aufsichts- und Revisionsbedarf

Bei den Beratungen des FINMAG im Parlament hat die SVP im März 2007 die Vorlage abgelehnt, weil sie viele Mängel aufwies, die seither auch klar zutage getreten sind, ganz besonders bei der Regelung von Tätigkeiten ausserhalb des traditionellen Bank- und Versicherungsgeschäftes. Zudem sind die Kompetenzen zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, aber auch zwischen Finma, Finanzdepartement, Börsenaufsicht und SNB vermischt worden. Bei der Organisation wird nicht klar nach prudenzieller, polizeilicher und Marktaufsicht unterschieden; und die internationale Konglomeratsaufsicht und die Beziehungen zum Ausland wurden fahrlässig geregelt.

Der befürchtete Kostenschub ist eingetreten. 2011 stellten sich die Einnahmen der Finma auf 107 Mio. Franken (+109% seit 2006); der Personalbestand stieg auf 418 Personen (+55%), der Durchschnittslohn auf 195 000 Franken (+30%). Dazu kommen Kosten in dreistelliger Millionenhöhe für die externe und interne Revision.

Die Finma ist zur Stärkung des Ansehens und der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes verpflichtet. Faktisch trägt sie zu einer massiven Regulierungswut bei. Sie nimmt über den Bundesrat, aber auch mit Verfügungen, Rundschreiben, Empfehlungen etc. massiv Einfluss auf die Gesetzgebung. Die Gewaltentrennung wird damit zu oft verletzt. Keines der rund 40 Gesetzesvorhaben im Finanzsektor oder im Steuerbereich wird die Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Fazit: Die Funktionsweise der Finma muss dringend überprüft und das FINMAG revidiert werden.


NR Hans Kaufmann

Wettswil


Zitiervorschlag: Kaufmann, Hans (2012). Wer kontrolliert die Kontrolleure? Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.