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Zunehmende Verbreitung von Nachhaltigkeitsstandards in Schwellenländern

Zunehmende Verbreitung von Nachhaltigkeitsstandards in Schwellenländern

In den letzten zehn Jahren sind zahlreiche Nachhaltigkeitsstandards und Zertifizierungssysteme entstanden. Sie sind Ausdruck eines Wandels hin zu Multi-Stakeholder-Modellen, aber auch hin zu marktbasierten, nachhaltigen Instrumenten. Nun gilt es sicherzustellen, dass auch Schwellenländer wirksame Standards im Bereich der nachhaltigen Entwicklung einführen und anwenden. Wenn auch Länder wie Brasilien, Indien und China ihre Produktions-, Handels- und Konsummuster auf eine nachhaltige Entwicklung ausrichten, werden weltweit Wirtschaft, Umwelt und Bevölkerung in hohem Masse davon profitieren.

Westliche Industrieländer als Pioniere


Die Nachhaltigkeitsstandards und Zertifizierungssysteme haben sich seit Anfang der 1990er-Jahre im Zuge der Nachhaltigkeitsbestrebungen und der zunehmenden Nachfrage nach sozial und ökologisch verträglichen Produkten in den westlichen Industrieländern entwickelt. Beispiele dafür sind etwa das Forest Stewardship Council (FSC) und das Marine Stewardship Council (MSC). Die zertifizierte Produktion weist in einigen Sektoren mittlerweile einen Marktanteil von knapp 10% auf.
Vgl. Towards Sustainability: State of Knowledge Assessment of Standards and Certification, http://www.resolv.org/site-assessment/towardsustainabilityDie Organisationen, welche die Standards festlegen, sind sich bewusst, dass dieser Anteil nur gesteigert werden kann, wenn neue Märkte für nachhaltige Produkte erschlossen werden können. Viele dieser Organisationen räumen den Schwellenländern strategische Priorität ein und haben ihre Anstrengungen entsprechend intensiviert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf verbesserter internationaler Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltigen Versorgungsketten und Entwicklungszielen.Innerhalb der weltweiten Beschaffungsketten sind China, Indien und Brasilien entscheidende Produktions- und Verarbeitungsmotoren. Auch der Konsum in diesen Ländern weist die weltweit höchsten Wachstumsraten und die grössten Veränderungen auf. Das Bevölkerungswachstum, die Urbanisierung und die erstarkende Mittelschicht in den Schwellenländern führen zu sehr hohen Zuwachsraten im Binnenkonsum, welche die Exporte in einigen Sektoren in den Schatten stellen. Indien, der weltweit grösste Teeproduzent, benötigt 80% seiner Produktion für den Eigenkonsum.
Tea Barometer 2010, Tropical Tea Commodity Coalition. Ähnliche Werte bestehen in der Bekleidungsindustrie.In Zukunft wird der Binnenkonsum – zusammen mit den Exporten in die hoch entwickelten, «grünen» Märkte des Westens – die Praxis innerhalb der Beschaffungsketten und die Nachhaltigkeitsverpflichtungen des privaten Sektors bestimmen. Ausserdem bauen die Bric-Staaten ihre gegenseitigen Handelsbeziehungen immer weiter aus. So hat China kürzlich die USA als wichtigster Handelspartner Brasiliens abgelöst: Im letzten Jahr verkaufte Brasilien Soja im Wert von 10,5 Mrd. US-Dollar an China.
Siehe http://www.bsr.org/en/our-insights/blog-archive/2012/09 Wenn die Schwellenländer eine gemeinsame Haltung zur Frage finden, wie glaubwürdige Standards verwendet werden können, um Geschäfts- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, kann der nachhaltige Handel zu einer treibenden Kraft einer ökologisch ausgerichteten Weltwirtschaft werden. Indem sichergestellt wird, dass die internationalen Standards mit den innerstaatlichen Prioritäten in Einklang stehen, wird zudem das Argument entkräftet, sie seien innerstaatliche Handelsschranken.

Grosser Einfluss des privaten Sektors


Eine der zentralen Herausforderungen bei der Steigerung der Binnennachfrage nach nachhaltigen Gütern besteht darin, die heimischen Entscheidungsträger internationaler Marken davon zu überzeugen, dass ein lokaler Markt für zertifizierte Produkte ­vorhanden sei und sie deshalb ihr En­gagement auf die Konsumentinnen und Kon­sumenten in den Schwellenländern ausdehnen sollten. Viele der weltweit führenden multinationalen Unternehmen haben ambitionierte Nachhaltigkeitsprogramme kommuniziert. Doch die meisten dieser Verpflichtungen beziehen sich nur auf Erzeugnisse, die für den Export in europäische und nordamerikanische Märkte bestimmt sind.Im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitsstandards stellt sich die Frage nach Ursache und Wirkung: Den privaten Unternehmen fehlt der klare Beweis für die inländische Nachfrage in den betreffenden Ländern; die Binnennachfrage nimmt aber voraussichtlich erst zu, wenn mehr zertifizierte Produkte angeboten werden. So hat sich die weltweit operierende Fastfoodkette McDonald’s etwa verpflichtet, in allen ihren Restaurants in Europa ausschliesslich Fische und Meeresfrüchte anzubieten, die dem MSC-Standard für nachhaltige Fischerei entsprechen, nicht aber in Schwellenländern. Würden die multinationalen Unternehmen ihre weltweiten Nachhaltigkeitskampagnen und Beschaffungskriterien mit entsprechenden Anstrengungen in den Schwellenländern verbinden, kämen sie zum Schluss, dass die dortigen Konsumentinnen und Konsumenten darauf positiv reagieren. Diese hätten dann eher die Möglichkeit, ihre Kaufentscheide auf der Basis von umfassenden Informationen zu treffen. Zusätzlich zu den weltweit anerkannten Unternehmen mit Niederlassungen in Brasilien, Indien und China müssen die Anstrengungen auch auf grosse einheimische Unternehmen in den Schwellenländern – wie Tata in Indien und Sun Art Retail in China – ausgerichtet werden, da sie in ihrem jeweiligen Land einen grossen Einfluss haben. In Indien übernehmen sowohl ausländische als auch inländische Unternehmen eine Führungsrolle. Unilever Hindustan, eine Tochtergesellschaft des britisch-niederländischen Konsumgütergiganten, hat sich verpflichtet, bis 2020 in Indien ausschliesslich nachhaltig produzierten Tee anzubieten, der dem Standard Rainforest Alliance / SAN entspricht.
Siehe http://www.hul.co.in/mediacentre/pressreleases In den Betrieben von Coffee Day, der grössten Café-Kette in Indien, wird ausschliesslich UTZ-zertifizierter Kaffee serviert.
Siehe http://www.cafecoffeeday.com/utz-certified.php

Zivilgesellschaft in den 
Schwellenländern


Zu den wichtigsten Faktoren für die Steigerung der Binnennachfrage nach nachhaltigen Produkten gehören ein entsprechendes Bewusstsein der Zivilgesellschaft und die Fähigkeit von Gruppierungen, die Unternehmen zu vermehrten Anstrengungen der Nachhaltigkeit zu motivieren. Das Bewusstsein für soziale und umweltbezogene Fragen ist in den Schwellenländern unterschiedlich ausgebildet. Es hängt ab von verschiedenen Faktoren wie Bildung und Zugang zu Informationen, aber auch von der unmittelbaren Konfrontation mit wie Klimawandel, Wasserknappheit und schlechten Arbeitsbedingungen.In Brasilien stehen Abholzung, Verlust an biologischer Vielfalt, und andere seit vielen Jahren im Fokus der Öffentlichkeit und der politischen Agenda. Daraus resultierten eine Zivilgesellschaft, die sich lautstark Gehör verschafft, mit einem dichten Netzwerk von Akteuren und Organisationen. Zahlreiche Studien zeigen, dass das Bewusstsein für weltweite Nachhaltigkeitsprobleme und die Bedeutung von nachhaltigen Lösungen der brasilianischen Bevölkerung sogar höher ist als jenes in den Industrieländern. Gemäss dem Biodiversitäts-Barometer der Union for Ethical Bio Trade für das Jahr 2012 sind 95% der Brasilianerinnen und Brasilianer mit dem Begriff «nachhaltige Entwicklung» und 97% mit dem Begriff «Biodiversität» .
Siehe http://www.ethicalbiotrade.orgAus verschiedenen Studien – wie der internationalen Greendex-Studie der National Geographic Society – geht hervor, dass unter chinesischen und indischen Konsumentinnen und Konsumenten ebenfalls ein hohes Bewusstsein für Fragen der Nachhaltigkeit besteht. Auch diese äussern Bedenken zu den ökologischen Auswirkungen ihres individuellen Konsumverhaltens. Mit Kampagnen zur Förderung des Konsumentenbewusstseins haben indische Nichtregierungsorganisationen (NGO) und soziale Bewegungen schon in der Vergangenheit Gesundheits- und Sicherheitsfragen thematisiert. Und dank Arbeitsrichtlinien – wie GoodWeave in der Teppichindustrie – kamen soziale Fragen auf die Agenda. Die chinesische Zivilgesellschaft hat sich in den letzten zehn Jahren rasch entwickelt. Eine zunehmende Zahl von NGO interveniert direkt bei den Unternehmen und versucht sie dazu zu bewegen, ihre Verfahren nachhaltiger zu gestalten. Insbesondere die chinesischen Branchenverbände spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Unternehmen und Regierung für Fragen der Nachhaltigkeit sowie der Anwendung von Nachhaltigkeitsstandards und Managementsystemen zu sensibilisieren. So der der China Tea Marketing Association Bezug auf weltweit massgebende Nachhaltigkeitsstandards wie UTZ, Fairtrade und Rainforest Alliance.

Eigene nationale Standards in Indien


Innerhalb der Bric-Staaten ist die Frage von eigenen nationalen Standards in erster Linie in Indien ein wichtiges Thema. Aus ­historischen Gründen und aufgrund von Handelsspannungen besteht in Indien ein gewisses Unbehagen gegenüber freiwilligen internationalen Standards. In Indien ist es für die Entscheidungsträger des privaten und öffentlichen Sektors sehr wichtig, dass der Prozess für die Entwicklung und Umsetzung von Standards unter nationaler Aufsicht steht. Damit wollen sie gewährleisten, dass den besonderen Verhältnissen in Indien Rechnung getragen wird.Der grosse Stellenwert sozialer und umweltbezogener Standards in Indien zeigt sich daran, dass nationale Versionen internationaler Standards geschaffen wurden. So hat Indien beispielsweise seine eigene Version des Global Organic Textile Standard entwickelt, und kürzlich führte das Ministry of Corporate Affairs eine Reihe strenger Standards für unternehmerische Verantwortung ein. Die Arbeit an der Schnittstelle zwischen nationalen und internationalen Standards ist eine grosse Herausforderung. Während der letzten Jahrzehnte wurde im Bereich der internationalen Nachhaltigkeitsstandards ein umfangreiches Know-how zur Best Practice erarbeitet. Dies gilt insbesondere für die Anforderungen hinsichtlich Transparenz, Aufbau von Fähigkeiten (Capacity Building), Wirkungen und Audits, die ein Standard erfüllen muss, um glaubwürdig zu sein. Wenn die immer zahlreicher werdenden nationalen Standards nicht auf dieses Know-how zurückgreifen, könnte dies – bildlich gesprochen – zu einer Neuerfindung des Rades mit verminderter Wirksamkeit führen. Als Nebenwirkung von nationalen Standards, die nicht mit den weltweit anerkannten Standards übereinstimmen, könnten neue internationale Handelsschranken für umweltverträgliche Produkte resultieren. Bei Produkten wie Kaffee, Tee und Baumwolle sind indische Kleinbetriebe weltweit führend. Deshalb ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass Standards auch zur Lösung lokaler Probleme beitragen. Ein Beispiel ist der stärkere Fokus auf den Aufbau von Fähigkeiten, die den Produzenten die Zertifizierung ihrer Erzeugnisse erst ermöglichen. Entwicklungsorganisationen wie Better Cotton Initiative und Solidaridad bieten den Produzenten Ausbildung und Unterstützung an, um die negativen Umweltauswirkungen des Anbaus von Baumwolle und Zuckerrohr zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass die Wirtschaftsführer in den Schwellenländern aktiv in die weltweiten Diskussionen über Nachhaltigkeitsstandards einbezogen werden. Ein solches Beispiel sind die Beratungen über die Iseal Credibility Principles, die in diesem Jahr aufgenommen wurden.
Für weitere Informationen siehe http://www.isealalliance.org/credibilityprinciples Im Rahmen von Stakeholder-Workshops in Brasilien, Indien und China erhalten die Entscheidungsträger der Schwellenländer die Gelegenheit, auf die Diskussion über Nachhaltigkeitsstandards einzuwirken. Ausserdem wird ihnen dort vermittelt, welche Vorteile die Anwendung von glaub­würdigen Standards für das Erreichen von nachhaltigen Entwicklungszielen und die Verbesserung der Handelsmöglichkeiten hat.

Anwendung von Nachhaltigkeits­standards in China


China bietet das komplexeste und herausforderndste Umfeld zur allmählichen Eta­blierung von Nachhaltigkeitsstandards. In China ist es eine Voraussetzung für jede Geschäftstätigkeit, dass sie im Einklang mit den nationalen Prioritäten steht. Die Standards müssen insbesondere zu einer Förderung der nachhaltigen Entwicklung und zu anderen Aspekten des Fünfjahresplans beitragen. Die Konzentration der Regierung auf die Steigerung des Binnenkonsums bietet zweifellos eine Chance, das Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten sowie der Unternehmen für ein nachhaltiges Konsumverhalten und die Anwendung von Standards zu stärken. Die Anwendung von internationalen Standards in China ist – wie in Indien und in anderen Schwellenländern auch – im Wesentlichen auf den Exportsektor beschränkt. Als Drehscheibe für die Verarbeitung und Herstellung von Produkten, die im Ausland verkauft werden, wird in China eine grosse Zahl von FSC- und MSC-Produktkettenzertifikaten ausgestellt. Praktisch alle Iseal-Mitglieder erachten China als strategisch bedeutend, auch wenn die Engagements der meisten erst im Aufbau begriffen sind. Einige Mitglieder haben entweder Pilotprojekte lanciert oder arbeiten mit Partnern zusammen. Eine der grössten Herausforderungen im Kampf um die Anerkennung des Werts glaubwürdiger Standards besteht im Umgang mit dem regulatorischen Umfeld. Eine umfangreiche Bürokratie befasst sich mit den internationalen Standardsystemen, mit der National Certification and Accreditation Administration (CNCA) der Volksrepublik China als wichtigstem Aufsichtsorgan. Es herrscht eine beträchtliche Unklarheit darüber, welche Bestimmungen für internationale Standards gelten und wie strikt diese durchgesetzt werden. Ein weiteres zentrales Problem ist die Frage, wie in China Vertrauen aufgebaut werden kann. Dabei geht es darum, das Bewusstsein bei Regierung und Entscheidungsträgern des privaten Sektors dafür zu stärken, dass glaubwürdige Standards zur Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Handel und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Das Schaffen von Akzeptanz für Standards und deren vermehrte Verwendung sind langfristige Vorhaben, die mehrere Jahre an Beziehungspflege in Anspruch nehmen. Um diesen Prozess zu unterstützen, sollte mit Akteuren zusammengearbeitet werden, die entweder den staatlichen Behörden angehören oder von diesen zugelassen wurden. So ist das Iseal-Mitglied Alliance for Water 
Stewardship bei der Entwicklung ihres Standards Verpflichtungen mit chinesischen Stakeholdern eingegangen und hat Partnerschaften mit dem WWF und der 
Naturschutzorganisation The Nature Conservancy, die in China ein hohes Ansehen geniessen. Derzeit ist nicht klar, in welchem Umfang chinesische Stakeholder freiwillige internationale Standards bei Investitionen im Ausland oder bei der ausschliesslich inländischen Produktion und beim Binnenkonsum anwenden werden. Die chinesischen Unternehmen haben bislang nur wenige Initiativen lanciert, um bestehende internationale Standards als Kriterien für den Kauf importierter Güter – wie Palmöl, Rindfleisch oder Soja – zu verwenden. Stattdessen haben die chinesische Regierung und Branchenverbände verschiedene branchenbezogene Leitfäden und weitere Instrumente erarbeitet. China verfolgt auch die Strategie, Einfluss auf regionale Standards von Handelspartnern auszuüben. Ein Beispiel dafür ist die kürzliche Einflussnahme Chinas, um im Rahmen seines Freihandelsabkommens mit der Asean einen Beitrag zur Vereinheitlichung der Standards für biologische Produkte zu leisten. Die Zukunft wird zeigen, inwieweit China die Fähigkeit entwickeln wird, auf weltweiter Ebene Einfluss auf andere internationale Nachhaltigkeitsstandards auszuüben. Es ist daher überaus wichtig, dass den chinesischen Interessenvertretern noch stärker bewusst wird, wie internationale Standards entwickelt werden und dass eine chinesische Beteiligung an diesem Prozess durchaus willkommen ist.

Hohe Sensibilisierung für Nachhaltigkeit in Brasilien nutzen


Gegenwärtig macht in Bezug auf die Nachhaltigkeit kein anderes Land so grosse Fortschritte wie Brasilien. Dies zeigt, dass ein hohes Wirtschaftswachstum
Zwischen 2007 und 2011 verzeichnete Brasilien ein jährliches durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 4,2%. Siehe dazu: Luiz Awazu Pereira da Silva, Brazil: A Normal Business Cycle in a Complex Global Environment, Policy Responses and Outlook for 2012-2013, August 2012. nicht zwangsläufig auf Kosten der Umwelt gehen muss. Als Land mit einer grossen biologischen Vielfalt, einer Vielzahl von pflanzlichen Erzeugnissen und grossem Rohstoffreichtum ist Brasilien für die Standards von ausschlaggebender Bedeutung. Brasilien ist denn auch in den meisten Bereichen aktiv, in denen Zertifizierungsmassnahmen bereits etabliert (Kaffee, Kakao, Forstwirtschaft) oder im Aufbau begriffen sind (Soja, Zucker, Viehzucht).Brasilien ist das Schwellenland, das in Bezug auf internationale Standards das grösste Engagement und die höchste Akzeptanz geniesst. Was die Nachhaltigkeitsstandards betrifft, weist die Forstwirtschaft den mit Abstand höchsten Entwicklungsstand auf. Im Juni 2011 deckte die FSC-Zertifizierung über 6,7 Mio. Hektaren ab.
Siehe http://www.ga.fsc.org/ganews.html Die Zertifizierung ist von einer Reihe führender Unternehmen, die in Brasilien tätig sind, weitgehend akzeptiert. Zu diesen Unternehmen gehören unter anderem Stora Enso, TetraPak und Kimberly Clark. Ausserdem kann Brasilien Erfolge bei der Bekämpfung der Abholzung vorweisen, die auf den tiefsten Stand seit 1988 gesenkt wurde.
Siehe http://www.bbc.co.uk/news/world-latin-america-16048503In Brasilien besteht die kritische Masse von Interessenträgern für die Entwicklung von Standards in den Bereichen Zucker (Bonsucro), Soja (Round Table on Responsible Soy) und Viehzucht (Rainforest Alliance/Sustainable Agriculture Network). Das Land hat sich zudem verpflichtet, den Anteil der erneuerbaren Energien zu erhöhen. Dabei soll hauptsächlich auf Bioethanol und Biomasse zurückgegriffen werden. Mit der Verpflichtung zur Einhaltung von glaubwürdigen Standards im Bereich Bioenergie – wie z.B. dem Roundtable on Sustainable Biofuels (RSB) – kann Brasilien den inländischen Bedenken zur Nachhaltigkeit von Biotreibstoffen Rechnung tragen. International lassen sich auch Märkte für erneuerbare Energien erschliessen, die von Europa – insbesondere mit der EU-Richtlinie Erneuerbare Energien – reguliert werden.Ein weiterer Bereich, in dem Brasilien in Bezug auf die Standards eine beeindruckende Führungsrolle innehat, ist das ökologische Bauen. Brasilien weist die weltweit viertgrösste Zahl von registrierten LEED-Projekten (Leadership in Energy and Environmental Design) auf. Der Green Building Council Brazil führt dies darauf zurück, dass in Brasilien sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor das Bewusstsein vorhanden ist, dass nachhaltige Verfahren eine intelligente Lösung sind und auch wirtschaftlich Sinn machen.
Siehe http://www.isealalliance.org/online-community/blogs Die Verpflichtung zum nachhaltigen Bauen wurde auch auf die Errichtung der hochmodernen Anlagen für die Fussball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 ausgedehnt.

Fazit


Die Entwickler von Nachhaltigkeitsstandards müssen mit den Meinungsführern und Akteuren zusammenarbeiten, die sich für die Anwendung von Standards einsetzen, um das Bewusstsein für nachhaltige Lösungen in den aktiven Netzwerken von Brasilien zu verbreiten. Dem privaten und dem ­öffentlichen Sektor sollte ermöglicht werden, bei ihren Entscheiden bezüglich Beschaffungen und Lieferketten zwischen glaubwürdigen und unglaubwürdigen Standards unterscheiden zu können. Dies wird auch dazu beitragen, dass sich qualitativ hochstehende Standards etablieren können und eine nachhaltige Entwicklung gewährleistet werden kann.

Kasten 1: Das Projekt der Iseal und des Seco

Das Projekt der Iseal und des Seco


Die Vereinigung Iseal ist eine weltweite Plattform für Nachhaltigkeitsstandards. 
Sie verfolgt unter anderem das Ziel, glaubwürdige Standards zu definieren sowie die Auswirkungen und die Wirksamkeit der Nachhaltigkeitsstandards zu verbessern. Dies ­erfolgt durch gemeinsame Anstrengungen ­ihrer Mitglieder, zu denen unter anderem auch Fairtrade International, MSC und Rainforest Alliance/Sustainable Agriculture ­Network gehören.

Im März lancierte die Iseal ein auf drei Jahre angelegtes Projekt, das vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) finanziert wird. Es ist darauf ausgerichtet, in Brasilien, China und Indien das Bewusstsein für glaubwürdige Standards zu stärken, die Entwicklung nationaler Standards zu fördern und ­deren Anwendung auszubauen.

Mit diesem Projekt möchte die Iseal eine breite Basis von Verantwortlichen des öffentlichen und des privaten Sektors schaffen, 
die den Nutzen von Nachhaltigkeitsstandards für die nachhaltige Entwicklung und für die Schaffung von Marktmöglichkeiten anerkennen.a

a Weitere Informationen zum Projekt unter www.iseal­alliance.org/our-work/increasing-uptake/seco-iseal-project

Zitiervorschlag: Karin Kreider (2012). Zunehmende Verbreitung von Nachhaltigkeitsstandards in Schwellenländern. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.