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Nachhaltige Beschaffungsketten von nachwachsenden ­Rohstoffen durch öffentlich-private Partnerschaften

Nachhaltige Beschaffungsketten von nachwachsenden ­Rohstoffen durch öffentlich-private Partnerschaften

Das enorme und fast ungebremste Wachstum die Nachfrage in allen Bereichen. Die Folge davon sind unter anderem Energieprobleme, Wasserknappheit, Zerstörung von Regenwäldern und Biodiversitäts-Hotspots sowie Klimaveränderung. Auch der Ressourcendruck auf landwirtschaftliche Nutzflächen nimmt stetig zu. Dies macht sich in hohen Preisen für agrarische Rohstoffe bemerkbar. Zur Lösung beitragen können öffentlich-private Partnerschaften, die zum Ziel haben, mit vereinten Kräften die Nachhaltigkeit der Lieferkette zu verbessern. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) arbeitet im Rahmen seiner Aktivitäten der Wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung seit einiger Zeit mit solchen Partnerschaften, da sie wirkungsvolle Instrumente sind, um die Armut in den Entwicklungsländern zu reduzieren.



Gemäss UNO-Prognose werden im Jahr 2050 9,3 Mrd. Menschen auf der Welt leben, davon je nach Region zwischen 60% und 90% in Städten. Das sind über 2 Mrd. Menschen mehr als heute. Dieses enorme und fast ungebremste Bevölkerungswachstum steigert die Nachfrage in allen Bereichen. Vor diesem Hintergrund wird v.a. der Ressourcendruck auf agrarische Rohstoffe zum dringenden Anliegen von Staaten, Nicht­regierungsorganisationen (NGO) und Unternehmen: − Staaten streben nach einer optimalen Nutzung der Ressourcen, um so ein wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltiges Wachstum zu fördern, das die Produktivität begünstigt und letztlich dazu beiträgt, Armut und Ungleichheit zu ­mindern. − Für NGO stehen die Bekämpfung der ­Armut, die Befähigung der (Klein-) Pro­duzenten und der Erhalt der Umwelt im Mittelpunkt. − Für Unternehmen sind – neben der ­Sicherung von Produktionsrohstoffen – Konzessionen oder generell die Anerkennung ihrer Existenz eine immer grössere Herausforderung. Viele Unternehmen spüren zudem die wachsende Nachfrage nach nachhaltig hergestellten Produkten und zunehmend auch den Anspruch ihrer Kunden, Angestellten und Investoren nach transparenten Nachhaltigkeitsinformationen über die gesamte Lieferkette ihrer Produkte. Der WWF hat aufgezeigt, dass 200 multi­nationale Unternehmen für 50% der weltweiten Produktion und des gesamten ­Handels von 15 agrarischen Rohstoffen verantwortlich sind und somit einen entsprechend grossen Einfluss haben. Die Hebelwirkung der multinationalen Unternehmen in Kombination mit den verschiedenen Bedürfnissen stellt einen idealen Business Case für öffentlich-private Partnerschaften (Public Private Partnerships, PPP) dar, die zum Ziel haben, die Lieferketten von nachwachsenden Rohstoffen umzugestalten. Verstärkt wird diese Ausgangslage durch die Tatsache, dass zur Ver­besserung der Nachhaltigkeit in Lieferketten die vereinten Kräfte aller Stakeholder notwendig sind.

Vorreiterrolle des Seco


Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nutzt das Potenzial solcher PPP schon seit einiger Zeit, um im Rahmen der Wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung zur Verminderung der Armut in Entwicklungs­ländern beizutragen. Durch gezielte Mass­nahmen im Bereich der Handelsförderung unterstützt das Seco einen sozialen, umweltverträglichen, inklusiven und damit nachhaltigen Handel. Dies stärkt die Export- und Wettbewerbs­fähigkeit von Produzenten und KMU in den Entwicklungsländern und erleichtert den Zutritt zu den internationalen Märkten. Das Seco ist der Ansicht, dass so wesentlich zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Partnerländern beigetragen werden kann.Konkret fördert das Seco private freiwillige Nachhaltigkeitsstandards, um die Wett­bewerbsfähigkeit in den Entwicklungsländern zu stärken und dadurch die nachhaltige ­Entwicklung zu begünstigen. Dieses Enga­gement stützt sich auf den Bericht des Bundesrates zur Umsetzung der Strategie zur nachhaltigen Entwicklung aus dem Jahr 2000. Dort wird festgehalten, dass Labels marktwirtschaftliche Instrumente sind, die das Kaufverhalten der Konsumenten und somit letztlich die Produktionsmuster in eine bestimmte Richtung beeinflussen können. Zudem passte sich das Engagement des Seco in den letzten Jahren der stetig zunehmenden Nachfrage nach Produkten an, die nach bestimmten Qualitäts-, Sozial- und Umweltkriterien produziert wurden.Im Fokus der Seco-Aktivitäten stehen vor allem Nachhaltigkeitssysteme, die einen ­Multi-Stakeholder-Ansatz verfolgen und so gleichzeitig die Anliegen von Produzenten, Unternehmen und Vertretern der Zivilgesellschaft einbeziehen. Das Seco ist der Überzeugung, dass nur Nachhaltigkeitskriterien, die von allen Stakeholdern im Konsens erarbeitet wurden, zur tatsächlichen Verbesserung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Verhältnisse in der Lieferkette beitragen können. Dieser Ansatz hat sich nicht nur bewährt, weil er zur Wettbewerbsfähigkeit beiträgt, sondern auch weil damit die Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren der Lieferkette gefördert wird. Dabei kommen verschiedene Themen zur Sprache, so zum Beispiel Kinderarbeit, Sicherheit am Arbeitsplatz, Umgang mit Dünger oder die Organisation von Kleinbauern in Kooperativen. Letztlich steht aber die Steigerung der Qualität und Quantität von Rohstoffen im Vordergrund. Die Vielfalt der Themen, die bei der Anwendung von privaten freiwilligen Nachhaltigkeitsstandards und Zertifizierungssystemen bearbeitet werden, machen diese Standards zu praktischen und effizienten Instrumenten der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit. Das Seco gilt als «Front Runner» bei der Förderung von Fair­trade und Bio-Anbau in Entwicklungsländern. Gleichzeitig wurde auch der Aufbau von anderen Multistakeholder-Nachhaltigkeitsinitiativen unterstützt. Die positive Wirkung der Anwendung dieser Initiativen und Zertifizierungssysteme wurde in verschiedenen Studien bestätigt, die teilweise vom Seco finanziert wurden.In letzter Zeit geht das Seco bei der Strukturierung dieser Projekte noch strategischer vor und nutzt vor allem das Interesse von Unternehmen an einer nachhaltigen Lieferkette konsequenter aus. Dabei wird auch darauf geachtet, dass die lokalen Regierungen mit einbezogen werden, da diese letztlich dafür verantwortlich sind, geeignete Rahmenbedingungen für nachhaltig produzierte Rohstoffe vor Ort zu schaffen. Nur durch dieses effektive Zusammenspiel in Form einer öffentlichen-privaten Partnerschaft besteht eine reelle Chance, den Rohstoffmarkt dauerhaft umzugestalten und so einen Beitrag an die Nachhaltigkeit und folglich die Minderung der Armut zu leisten.

Erfolgsfaktoren für öffentlich-private Partnerschaften


Die Erfahrung des Seco zeigt, dass bei der Gestaltung solcher Projekte auf verschiedene Dinge zu achten ist. Zunächst ist wichtig, dass es sich um echte Partnerschaften handelt, in denen jeder Partner Pflichten übernimmt, aber auch einen entsprechenden ­legitimen Nutzen davonträgt. Mancher Aussenstehende tut sich schwer mit der Vorstellung, dass Unternehmen von ihrem «freiwilligen» Engagement in einem Entwicklungsland, in dem sie tätig sind, profitieren sollen. Andere haben Mühe mit der Vorstellung, dass Unternehmen von einer Partnerschaft begünstigt werden, die zu einem Teil durch öffentliche Entwicklungsgelder finanziert wird. Tatsache ist jedoch, dass die Unternehmen sowohl durch ihr Knowhow als auch durch ihre Marktmacht einen wichtigen Teil zum Erreichen der Projektziele beitragen. Die notwendigen Veränderungen hin zur Nachhaltigkeit der Rohstoffmärkte kann schlicht nicht ohne sie erreicht werden. Dabei sind die Verhandlungen zwischen den Partnern über den Projektrahmen zentral, und ein Gelingen hängt stark davon ab, ob ein für alle zufriedenstellendes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Interessen und Möglichkeiten hergestellt werden kann.Nebst dem Einbezug unterschiedlicher Stakeholder in die PPP ist auch die Beteiligung verschiedener Unternehmen des gleichen Sektors entscheidend, denn nur so kann eine echte Transformation des Marktes herbeigeführt werden. Für die erfolgreiche Projektdurchführung gilt es, ein sogenanntes präkompetitives Umfeld zu erwirken. Konkret heisst dies, dass primär eine Plattform geschaffen wird, von der alle Kleinbauern profitieren und durch die ihre Kompetenzen aufgebaut oder gestärkt werden können. Alle Partner beteiligen sich je nach ihren Fähigkeiten daran. Dies kann zum Beispiel die Schulung in guter Agrarpraxis, Unterstützung beim Marktzugang, Finanzierung, Unterstützung bei der Zertifizierung oder auch Politikdialog be­inhalten. Für viele Unternehmen ist diese Art der Zusammenarbeit neu, sind sie doch eher gewohnt, die Bauern durch gezielte Unterstützung an sich binden zu können. Das Seco ist jedoch der Ansicht, dass die Bauern trotz Unterstützung weiterhin ­eine gewisse Freiheit bei der Wahl ihrer ­Business Partner haben sollen. Einige ­Unter­nehmen haben eine Vorreiterfunktion eingenommen, indem sie sich ganz auf das präkompetitive Umfeld ein­gelassen und mit entsprechend guten Resultaten Beispiele statuiert haben.Bei den PPP treffen sehr unterschiedliche Parteien mit verschiedenen Erwartungen, Möglichkeiten und Bedürfnissen aufeinander. Dies ist keine einfache Ausgangssitua­tion. Um aus den Parteien Partner zu machen, braucht es eine Persönlichkeit, die alle Sprachen spricht und zwischen den Beteiligten vermitteln kann. Zudem muss sie Expertin für nachhaltige Lieferketten sein, um das Projektdesign sowie die Durchführung eng begleiten zu können. Für das Gelingen einer PPP ist es nach Ansicht des Seco zentral, eine solche Persönlichkeit an Bord zu haben.Der eingangs beschriebene Business Case beinhaltet auch die wachsende Nachfrage der Konsumenten nach nachhaltig hergestellten Produkten. Das bedeutet, dass der Markt die Produktion nach hohen Qualitäts-, Sozial- und Umweltkriterien als immer selbstverständlicher erachtet und die Nachhaltigkeit somit kein Nischenprodukt mehr ist, sondern mehr und mehr ein Massenmarkt­phänomen wird. Aus diesem Grund hat das Seco seinen Fokus – komplementär zu den Projekten im Bereich Faitrade und Bio-Zertifizierungssysteme – auf weitere Standards wie FSC, Rainforest Alliance oder UTZ ausgeweitet. Nach der Ansicht des Seco ist diese Öffnung notwendig, um den Markt für agrarische Rohstoffe tatsächlich einen Schritt weiter Richtung Nachhaltigkeit zu bringen.Schliesslich ist für jedes Entwicklungsprojekt die sogenannte Exitstrategie elementar: Wie wird sichergestellt, dass die Anstrengungen des Projektes und die erreichten ­Ziele nicht einfach versanden, sobald die Unterstützung beendet wird? Im Prinzip ist die Exitstrategie für das Seco bereits im Projektdesign von PPP enthalten, da jeder Partner eine Rolle im Projekt übernimmt, die seinen Interessen, aber auch seinen Fähigkeiten entspricht. Da die Rollen nicht konstruiert sind, sondern dem normalen geschäftlichen Umfeld der Partner entsprechen, wird hier keine Entwicklungsprojektwelt geschaffen, sondern gewährleistet, dass die Projekte realitätsnah sind und dadurch nach einer Anfangsphase ihren eigenen Lauf nehmen.

Entwicklungsgelder für Projekte in der Agrarlieferkette


Bei PPP geht es darum, Synergien und Potenziale zu erkennen, zu nutzen und auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, das ­keiner alleine erreichen kann. Für die Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Seco steht die Armutsminderung in den Entwicklungsländern im Zentrum. Im Bereich der agrarischen Rohstoffe beginnt die Lösung bei der Befähigung der Kleinbauern und geht weiter mit der Privatsektor­entwicklung vor Ort; sobald die Produkte den Zugang zu den internationalen Märkten erlangen, ist das Ziel erreicht. Die Aufgabe des Seco ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dieser Ablauf stattfinden kann. Dazu gehört ein Umfeld, in dem sich die verschiedenen (Projekt)-Partner finden und zusammenarbeiten können. Es braucht aber auch eine Anschubfinanzierung im allerersten Teil der Lieferkette, damit eine solide ­Basis für eine nachhaltige Lieferkette geschaffen werden kann. Im vorliegenden Fall kommt die Finanzierung hauptsächlich den Kleinbauern in Entwicklungsländern zu Gute, zum Beispiel mit der Schaffung einer Plattform zur Schulung aller interessierter Bauern. Wenn 
öffentliche und private Gelder gleichzeitig eingesetzt werden, kann eine breitere Ausgangslange geschaffen werden, die das Potenzial hat, die Agrarmärkte zu verändern. Wohlgemerkt handelt es sich bei den primär Begünstigten um Bauern, die über keinerlei Mittel verfügen, um sich z.B. das für eine UTZ-Zertifizierung notwendige Wissen selbst aneignen oder die Zertifizierung bezahlen zu können. Diese Bauern können ihre Lage erst verbessern, wenn sie die Möglichkeit erhalten, mit dem erworbenen Wissen die Qualität und Quantität ihrer Anbauprodukte zu steigern. Das dadurch erzielte ­höhere Einkommen kann dann wiederum in ­produktivitätssteigernde Massnahmen investiert werden.

Kasten 1: Das Beispiel des Sustainable Cocoa Production Programme

Das Beispiel des Sustainable Cocoa Production Programme


Das Sustainable Cocoa Production Programme (SCPP) in Indonesien ist als öffentlich-private Partnerschaft strukturiert und wird durch das Seco mitfinanziert. Innerhalb von vier Jahren werden 60 000 Kleinbauern in ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien geschult, um die Qualität sowie die Quantität ihrer Ernte zu verbessern. Dies führt zu einer Einkommenssteigerung von 75% bei den Bauern.

Das Projekt erstreckt sich über die Provinzen Aceh, West Sumatra sowie Sulawesi und wird durch Swisscontact implementiert und koordiniert. Andere Partner sind ADM Cocoa, Armajaro, Cargill, IDH, Mars und Nestlé sowie die Regierung von Indonesien auf nationaler, Provinz- und Distrikt-Ebene.

Kasten 2: Quellen

Quellen


http://www.un.org/esa/population/unpop.htmhttp://www.blw.admin.chhttp://www.idhsustainabletrade.comhttp://www.youtube.com/watch?v=hpqKzr8I3Ichttp://www.sustainablecommodities.orgBericht zur Umsetzung der Strategie des Bundesrates zur Nachhaltigen Entwicklung, Massnahme Nr. 6 «Anerkennung und Förderung von Labels», 2000.

Zitiervorschlag: Anne Schick (2012). Nachhaltige Beschaffungsketten von nachwachsenden ­Rohstoffen durch öffentlich-private Partnerschaften. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.