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Grundlagen und Instrumente der verantwortungsvollen 
Unternehmensführung

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Die vergangenen Jahre können als Schlüsseljahre für die Entwicklung der verantwortungsvollen Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility, CSR) betrachtet werden. Parallel zur Weiterentwicklung bestehender Instrumente und Standards entstanden neue internationale Referenzwerke. Das erneuerte Rahmenwerk international anerkannter CSR-Instrumente umschreibt die globalen Leitplanken für nachhaltig und verantwortungsvoll handelnde Unternehmen. In diesem Artikel werden die internationalen Referenzstandards und die wichtigsten Merkmale weiterer CSR-Instrumente sowie die aktuellen Herausforderungen bei der Umsetzung der Unternehmensverantwortung dargestellt. Zudem wird die Rolle der Politik diskutiert.



Seit Herbst 2010 wurden innerhalb eines knappen Jahres bedeutende internationale CSR-Koordinaten neu ausgerichtet. Der Publikation der Norm ISO 26000 zur gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen im November 2010 folgte die Aktualisierung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen im Mai 2011 und die Veröffentlichung der UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte im Juni 2011. Im Oktober 2011 präsentierte die EU-Kommission schliesslich eine neue CSR-Strategie, welche die Weiterentwicklungen des internationalen CSR-Rahmens fortführt und in ihren Aktionsplan für die EU-Staaten integriert.
Vgl. Mitteilung der EU-Kommission über eine neue EU-CSR-Strategie (2011–2014), KOM(2011)681 endgültig.Diese dynamische Entwicklung des Konzepts der verantwortungsvollen Unternehmensführung ist nicht zufällig. Seit der 
Jahrtausendwende hat sich das weltwirtschaftliche Umfeld rasch und tiefgreifend verändert. Neben der fortschreitenden Globalisierung der Unternehmen und Märkte haben insbesondere Konzerne und Investoren aus den aufstrebenden Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas stark an Bedeutung gewonnen. Die Unternehmen befinden sich in einem globalen Wettbewerb um den Zugang zu Rohstoffen und Absatzmärkten. Gleichzeitig stehen sie vor ökologischen und sozialen Herausforderungen wie der Klima­erwärmung oder der Korruption, welche ebenfalls ein globales Ausmass haben. Die Bewältigung dieser Herausforderungen ist eine Aufgabe, die primär im staatlichen Aufgabenbereich liegt. Dazu gehört, die geeigneten Rahmenbedingungen abzustecken und dafür zu sorgen, dass die regulierten und dadurch verbindlichen Anforderungen an die Unternehmen durchgesetzt werden. Es kann nicht die Aufgabe der Unternehmen sein, regulatorische oder institutionelle Mängel zu kompensieren.

Beitrag der Unternehmen zur ­nachhaltigen Entwicklung


Gleichwohl können Unternehmen einen bedeutenden Beitrag zur konkreten Um­setzung staatlicher Ziele leisten. Durch eine verantwortungsvolle Unternehmensführung unterstützen sie die nachhaltige Entwicklung, indem sie beispielsweise ihren Ressourcenbedarf verringern oder durch eine sorgfältige Selektion und regelmässige Überprüfung ihrer Lieferkette die verantwortungsvolle Unternehmensführung auch bei ihren Zulieferern fördern. Dabei wenden Unternehmen häufig Standards an, die in schwach regulierten Staaten über die Anforderungen lokaler Gesetze hinaus gehen. Die Zunahme von Unternehmenskodizes und CSR-Strategien wie auch die namhafte 
Beteiligung von Unternehmen und ihrer Verbände an der Ausarbeitung neuer Standards sind ein Zeichen des Beitrags der Wirtschaft an ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum.Verschiedene Gründe sprechen für das Engagement der Wirtschaft. Langfristig ­planende Unternehmen messen aus wirtschaftlichem Eigeninteresse der nachhaltigen Unternehmensführung eine besondere Bedeutung zu. Sie sichern sich dadurch den langfristigen Zugang zu Rohstoffen, Arbeitskräften und Konsumenten. Zahlreiche Unternehmen schätzen auch die Flexibilität freiwilliger Standards (Soft Law), mit denen sie in ihrem Geschäftsbereich über die Grenzen von Jurisdiktionen hinweg auf soziale, ökologische und wirtschaftliche Herausforderungen ihrer Tätigkeit eingehen können – und dies rascher als mittels nationaler gesetzlicher Vorschriften (Hard Law). Das Engagement der Wirtschaft für CSR korreliert ebenfalls mit der Erwartungshaltung von Kunden und Konsumenten, die immer mehr Wert auf nachhaltig produzierte Güter legen.

Das Konzept der verantwortungsvollen Unternehmensführung


CSR ist, wie andere sozialwissenschaftliche Denkmodelle, kein statisches Konzept, sondern entwickelt sich dynamisch und kontextabhängig weiter. Gewisse Gepflogenheiten – wie die hierzulande etablierte Sozialpartnerschaft – bestanden lange bevor das Konzept der Unternehmensverantwortung in die Unternehmensstrategien Eingang fand und als CSR deklariert wurde. Ausserdem können Regeln, die in den westlichen Industriestaaten durch weitreichende Umwelt- und Sozialgesetzgebungen festgelegt sind, in anderen Staaten als CSR gelten, wenn sie dort von den Unternehmen ohne gesetzlichen Zwang auf freiwilliger Basis angewendet werden. Diverse meist englischsprachige Fachausdrücke versuchen, der dynamischen Natur des Konzepts gerecht zu werden. Als geläufigste Bezeichnung wird der Begriff Corporate Social Responsibility (soziale Verantwortung von Unternehmen) verwendet. Der Fachausdruck Triple Bottom Line
Die Bottom Line ist der Schlussstrich unter die Gewinn und Verlustrechnung. verweist auf den ökonomischen, ökologischen und sozialen Mehrwert, den ein verantwortungsvoll handelndes Unternehmen schafft. Neben CSR sind auch der Begriff Corporate Responsibility (Unternehmensverantwortung)
Je nach Interpretation umfasst Corporate Responibility neben CSR auch die Corporate Governance (Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens) und das gesellschaftliche Engagement, bzw. philantrophische Aktivi­täten eines Unternehmens (Corporate Citizenship). oder der von der OECD propagierte Ausdruck Responsible Business Conduct (verantwortliche Unternehmensführung). Einige Unternehmen umschreiben ihre CSR-Politik zudem als gemeinsame Wertschöpfung des Unternehmens und seiner Anspruchsgruppen (Stakeholder) und bezeichnen diesen Prozess als Creating Shared Value (CSV).Die unterschiedlichen Bezeichnungen ­haben gemeinsam, dass sie die Verantwortung der Unternehmen gegenüber ihren Stakeholdern hervorheben. Dabei berücksichtigen Unternehmen ohne gesetzlichen Zwang – neben den ökonomischen Aspekten – auch soziale und umweltrelevante Gesichtspunkte ihrer Geschäftstätigkeit, welche direkte Auswirkungen auf ihre Stakeholder haben können. Die Integration der CSR als Kernbestandteil in die Unternehmensstrategie ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass es gelingt, die ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen zu verbinden. Viele Unternehmen haben zur Umsetzung der Unternehmensverantwortung eigene Verhaltenskodizes und CSR-Standards definiert. Einige beteiligen sich auch an sektorspezifischen Initiativen oder suchen im Rahmen eines Multi-Stakeholder-Dialogs nach Lösungsansätzen, die von den betroffenen Interessensgruppen mitgestaltet und getragen werden. Da eine umfassende Übersicht der CSR-Instrumente den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, werden an dieser Stelle nur die wichtigsten Grundtypen charakterisiert:
Vgl. Unctad, World Investment Report 2011, S. 111-113.− Standards zwischenstaatlicher Organisationen: Die massgebenden CSR-Standards, welche auf zwischenstaatlicher Ebene ausgearbeitet wurden, lassen sich an 
einer Hand abzählen. Dazu gehören die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (OECD-Leitsätze), die dreiglie­drige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik der ILO und der Global Compact der UNO (vgl. Tabelle 1). Im Juni 2011 hat der UNO-Menschenrechtsrat ausserdem die Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte gutgeheissen. Die Leitlinien (Guiding Principles) sind jedoch kein klassisches CSR-Instrument. Sie beruhen auf den drei Pfeilern Protect, Respect and Remedy, wovon nur der zweite sich ausschliesslich an die Unternehmen richtet. Der erste Pfeiler weist auf die Pflicht des Staates hin, die Menschenrechte zu schützen (state duty to protect human rights); der zweite illustriert die Verantwortung der Unternehmen, die Menschenrechte zu respektieren (corporate responsibility to respect human rights). Der letzte Pfeiler fordert Mechanismen zur Wiedergutmachung und Streitbeilegung (access to remedy) und richtet sich sowohl an die Staaten als auch an Unternehmen, Indu­strieverbände und Multi-Stakeholder-Initiativen. − Multi-Stakeholder-Initiativen:
Als Stakeholder gelten Anspruchsgruppen wie beispielsweise Konsumenten, lokale Bevölkerungen, Nicht­regierungsorganisationen (NGO) oder auch Mitarbeitende, die von wirtschaftlichen oder politischen Aktivitäten und Entscheidungen beeinflusst werden oder diese selbst beeinflussen können. Bei derartigen Initiativen tragen Akteure aus Staat, Wirtschaft und Gesellschaft mit ihrer Sachkenntnis gemeinsam zur Umsetzung der Unternehmensverantwortung bei. Derzeit bestehen einige Dutzend Initiativen, wovon die umfassende Norm ISO 26000 zur gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen eines der aktuellsten Beispiele ist. Sie wurde im Rahmen einer Multi-Stakeholder-Initiative unter der Ägide der Internationalen Organisation für Normung (ISO) erarbeitet. Auch der umfassende Leitfaden für die Nachhaltigkeits-Berichterstattung entstand im Rahmen der Global Reporting Initiative (GRI) in Kooperation zahlreicher Anspruchsgruppen. Multi-Stakeholder-Ini­tiativen sind häufig sektorspezifische Standards, welche sich mit den charakteristischen Herausforderungen eines bestimmten Produktions- und Verarbeitungsprozesses auseinandersetzen, so zum Beispiel die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), welche mit umfassenden Transparenzvorschriften die Bekämpfung der Korruption und die gute Regierungsführung in rohstoffreichen Entwicklungsländern unterstützt. Weitere Beispiele sind der Kimberley-Prozess zur Unterbindung des Handels mit Konfliktdiamanten oder die OECD-Anleitung zur Umsetzung der Sorgfaltspflicht in der Rohstoff-Lieferkette (OECD Due Diligence Guidance
OECD Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas.). Die Anleitung wurde in einem Multi-Stakeholder-Prozess unter der Ägide der OECD ausgearbeitet. Sie unterstützt die in Konfliktgebieten tätigen Unternehmen im Bestreben, Risiken zu identifizieren und ihre Sorgfaltspflicht für die Lieferkette wahrzunehmen. Damit soll verhindert werden, dass die Unternehmen mit ihrer Tätigkeit indirekt Konflikte unterstützen oder zu Menschenrechtsverletzungen beitragen. Weitere Multi-Stakeholder-Prozesse dienen der Förderung der nachhaltigen Fischerei oder Forstwirtschaft sowie der nachhaltigen Produktion von Rohstoffen wie Kaffee, Baumwolle oder Palmöl.
Vgl. Marine Stewardship Council (MSC); Forest Stewardship Council (FSC), 4C Association; Better Cotton Initiative (BCI); Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO).− Industrie-Kodizes: Dies sind von einer Gruppe von Unternehmen oder Branchenverbänden gemeinsam erarbeitete und angewandte Standards, die sich mit den sozialen oder umweltrelevanten Herausforderungen der betroffenen Unternehmen befassen. So bildet die Business Social Compliance Initiative (BSCI) eine von europäischen Unternehmen lancierte Plattform zur Verbesserung der sozialen Standards in ihren Lieferketten. Mittels Audits wird dabei überprüft, ob die Lieferanten der Ende 2011 knapp 800 betei­ligten Unternehmen die sozialen und ethischen Anforderungen des Verhaltenskodexes der BSCI achten.
Vgl. http://www.bsci-intl.org Ein weiteres Beispiel ist der vom World Gold Council im Oktober 2012 veröffentlichte Gold-Standard, mit dem die beteiligten Unternehmen den Missbrauch des Goldabbaus zur Konfliktfinanzierung zu verhindern suchen.
Vgl. Conflict-Free Gold Standard, http://www.gold.org/about_gold/sustainability/conflict_free_standard Dieser Standard integriert die im Rahmen der OECD erarbeitete Due Diligence Guidance. Zahlreiche weitere Industrie-Kodizes basieren auf den massgebenden internationalen CSR-Referenzwerken und erleichtern die praktische Umsetzung der allgemeinen Grundsätze in einem bestimmten Industriesektor. − Unternehmenskodizes: Es bestehen unzählige Kodizes, welche Unternehmen eigenständig erarbeiten. Laut Zahlen der Unctad verfügen in Entwicklungs- und Industriestaaten rund 90% der multinationalen Unternehmen über CSR-Kodizes. Rund die Hälfte der Kodizes beziehen sich auf die oben erwähnten zwischenstaatlichen Referenzstandards der OECD, UNO und ILO.
Vgl. Unctad, World Investment Report 2011, S. 113; World Investment Report 2012, S. 93.

Die Rolle der Politik


CSR geht definitionsgemäss von den Unternehmen selbst aus, ist also business-driven.
Vgl. CSR-Konzept des Seco, 2009, S. 3. Die Staaten anerkennen das Primat und die praktische Erfahrung der Unternehmen. Staatliche Organe leisten aber ebenfalls einen Beitrag an die verantwortungsvolle Unternehmensführung (siehe Kasten 2

Wachstum im Agrarsektor 
und Armutsreduktion


Dass Wachstum im Agrarsektor sowohl zum Wirtschaftswachstum als auch zur Armuts­reduktion beiträgt, ist anerkannt. Die direkte Armutsreduktion hängt in ländlichen 
Gegenden mit steigenden Erträgen und verbesserter landwirtschaftlicher Arbeitsproduktivität zusammen. Allerdings gibt es grosse regionale Unterschiede. Gemäss De Janvry und Sadoulet (2009)a bewirkt ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts, das seine Ursprünge in der Landwirtschaft hat, ein Einkommenswachstum bei 40% der Ärmsten. Es fällt somit dreimal höher aus als Wachstum, das der übrigen Wirtschaft entspringt. Die Landwirtschaft hat zudem starke Wachstumsschnittstellen mit der übrigen Wirtschaft. Während die Wirksamkeit von Wachstum aus der Landwirtschaft heraus zur Armutsreduk­tion bewiesen ist, ist diejenige öffentlicher Investitionen zur Ankurbelung des landwirtschaftlichen Wachstums noch unvollständig und abhängig von den Umständen.

a Alain de Janvry and Elisabeth Sadoulet, 2009, Agricultural Growth and Poverty Reduction: Additional Evidence, The World Bank Observer, 25(1): 1-20.). CSR ist auf der internationalen Ebene zunehmend von wirtschaftspolitischer Bedeutung. Der Staat kann daher über den regulierten Bereich hinaus aktiv werden, sofern dies politisch gewollt oder aufgrund internationaler Verpflichtungen geboten ist.
Vgl. Ivo Kaufmann, Thomas Stauffer, Corporate Responsibility – Ansätze und Perspektiven, in: Die Volkswirtschaft 1-2003, S. 54. So treten die Staaten beispielsweise bei der Weiterentwicklung der globalen Referenzinstrumente – wie der OECD-Leitsätze oder der UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte – als Hauptakteure auf. Der Umstand, dass 15 von 27 EU-Staaten über eine staatliche CSR-Strategie verfügen, weist exemplarisch darauf hin, dass zahlreiche Regierungen die Entwicklung der CSR nicht allein der Wirtschaft und ihren Stakeholdern überlassen.
Vgl. Mitteilung der EU-Kommission über eine neue EU-CSR-Strategie (2011–2014), KOM(2011)681 endgültig, S. 5. In der Schweiz hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) 2009 ein CSR-Konzept veröffentlicht. Dieses hält ebenfalls fest, dass es sich bei CSR um ein Querschnittsthema handle; deswegen sei bei der Festlegung und Umsetzung der Massnahmen das partnerschaftliche und koordinierte Zusammenwirken aller Akteure aus Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung und Staat notwendig.
Vgl. CSR-Konzept des Seco, 2009, S. 3.Das über die vergangenen Jahre sichtbar stärkere Engagement der Staaten für CSR entspricht einer weltweiten Tendenz. Neben der bereits erwähnten neuen CSR-Strategie der EU aus dem Jahr 2011 haben die skandinavischen Staaten im Oktober 2012 eine verstärkte Zusammenarbeit beschlossen, um eine gemeinsame nordische CSR-Strategie zu erarbeiten.
Vgl. http://www.norden.org Globale Staatengruppen wie die G8 und G20 haben sich ebenfalls der Thematik angenommen.
Vgl. Inter-agency Working Group on the Private Investment and Job Creation Pillar of the G20. Nicht zuletzt zeigten auch Schwellenländer wie Indien und Brasilien in den vergangenen Jahren ein grösseres Interesse für das Potenzial der CSR, ihre wirtschaftliche Entwicklung nachhaltiger zu gestalten.
Brasilien ist Unterzeichnerstaat der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen; in Indien wird derzeit über eine gesetzlich verpflichtende CSR-Abgabe (2% des Gewinns) grösserer Unternehmen diskutiert.

Aktuelle Herausforderungen


Die Debatte über die Unternehmensverantwortung führt kein Nischendasein mehr. Vieles deutet darauf hin, dass sich die CSR-Thematik über das vergangene Jahrzehnt im wirtschaftlichen, politischen und akademischen Diskurs nachhaltig etabliert hat und einen stärkeren Einfluss auf die Märkte ­ausübt. Die breite Etablierung der CSR in der Wirtschaft birgt jedoch auch neue Herausforderungen und Gefahren. In den letzten Jahren wurden unzählige Kodizes, Nachhaltigkeits-Labels und Instrumente zur Berichterstattung eingeführt. Die Flut der CSR-Instrumente ist ein Zeichen der spezifischen Herausforderungen, welchen sich die Unternehmen je nach Sektor, Land und Unternehmensgrösse stellen. Sie ist der Übersichtlichkeit jedoch nicht dienlich. Es ist deshalb wichtig, dass in den kommenden Jahren die Bemühungen für mehr Transparenz über die konkrete Umsetzung der Unternehmensverantwortung und für eine bessere Kompa­tibilität der CSR-Instrumente weitergeführt werden. Vor diesem Hintergrund ist die bereits laufende regelmässige Abstimmung zwischen den zuständigen internationalen Organisationen und Gremien sowie den Trägern bestehender CSR-Initiativen angezeigt. Die gemeinsame Anstrengung zur Harmonisierung der Instrumente hat sich bereits bei der Aktualisierung der OECD-Leitsätze und der Erarbeitung der UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte als hilfreich erwiesen. Zahlreiche Akteure unterstützen auch die Bestrebungen, Industrie- und Unternehmensstandards zu harmonisieren und die Umsetzung der Unternehmensverantwortung in den Lieferketten einheitlicher zu gestalten. Dadurch kann vermieden werden, dass in die Lieferkette globaler Konzerne eingebundene Unternehmen mit zu vielen unterschiedlichen und möglicherweise widersprechenden Auflagen verschiedener CSR-Kodizes konfrontiert werden. Gerade kleinere Unternehmen, insbesondere aus Entwicklungsstaaten, könnten sonst mit den Anforderungen nicht Schritt halten und dadurch von den Lieferketten ausgeschlossen werden. Die Errichtung hoher büro­kra­tischer Hürden bei der Umsetzung von So­zial- und Umweltstandards sollte ver­mieden werden. Schliesslich geht es auch darum, dass die zahlreichen CSR-Standards von Unternehmen, Verbänden oder Multi-Stakeholder-­Initiativen als sich ergänzende und ver­gleichbare Instrumente zur Umsetzung der Unternehmensverantwortung allgemein anerkannt werden. Dazu braucht es klare ­Leitlinien, auf die sich diese CSR-Standards beziehen können. Diesen globalen CSR-Referenzrahmen bilden die in den vergangenen zwei Jahren aktualisierten, international anerkannten und breit abgestützten Instrumente der OECD, UNO und ILO, welche die Erwartungen der Staaten an ihre Unternehmen zum Ausdruck bringen.

Tabelle 1: «Übersicht über die CSR-Instrumente»

Kasten 1: Weshalb engagiert sich der Staat im Bereich der Unternehmensverantwortung?

Weshalb engagiert sich der Staat im Bereich der Unternehmensverantwortung?


Für die Rolle des Staates im Bereich der Unternehmensverantwortung werden in der Fachliteratur folgende Gründe und Aufgabenbereiche am häufigsten genannt:a– Förderung der CSR, insbesondere bei KMU, weil sie nicht über dieselben Kapazitäten verfügen wie grosse Konzerne, die häufig eine eigens für CSR zuständige Abteilung unterhalten. Die OECD-Leitsätze erwähnen explizit die Aufgaben der Staaten und ihrer nationalen Kontaktpunkte, die Unternehmen für CSR gemäss OECD-Leitsätzen zu sensibilisieren.b

Kooperation mit Unternehmen und ihren Stakeholdern: Etliche Multi-Stakeholder-Initiativen basieren auf der Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen oder bedingen deren Unterstützung. Bei der EITI sind die beteiligten Entwicklungsländer die ersten Nutzniesser der Initia­tive.

− CSR deckt sich häufig mit den Zielen der Regierungen und internationaler Organisationen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung. Regierungen fördern CSR, weil entsprechende Managementpraktiken einen Beitrag leisten können, um politische Ziele wie Korruptionsbekämpfung und den Schutz der Umwelt zu erreichen. Dass die Staaten dem Beitrag der Wirtschaft an eine nachhaltige Entwicklung seit einigen Jahren mehr Bedeutung beimessen, widerspiegelt sich in entsprechenden Klauseln in Regierungsprogrammen wie in der Lissabon-Strategie der EU aus dem Jahr 2000, nationalen Aktionsplänen zur nachhaltigen Entwicklung oder in internationalen Übereinkommen wie dem Abschlussdokument des UNO-Nachhaltigkeitsgipfels Rio+20.c In der Schweiz ist die Förderung der verantwortungsvollen Unternehmensführung in Entwicklungsländern zudem ein Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit.

− Im Gegensatz zur innerstaatlichen Gesetzgebung können CSR-Politiken über das Hoheitsgebiet des einzelnen Staates hinaus positive Auswirkungen haben. Die OECD-Leitsätze enthalten Empfehlungen von 44 Unterzeichnerstaaten an ihre Unternehmen; sie gelten für deren weltweite Aktivitäten, so etwa für die Zusammenarbeit mit Zulieferern aus weniger regulierten Staaten, welche die entsprechenden Deklarationen der OECD nicht unterzeichnet haben.

− Nicht zuletzt betreffen CSR-Standards auch staatliche Stellen, wenn der Staat beispielsweise als Wirtschaftsakteur (durch Staatsunternehmen) oder als Investor (Staatsfonds) auftritt.

a Vgl. z.B. Reinhard Steurer, Die Rolle der Politik im Themenfeld CSR, in: A. Schneider; R. Schmidpeter (Hrsg.),Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Theorie und Praxis, Berlin 2012, S. 731–732.
Kasten 2: Wachstum im Agrarsektor 
und Armutsreduktion

Wachstum im Agrarsektor 
und Armutsreduktion


Dass Wachstum im Agrarsektor sowohl zum Wirtschaftswachstum als auch zur Armuts­reduktion beiträgt, ist anerkannt. Die direkte Armutsreduktion hängt in ländlichen 
Gegenden mit steigenden Erträgen und verbesserter landwirtschaftlicher Arbeitsproduktivität zusammen. Allerdings gibt es grosse regionale Unterschiede. Gemäss De Janvry und Sadoulet (2009)a bewirkt ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts, das seine Ursprünge in der Landwirtschaft hat, ein Einkommenswachstum bei 40% der Ärmsten. Es fällt somit dreimal höher aus als Wachstum, das der übrigen Wirtschaft entspringt. Die Landwirtschaft hat zudem starke Wachstumsschnittstellen mit der übrigen Wirtschaft. Während die Wirksamkeit von Wachstum aus der Landwirtschaft heraus zur Armutsreduk­tion bewiesen ist, ist diejenige öffentlicher Investitionen zur Ankurbelung des landwirtschaftlichen Wachstums noch unvollständig und abhängig von den Umständen.

a Alain de Janvry and Elisabeth Sadoulet, 2009, Agricultural Growth and Poverty Reduction: Additional Evidence, The World Bank Observer, 25(1): 1-20.

Zitiervorschlag: Schneider, Johannes (2012). Grundlagen und Instrumente der verantwortungsvollen 
Unternehmensführung. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.