Kompass Nachhaltigkeit – ein nützliches Instrument für nachhaltige Beschaffer
Das Thema Nachhaltigkeit ist in Unternehmen gegenwärtiger denn je. Im Bereich der Beschaffung engagieren sich bereits viele Unternehmen für sozial und ökologisch nachhaltige Praktiken. Doch das Thema ist sehr komplex. Der «Kompass Nachhaltigkeit» unterstützt private und öffentliche Beschaffer bei Fragen zur Umsetzung einer effizienten und gewinnbringenden nachhaltigen Beschaffung.
Von Unternehmen und öffentlichen Institutionen wird heute erwartet, dass sie bei
der Beschaffung von Produkten aus Entwicklungs- und Schwellenländern gewisse Umwelt- und Sozialstandards einhalten.
Wer sich nicht mit dem Thema beschäftigt, ist zum Teil erheblichen Reputationsrisiken ausgesetzt. Zusätzlich gibt es immer mehr Beispiele, die zeigen, dass Unternehmen
und öffentliche Einrichtungen durch ihr Engagement im Bereich Nachhaltigkeit einen finanziellen Mehrwert für sich selbst schaffen – und zwar jenseits von Reputationsüberlegungen. Der bekannte Business-Professor Michael Porter von der Harvard Universität hat gemeinsam mit Mark Kramer den Begriff Shared Value geprägt, um die Chancen zu betonen, die bei der Umstellung auf Nachhaltigkeit auf Unternehmen warten.
Porter M. E. & M. R. Kramer (2011): Creating Shared Value. Harvard Business Review, Januar 2011. Auf den Punkt gebracht: Nachhaltige Beschaffungsstrategien können Kosten sparen, die Produktqualität verbessern oder dabei helfen, neue Märkte zu erschliessen. So schätzt die Schweizerische Agentur für Energieeffizienz (Safe) das Sparpotenzial von Lampen auf 40% ein – das hilft der Umwelt und spart Geld dort, wo es umgesetzt wird.
Quelle: http://www.proofit.ch Neuere Forschung bestätigt, dass Unternehmen, die Umweltstandards wie den ISO 14001 umsetzen, eine höhere Arbeitsproduktivität haben als Firmen, die dies nicht tun.
Delmas M. A. & S. Pekovic (2012): Environmental standards and labor productivity: Understanding the mechanisms that sustain sustainability. Journal of Organizational Behavior, 2012. Begründet wird dies dadurch, dass diese Firmen mehr in das Training ihrer Mitarbeiter investieren und durch die Umsetzung die Zusammenarbeit der Mitarbeiter auf verschiedenen Levels der Unternehmenshierarchie fördern, was letztendlich zum Wissenstransfer und zu
einer höheren Arbeitsproduktivität beiträgt. Für Beschaffer in privaten Unternehmen und im öffentlichen Sektor stellt jedoch die Ausrichtung der Beschaffungsstrategie auf Nachhaltigkeit oftmals eine Herausforderung dar. Alleine die Frage, welcher Nachhaltigkeitsstandard den eigenen Bedürfnissen am meisten entspricht, setzt eine umfassende Recherche voraus, für die den meisten KMU und öffentlichen Stellen die Ressourcen fehlen. Hier schafft die mit Unterstützung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) entwickelte Internetplattform Kompass Nachhaltigkeit
Vgl. http://www.kompass-nachhaltigkeit.ch Abhilfe. Sie gibt vor allem Antworten auf vier Kernfragen von Beschaffenden: − Welche Massnahmen sollte ein Beschaffer ergreifen, um Nachhaltigkeit in der Beschaffungsstrategie und ihrer Umsetzung zu verankern? − Welche freiwilligen Standards entsprechen den Bedürfnissen des beschaffenden Unternehmens oder der beschaffenden Behörde? − Wie gehen andere Unternehmen bzw. öffentliche Institutionen in ihrer nachhaltigen Beschaffung vor?− Wie und wo kann ich mich vertieft über das Thema informieren?
Nachhaltiges Beschaffungsmanagement
Der Kompass Nachhaltigkeit hilft dabei, die Komplexität der notwendigen Schritte hin zu einer nachhaltigeren Beschaffung zu reduzieren, indem er das Beschaffungsmanagement in viele kleine Pakete unterteilt. Im Bereich KMU werden fünf Prozessphasen jeweils mit verschiedenen Einzelmassnahmen und Instrumenten definiert (siehe Grafik 1). Jede der insgesamt 16 Massnahmen wird kurz erläutert mit Hinweisen zu weiterführenden Informationen. Einfache Arbeitshilfen und Tools zur Verfügung gestellt. Diese Struktur hilft nicht nur Unternehmen, die gerade damit beginnen, die eigene Beschaffung nachhaltig auszurichten. Sie dient auch Unternehmen, die bereits im Bereich Nachhaltigkeit aktiv sind, zu überprüfen, ob die eigene Strategie alle wichtigen Aspekte systematisch abdeckt. Zusätzlich bietet der Kompass Nachhaltigkeit einen kurzen Selbsttest, der dem Unternehmen unmittelbar Verbesserungsvorschläge offeriert. Öffentlichen Beschaffern gibt der Kompass Nachhaltigkeit parallel dazu eine erste Orientierung, wie und wo in der Auftragsvergabe soziale und ökologische Kriterien verankert werden können. Hier wird auch auf die zentralen Gesetzestexte verwiesen.
Standarddatenbank
Kernstück des Kompasses ist eine in dieser Tiefe einzigartige Datenbank mit detaillierten Auskünften zu derzeit 45 Sozial- und Umweltstandards. Die Datenbank wurde mit dem Internationalen Handelszentrum in Genf (ITC) entwickelt. Die Daten werden in Zusammenarbeit mit den Standardinitiativen erfasst. Die Datenbank erlaubt öffentlichen und privaten Beschaffern detaillierte, gut gegliederte und vergleichbare Informationen zu Standards und Labels aus folgenden Produktgruppen abzurufen: landwirtschaftliche Produkte, Fischerei, Getränke, Textilien, Holz & Papier, Energie & Strom, Natursteine & Baumittel. Der Kompass ermöglicht den Vergleich zweier Standards im Hinblick auf über 150 Kriterien. So kann ein Beschaffer überprüfen, welche Standards die eigenen Anforderungen am besten erfüllen.
Praxisbeispiele und aktuelle Informationen
Die Beschaffungsmanagement-Instrumente sowie die Standarddatenbank werden ergänzt mit regelmässigen Informationen zu Themen, Entwicklungen und Veranstaltungen in den Bereichen Beschaffung und Standards, die auch über einen kostenlosen Newsletter abonnierbar sind. Zusätzlich stellt das Portal Beschaffungspraktiken von einzelnen Unternehmen und öffentlichen Beschaffungsstellen vor. Anhand der Beispiele erhalten die Nutzer einen Einblick in die Beschaffungspraktiken anderer Organisationen und können Anregungen und Ideen gewinnen. Insgesamt ist der Kompass Nachhaltigkeit eine nützliche Online-Plattform für Beschaffungsverantwortliche aus KMU und öffentlichen Institutionen. Anregungen und Feedback, die der Weiterentwicklung des Kompass Nachhaltigkeit sowie der Anpassung an die Bedürfnisse der Nutzer dienen, sind willkommen.
Grafik 1: «Prozess nachhaltige Beschaffung»
Zitiervorschlag: Starmanns, Mark; Lutz, Vanessa (2012). Kompass Nachhaltigkeit – ein nützliches Instrument für nachhaltige Beschaffer. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.