Das revidierte Raumplanungsgesetz aus ökonomischer Sicht
Die Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG), die im März 2013 als indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative vors Volk kommt, hat die effektivere Steuerung der Siedlungsentwicklung zum Ziel. Dabei geht es in den meisten Fällen nicht um neue Regeln, sondern um eine verbindlichere Fassung der Vorgaben des Gesetzes von 1980: Die Kantone sollen über ihre Richtplanung dafür sorgen, dass Siedlungen kompakt gehalten, nach innen verdichtet und in ihrer Ausdehnung begrenzt werden. Regeln zur Bauzonendimensionierung werden verbindlicher gefasst. Bevor die Kantone Neueinzonungen vornehmen, sollen sie Massnahmen zur Mobilisierung bereits vorhandenen Baulands ergreifen. Wo über den erwarteten Bedarf der nächsten 15 Jahre hinaus eingezont wurde, sollen Rückzonungen vorgenommen werden. Zur Finanzierung wird für die Mehrwertabschöpfung ein doppeltes Minimum eingeführt: mindestens bei Neueinzonungen und mindestens 20%.
Bauzonenreserven sind eine elementare Ressource für die Schweizer Volkswirtschaft. Bauland ist ein wichtiger Inputfaktor in vielen Wertschöpfungsketten. Die geografische Verteilung und die Preise von Bauland sind zentrale Determinanten für die Entwicklung des «Bauwerks Schweiz». Die Infrastruktur, Gewerbe-, Büro- und Wohnbauten stellen einen Grossteil des nationalen Kapitalstocks dar. Ihr ökonomischer Wert ist in hohem Masse abhängig von der geografischen Lage und Verknüpfung der Elemente untereinander. Von entsprechender Bedeutung ist die Raumplanung, also die Regeln zur Verteilung der «immobilen» Assets im Raum.
Fehlplatzierte Bauzonenreserven als Problem
Gerade die Bauzonenreserven sind in der Schweiz auf dramatische Weise fehlplatziert. Gemäss aktueller Bauzonenstatistik des Bundes von 2012 sind von rund 230 000 ha Bauzonen zwischen 12% und 18% (ca. 28 000–41 000 ha) noch nicht überbaut. Diese Bauzonenreserven würden für rund 1,0 bis 1,7 Mio. zusätzliche Einwohner reichen. Angesichts des grossen Potenzials zur Verdichtung bereits überbauter Flächen und weiterhin stattfindender Einzonungen ist von einem erheblichen Überschuss an Bauzonen auszugehen. Gemäss den Regeln des RPG von 1980 dürfen Gemeinden Bauzonenreserven für den erwarteten Bedarf von 15 Jahren vorhalten. Flächen, die darüber hinaus gehen gelten als «überdimensioniert».
Landesweit sind also ausreichend Bauzonen vorhanden, nur liegen sie am falschen Ort. Die grossen Reserven finden sich vielfach in peripheren, infrastrukturell schlecht erschlossenen Lagen.1 Knapp ist Bauland in den Zentren und in Gebieten mit hoher Erschliessungsgüte, wo sich die Nachfrage konzentriert. Da die 2500 Gemeinden und 26 Kantone in der Vergangenheit auf Basis partikularer Interessen und nach sehr unterschiedlichen Kriterien eingezont haben, klaffen Angebot und Nachfrage nach Bauland heute räumlich auseinander. Die massive Fehlallokation dieser zentralen wirtschaftlichen Ressource ist die grösste Altlast der Schweizer Raumplanung.
Volkswirtschaftliche Kosten der Fehlallokation
Die Fehlallokation des Baulands stellt planerisch und ökonomisch ein Problem dar. Sie fördert eine disperse Siedlungsentwicklung und einen hohen Flächenverbrauch. Vor allem aber führen die überdimensionierten Bauzonen zu sehr niedrigen Baulandpreisen in der Peripherie und schaffen somit einen Anreiz, fernab der Zentren und an schlecht erschlossenen Lagen zu bauen. Dies verursacht infrastrukturelle Folgekosten in Milliardenhöhe: einerseits fixe Kosten der Infrastrukturerschliessung und andererseits wiederkehrende Mobilitätskosten. Beides wird in der Schweiz massiv durch den Staat subventioniert; der Eigenfinanzierungsgrad des Bahnverkehrs liegt bei 40%. Die Folgekosten der fehlplatzierten Bauzone trägt also am Ende der Steuerzahler.
Um welche Summen es bei den Folgekosten der fehlplatzierten Bauzonen alleine bei den Infrastrukturinvestitionen geht, lässt eine Studie aus dem Nationalen Forschungsprogramm NFP 54 erahnen, in der die Kosten der technischen Infrastruktur des Bauwerks Schweiz analysiert wurden:2 Alleine im Verkehrsbereich (Nationalstrassen und Schiene) wird der Bedarf für Erweiterungsinvestitionen (wiederkehrende Kosten nicht mitgerechnet) bis 2030 auf 79–88 Mrd. Franken veranschlagt. Würde man also die Bauzonenreserven in den nächsten Jahrzehnten einfach dort «volllaufen» lassen, wo sie durch eine schlecht koordinierte Raumplanung zu liegen kamen, wäre dies sicherlich deutlich teurer als die Rückzonungen.
Ausserdem sind die finanziellen Kosten der Rückzonungen volkswirtschaftlich gesehen gar keine Kosten. Die Rückzonungen in Regionen mit überdimensionierten Bauzonen sollen durch Mehrwertabschöpfungen bei Einzonungen in höherwertigen Lagen finanziert werden. Es handelt sich somit vielmehr um Transfers, welche eine effiziente Reallokation der Ressource Bauland ermöglichen. So werden Angebot und Nachfrage besser zur Deckung gebracht. Netto entsteht dabei ein Mehrwert, da die neu eingezonten Flächen einen viel höheren Wert haben als die ausgezonten Flächen.
Mehrwertabgabe als Mittel zur Reallokation
Wünschenswert wäre eine Verschiebung der Bauzonenreserven, und der Schlüssel dafür ist die Mehrwertabgabe: Durch die Teilabschöpfung des Planungsmehrwerts auf Neueinzonungen könnten Rückzonungen an anderer Stelle finanziert werden. Eine grobe Überschlagsrechnung illustriert das Potenzial einer Mehrwertabgabe zur Mobilisierung von Finanzmitteln: In der Schweiz werden gemäss einer Befragung der Kantonsplaner durch Avenir Suisse jährlich etwa 600 ha neues Bauland eingezont (d. h. 6 Mio. m2). Sehr vorsichtig geschätzt entsteht dabei ein durchschnittlicher Planungsmehrwert von 300 Fr./m2.3 Dies entspräche einem Planungsmehrwert von 1,8 Mrd. Franken pro Jahr.
Detailliertere Resultate, die in die gleiche Richtung gehen, liefert eine zuhanden des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) erstellte Studie.4 Ausgehend von schweizweit pro Jahr mehr als 530 ha neu eingezontem Bauland ergibt sich ein jährlicher planerischer Mehrwert von rund 2,1 Mrd. Franken. Dabei wird ein durchschnittlicher Mehrwert pro Quadratmeter von rund 400 Franken veranschlagt. Der Mehrwert variiert von Kanton zu Kanton, dies aufgrund des unterschiedlichen Ausmasses an Neueinzonungen und aufgrund der unterschiedlichen Bodenpreise (siehe Grafik 1).
Würde man, wie im revidierten Raumplanungsgesetz vorgesehen, mindestens 20% des Planungsmehrwerts abschöpfen, so käme man auf 427 Mio. Franken jährlich. Bei höheren Abgabesätzen oder bei einer Einbeziehung von Auf- und Umzonungen bei der Mehrwertabschöpfung wären deutlich höhere Beträge denkbar, auch wenn nach Umsetzung des RPG unter dem Strich weniger Land neu eingezont würde. In der Summe scheinen also Einnahmen von 8–10 Mrd. Franken über eine Periode von 20 Jahren denkbar.
Kosten der Rückzonung minimieren
Damit eine Verschiebung der Bauzonen gelingen kann, müssten nicht nur ausreichende Mittel durch eine Mehrwertabgabe erhoben werden; auch die Kosten für die Rückzonungen müssten im Rahmen bleiben. Berechnungen unter der Annahme eines Mehrwertabgabesatzes von 25%5 kommen zum Ergebnis, dass die generierten Erträge schweizweit bis 2030 ein hypothetisches Auszonungspotenzial von rund 10 000 ha ermöglichten. Dadurch liessen rund 36% überschüssiger Bauzonenreserven abbauen. Allerdings ist dieser Abbau – unter der Voraussetzung, dass die Mehrwertabgabeerträge nur kantonsintern für Rückzonungen verwendet werden können – räumlich sehr unterschiedlich (siehe Grafik 2). In der Praxis dürfte es jedoch eine Reihe von Umständen und möglichen Massnahmen geben, die die Rückzonungskosten weiter reduzieren und dadurch das Auszonungspotenzial gegenüber den Modellberechnungen erhöhen.
Die Kosten der Rückzonung werden dadurch reduziert, dass nur dort rückgezont wird, wo Bauland üppig vorhanden ist und die Baulandpreise folglich tief sind. Eingezont soll hingegen nur noch dort werden, wo das Bauland knapp und somit teuer ist. Das Preisgefälle zwischen aus- und einzuzonenden Flächen beträgt häufig 1:5 oder mehr. Den Rückzonungsprozess erleichtern könnte zudem die Tatsache, dass ein Teil der Bauzonen derart überdimensioniert ist, dass er auch nach dem alten Recht von 1980 kaum als RPG-konform betrachtet werden kann. Somit dürfte in einigen Fällen eine entschädigungslose Rückzonung möglich sein, wie dies auch nach Einführung des RPG 1980 möglich war.
Auch die Zweitwohnungsinitiative dürfte die Kosten der Rückzonungen reduzieren. Gerade im Berggebiet finden sich häufig stark überdimensionierte Bauzonen. Durch den Baustopp für Zweitwohnungen werden die Preise für Bauparzellen in Tourismusregionen deutlich fallen. Entsprechend verringern sich die Entschädigungsansprüche bei Rückzonungen. Dieser Effekt wird jedoch teils dadurch neutralisiert, dass die Zweitwohnungsinitiative auch den Grad der Überdimensionierung erhöht; denn der erwartete 15-Jahresbedarf nach Bauland verringert sich.
Überdies könnten die Rückzonungskosten durch fiskalische Anreize zur freiwilligen Rückzonung reduziert werden. Solche scheinen dort realistisch, wo Baulandpreise gering sind und eine Überbauung in absehbarer Frist nicht zu erwarten ist. Voraussetzung wäre jedoch, dass das Halten von unbebautem Bauland teurer ist als von Landwirtschaftsland. Zwei konkrete Massnahmen könnten dazu beitragen: erstens das Streichen der volkswirtschaftlich ohnehin fragwürdigen landwirtschaftlichen Direktzahlungen auf Bauland und zweitens die Besteuerung von Bauland nach Verkehrswert statt nach landwirtschaftlichem Nutzwert. Letzteres ist gemäss eidgenössischem Steuerharmonisierungsgesetz explizit erlaubt, und knapp die Hälfte der Kantone machen von dieser Möglichkeit auch schon Gebrauch.
Grundzüge eines dreistufigen Finanzierungsmodells
Derartige Massnahmen können die Rückzonungskosten reduzieren. Wenn die RPG-Revision das Referendum übersteht, wären die Ingredienzen zur Bauzonenverschiebung vorhanden: eine Verpflichtung zur Rückzonung überdimensionierter Bauzonen, eine Mindestabschöpfung von Planungsmehrwert sowie klarere Regeln, wo und wie viel Bauland künftig eingezont werden darf. Diese Ansätze gilt es zu einem effektiven Mechanismus zur Bauzonenverschiebung weiterzuentwickeln.
Denkbar wäre ein dreistufiges, von Avenir Suisse vorgeschlagenes Finanzierungsmodell:
Zunächst würde jeder Kanton intern einen Transfer von Bauzonen zwischen ihren Gemeinden organisieren: In Gemeinden mit zu wenig Bauzone würde ein Teil des Mehrwerts bei Neueinzonungen abgeschöpft und zur Finanzierung von Rückzonungen in Gemeinden mit überschüssiger Bauzone verwendet. Die Umverteilung könnte über kantonale Fonds erfolgen.
Kantone, die anschliessend (d. h. «netto») noch überschüssige Bauzonenreserven aufweisen, würden deren Rückzonung mehrheitlich aus eigenen Mitteln finanzieren, beispielsweise zu zwei Dritteln. Sie würden damit die finanziellen Folgen ihres Fehlverhaltens selber tragen; denn schliesslich verstossen die überdimensionierten Bauzonen gegen das seit 1980 gültige Bundesrecht und müssten auch nach bereits gültiger Rechtsprechung des Bundesgerichts eigentlich rückgezont werden.
Den Rest der erforderlichen Kompensationszahlungen – in diesem theoretischen Modell also ein Drittel – könnte der Bund übernehmen. Auch dies entspräche dem Verursacherprinzip, da der Bund durch die Genehmigung der kantonalen Richtpläne Mitschuld daran trägt, dass die überdimensionierten Bauzonen rechtskräftig wurden und damit ihre Rückzonung entschädigungspflichtig wurde.
Bundesbeiträge sollte es jedoch nur für jene Kantone geben, die einen höheren Mehrwertabgabesatz verwenden als das bundesrechtliche Minimum von 20% oder für jene, die Auf- und Umzonungen der Mehrwertabgabe unterstellen sowie sämtliche Einnahmen daraus für Rückzonungen verwenden. Dies würde die Kosten für den Bund minimieren. Eine Hauptverantwortung der Kantone für die Rückzonungen ist sinnvoll: Sie trägt den weitreichenden Kompetenzen der Kantone in der Raumplanung Rechnung und gibt den Kantonen einen Anreiz, die Kosten für die Rückzonungen auf ihrem Gebiet möglichst gering zu halten.
Der Prozess der Bauzonenverschiebung wäre – auch wegen der Kosten – über mindestens 20–30 Jahre zu strecken. Ein Teil des Problems wird sich in dieser Zeit durch den Verbrauch von Bauzonen selber lösen. Für Kantone mit besonders stark überdimensionierten Bauzonen scheinen zudem Härtefallregelungen denkbar, etwa in Form verlängerter Fristen.
Das Problem des zeitverzögerten Mittelflusses
Sollte das revidierte RPG in Kraft treten, stünden neue Instrumente für die Reallokation der Bauzonenreserven zur Verfügung, allerdings mit zeitlicher Verzögerung. Nach Inkrafttreten des Gesetzes haben die Kantone bis zu fünf Jahre Zeit, die Regeln umzusetzen. Dabei haben sie einen Anreiz, den Prozess zu beschleunigen, da die Gesamtfläche ihrer Bauzone bis zur Umsetzung eingefroren wird. Weitere Verzögerungen gibt es dadurch, dass die Abschöpfung nur für neu eingezontes Bauland gilt und erst bei Verwertung des Baulandes (d.h. Bau oder Verkauf). Mit substanziellen Einnahmen aus der Mehrwertabgabe ist also erst in 5–10 Jahren zu rechnen.
Wenn man jedoch schon vorher mit der Rückzonung überdimensionierter Bauzonen beginnen möchte, bräuchte man Mittel aus anderer Quelle. Denkbar wäre etwa ein zinsgünstiges Darlehen des Bundes an die Kantone, das innerhalb von 10-20 Jahren getilgt wird – gewissermassen als Anschubfinanzierung, um die aus ökonomischer Sicht grösste Altlast der Schweizer Raumplanung abzutragen.
Eine Alternative wäre die Verschiebung überdimensionierter Bauzonen in eine Reservezone. Dort könnten sie zunächst einmal 5–10 Jahre entschädigungslos parkiert werden, bis Mittel zur Rückzonung bereitstünden.
Fazit
Die massive Fehlallokation der Bauzonenreserven stellt aus ökonomischer Sicht die grösste Altlast der schweizerischen Raumplanung dar. Die RPG-Teilrevision schafft eine praktikable Basis für die räumliche Verschiebung der Bauzonenreserven. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Umsetzung ist jedoch die Weiterentwicklung der Mehrwertabgabe zu einem umfassenden Finanzierungsmechanismus, um überdimensionierte Bauzonen zurückzuzonen. Die Rückzonung erscheint zwar auf den ersten Blick teuer; aber die Nicht-Rückzonung ist aus volkswirtschaftlicher Sicht noch kostspieliger.
Dr. Markus Gmünder
Geschäftsführender Partner Econlab GmbH, Basel
Dr. Daniel Müller-Jentsch
Projektleiter Avenir Suisse, Zürich
Planungsmehrwert als Rente
Ökonomisch gesehen handelt es sich bei Planungsmehrwert um eine «Rente», weil der Mehrwert nicht durch eine wertschöpfende Handlung des Grundeigentümers entsteht, sondern durch einen hoheitlichen Verwaltungsakt. Eine Teilabschöpfung dieser Rente scheint daher sinnvoll, zumal der Staat (und damit der Steuerzahler) bei negativen Auswirkungen von Planungsentscheiden auf Immobilienwerte auch zu Entschädigungen verpflichtet ist. Eine solche Asymmetrie zwischen der Privatisierung von Planungsmehrwert und der Sozialisierung von Planungsminderwert macht weder ökonomisch noch planerisch Sinn.
Zudem wird die Wertsteigerung mittels Einzonungen durch staatliche Eingriffe in den Bodenmarkt noch erhöht: Erklärtes Ziel des Bäuerlichen Bodenrechts ist die Bekämpfung «übersetzter» Preise für landwirtschaftlich genutzten Boden. Daher darf Landwirtschaftsland grundsätzlich nur zum landwirtschaftlichen Ertragswert gehandelt werden, der meist massiv unter dem Marktwert liegt. Dies vergrössert den Preissprung bei Umzonung von Landwirtschafts- in Bauland ganz erheblich. Mit anderen Worten: Die durch Einzonungen erzielte Rente wird durch staatliche Eingriffe künstlich vergrössert. In Deutschland und Österreich hingegen ist der Preissprung durch Einzonungen geringer, da sich die Preise von «Bauerwartungsland» meist schon den Baulandpreisen annähern.
Auswirkungen der Mehrwertabgabe auf die Baulandpreise
Die bei der Diskussion um die Mehrwertabgabe häufig geäusserte Befürchtung, sie könne zu steigenden Baulandpreisen führen, scheint bei näherer Betrachtung unbegründet.
Auf der Nachfrageseite des Marktes würde eine Mehrwertabgabe zu keinen Veränderungen führen, denn die Zahlungsbereitschaft für Bauland ergibt sich aus dem von der Bauherrschaft erzielbaren Gewinn. Die maximale Zahlungsbereitschaft für eine Baulandparzelle entspricht der Differenz zwischen den zu erwartenden Einnahmen (Miete oder eigener Nutzwert) und den Erstellungskosten (Entwicklung- und Bau) des besten Projekts, das auf einem Grundstück realisiert werden kann («Residualwerttheorie»). Weder die erzielbaren Mieten noch die Erstellungskosten werden von einer Mehrwertabgabe beeinflusst. Somit hat die Mehrwertabschöpfung keinen Einfluss auf die Menge der Nachfrage bzw. die Zahlungsbereitschaft für Bauland.
Auf der Angebotsseite könnte eine Mehrwertabgabe dann preistreibend wirken, wenn sie die Einzonungsbereitschaft – und damit die Angebotsmenge – reduziert. Eine Reduktion der Einzonungsbereitschaft ist jedoch nicht zu erwarten, denn auch bei einer Teilabschöpfung des Planungsmehrwerts ist der Gewinnsprung für den Landbesitzer enorm – und somit der finanzielle Anreiz, der Einzonung zuzustimmen. Im Falle einer Parzelle von 1000 m2 und einem durchschnittlichen Planungsmehrwert von 400 Franken pro m2 würde der Eigentümer bei einer Abschöpfung von 20% immer noch von einem Mehrwert in der Höhe von 320 000 Franken profitieren und hätte damit nach wie vor einen finanziellen Anreiz, Land einzuzonen.
Somit könnte eine Mehrwertabgabe angebotsseitig nicht über die Einzonungsbereitschaft, sondern höchstens über eine Veränderung der Verkaufsbereitschaft einen Preiseffekt entfalten. Es wäre möglich, dass sich für einige Verkäufer der «Reservepreis» erhöht, also der Mindestpreis, ab dem sie bereit sind zu verkaufen. Dies wäre etwa der Fall, wenn sie sich die Mehrwertabgabe vom Käufer «zurückholen» wollten oder darauf spekulierten, dass die Mehrwertabgabe irgendwann wieder abgeschafft wird. Da die Einführung einer Mehrwertabgabe auf der Käuferseite jedoch keine höhere Zahlungsbereitschaft auslöst, könnten die Verkäufer ihren höheren Reservepreis nur realisieren, in dem sie das Grundstück so lange zurückhalten, bis die Nachfrage bzw. die Preise steigen.
Zusammenfassend könnte also eine Mehrwertabgabe nur dann einen preistreibenden Effekt entfalten, wenn sie den Hang zur Baulandhortung verstärkt. Da aber in der Teilrevision des RPG ohnehin Massnahmen zur Baulandmobilisierung vorgesehen sind (Art. 15a RPG), lässt sich dieser Effekt neutralisieren. Beispiele für derartige Massnahmen sind vertragliche Bauverpflichtungen, Kaufrechte der Gemeinden bei Nichtbebauung oder die Besteuerung unbebauter Grundstücke nach Verkehrswert. Ein weiterer Anreiz zur Baulandmobilisierung wäre die Streichung von landwirtschaftlichen Direktzahlungen für Bauland.
Neben diesen Überlegungen zur Preisbildung auf dem Bodenmarkt gibt es noch einen anderen Grund, warum die Mehrwertabschöpfung wohl kaum Auswirkungen auf die Baulandpreise hätte: Das jährlich neu eingezonte Bauland in der Grössenordnung von 500-600 ha – und nur bei diesem würde eine Mehrwertabgabe erhoben – entspricht gerade einmal rund 2% des bereits heute vorhandenen Angebots an Baulandreserven (28 000-41 000 ha). Somit wird der Mengeneffekt vorderhand gering bleiben. Die Einführung einer Mehrwertabschöpfung in Regionen mit reichlich vorhandenen Bauzonenreserven dürfte sich auf absehbare Zeit kaum auf den Preis für Bauland auswirken.
Quellen
B,S,S. (2011): Konzepte zur Bauzonenverkleinerung. Abklärung der monetären Folgen und der Wirksamkeit von vier verschiedenen Konzepten, Studie im Auftrag Bundesamts für Raumentwicklung, Basel.
Fahrländer Partner (2008): Bauzonen Schweiz – Wieviel Bauzonen braucht die Schweiz? Schlussbericht zuhanden des Bundesamts für Raumentwicklung, Zürich.
Müller-Jentsch, D. (2010): Das Problem der überdimensionierten Bauzonen und die Mehrwertabgabe als mögliche Lösung. Die Volkswirtschaft 11/2010.
Müller-Jentsch, D. (2012): Die Verschiebung der Bauzonenreserve als Schlüssel. NZZ 04.12.12.
Müller-Jentsch, D. (2013): Führt die Teilrevision des RPG zu höheren Bodenpreisen?, Inforaum 1/2013, VLP-ASPAN.
Schalcher, H.R., Boesch, H.J., Bertschy, K., Sommer, H., Matter, D., Gerum, J., Jakob, M. (2011): Was kostet das Bauwerk Schweiz in Zukunft und wer bezahlt dafür? Fokusstudie NFP 54, Zürich, vdf.
1 Vgl. Fahrländer Partner (2008).
2 Vgl. Schalcher et al. (2011).
3 Preise von Landwirtschaftsland liegen um die 10 Fr./m2, diejenigen von Bauland zwischen 300 und 1500 Fr./m2.
4 Vgl. B,S,S. (2011).
5 Zum Zeitpunkt der Studie wurde gemäss Vorschlag des Ständerates vom 28.09.2010 zur Teilevision des RPG von einem Mindestabgabesatz von 25% ausgegangen. Im Rahmen der weiteren parlamentarischen Beratungen wurde der Mindestabgabesatz in der Folge auf 20% gesenkt.
Die Fehlallokation des Baulands stellt planerisch und ökonomisch ein Problem dar. Sie fördert eine disperse Siedlungsentwicklung sowie einen hohen Flächenverbrauch und schafft einen Anreiz, fernab der Zentren und an schlecht erschlossenen Lagen zu bauen. Foto: Keystone
Zitiervorschlag: Müller-Jentsch, Daniel; Gmünder, Markus (2013). Das revidierte Raumplanungsgesetz aus ökonomischer Sicht. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.