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Wie konjunkturell abhängig ist die Schweiz vom Ausland?

Die Schweiz gilt gemeinhin als Paradebeispiel für eine kleine offene Volkswirtschaft. Dies manifestiert sich in einer bedeutenden Rolle des Aussenhandels: Die Exporte wie auch die Importe der Schweiz übersteigen mittlerweile 50% des Bruttoinlandprodukts und beeinflussen die schweizerische Konjunktur stark. In den Jahren 2008 und 2009 erlebte die Schweiz in wenigen Quartalen den grössten BIP-Einbruch seit Jahrzehnten. Die grosse Rezession im Zuge der Finanzkrise offenbarte einmal mehr, dass konjunkturelle Schwankungen in der übrigen Welt starke Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung der Schweiz haben können. In jüngster Zeit (2011, 2012) hinterliessen vor allem die Schulden- und Wirtschaftsprobleme diverser Euroländer Bremsspuren bei den Schweizer Exporten, während von Asien starke Wachstumsimpulse ausgingen.

Wie wichtig ist das Ausland für eine kleine offene Volkswirtschaft wie die Schweiz? Wie hat sich dabei die Rolle von Europa und Asien über die Zeit gewandelt? Diese Fragen werden im Folgenden anhand einer empirischen Modellschätzung sowie der Aussenhandelszahlen der Schweiz ausgeleuchtet. In einem ersten Schritt wird aufgezeigt, wie stark das BIP der Schweiz von der auslän­dischen Wirtschaftsentwicklung abhängt. In einem weiteren Schritt wird auf spezifische Verknüpfungen mit Europa und Asien sowie deren Entwicklung über die Zeit eingegangen. Dabei wird klar, dass die Schweizer ­Exporte sowohl in ihrer regionalen Diversifizierung wie auch in ihrer Branchendiversifizierung starke Änderungen durchlaufen. Regionale Unterschiede in der Entwicklung der Exporte scheinen sich – zumindest teilweise – durch die regional verschiedene Branchenzusammensetzung der Exporte zu erklären.

Übertragung von Schwankungen und ­externen Schocks


Übertragungen von konjunkturellen Schwankungen über Ländergrenzen hinweg geschehen einerseits über die Realwirtschaft und andererseits über den Finanzsektor. Die direkten Effekte über den Aussenhandel liegen dabei auf der Hand: Die weltweit ­starke Wachstumsphase vor der Krise führte zu boomenden Schweizer Exporten, während die Krise 2008/09 die Exporte zu­sammenbrechen liess. Neben konjunkturellen Schwankungen beeinflussen jedoch auch Wechselkursschwankungen die Nachfrage nach Schweizer Produkten. Ein starker Anstieg des Schweizer Frankens schmälert die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Produkten im Ausland und wirkt sich so negativ auf die ­Exportentwicklung aus.Über Finanzvariablen – wie Zinsen oder Wechselkurse – werden hingegen sogenannte finanzielle oder monetäre Schocks übertragen. Unter einem Schock verstehen Ökonomen eine plötzliche, unerwartete Änderung von Variablen. Gerade in der jüngsten Vergangenheit waren die Finanzmärkte ein wichtiger Übertragungskanal. Aber auch in ruhigeren Zeiten haben etwa Zinsentscheide ausländischer Notenbanken Auswirkungen auf Wechselkurse und das finanzielle Umfeld, in dem sich die Unternehmen bewegen.Längerfristig sind weitere Faktoren von Bedeutung, wie beispielsweise internationale Wanderungen der Erwerbsbevölkerung oder von Unternehmen und Produktionsstätten. Auch institutionelle Regelwerke – wie beispielsweise die Regulierung der Finanzmärkte, Fiskal- und Bildungspolitik oder ähnliche Faktoren – sind in der langen Frist ebenfalls über die Landesgrenzen hinweg von Bedeutung. Der Fokus des vorliegenden Artikels liegt hingegen auf konjunkturellen Aspekten, also auf der kurzen und mittleren Frist.Anhand ökonometrischer Methoden kann der Einfluss der ausländischen Wirtschaftsentwicklung auf die Schweizer Wirtschaft ­abgeschätzt werden. Dabei werden die Be­ziehungen zwischen der ausländischen Wirtschaftsleistung und den inländischen Datenreihen aufgrund der Vergangenheit bestimmt. Die verwendeten Schätzmethoden sowie die Daten werden im Kasten 1

Daten und Methoden


Für die Schweiz werden Daten zum saisonbereinigten (SA) realen Bruttoinlandprodukt (BIP), zur Inflation basierend auf dem Konsumentenpreisindex, zu den Importen und Exporten (jeweils SA), zur Arbeitslosenquote (SA) sowie zum Interbank 3-Monats-Zinssatz verwendet. Das Ausland wird anhand der Weltnachfrage abgebildet (siehe Kasten 2). Wie die Weltnachfrage ist auch der nominale Wechselkurs ein gewichteter Index. In einer weiteren Variante des Modells wird anstelle des gesamten BIP das BIP abzüglich Aussenhandel (BIP – Exporte + Importe) verwendet. Für die Analyse im Schätzmodell werden für den Zinssatz und die Arbeitslosenquote die Veränderungsraten hinzugezogen. Bei den restlichen Datenreihen wird die Wachstumsrate benutzt. Beim geschätzten Modell handelt es sich um ein VAR (Vektorautoregression), welches durch die Restriktion des exogenen Auslandes in ein Seemingly Unrelated Regression Model (SUR) umgewandelt wird a. Es sei Xt die ausländische Variable und Yt der Vektor mit inländischen Variablen, dann ist die Schätzgleichung gegeben durch: Dabei ist c der Vektor der Konstanten, L der Lag-Operator sowie Zt ein Vektor von multivariat normalverteilten Störtermen. Die Identifikation des ausländischen Schocks wird bei dieser Anordnung der Variablen durch eine Cholesky-Dekomposition erzielt. Danach wird eine Prognosefehler-Varianzzerlegung durchgeführt, um den Beitrag des ausländischen Schocks zu den Schwankungen der inländischen Variablen zu ermitteln. a Tao Zha (1999) diskutiert diese Exogenitätsannahme für eine kleine offene Volkswirtschaft. Das hier gewählte Vorgehen folgt seinem Ansatz. besprochen.

Korrelation des Schweizer BIP mit dem Ausland


Aus der Korrelation der vierteljährlichen Wachstumsraten ergibt sich ein erster Anhaltspunkt, inwiefern die Konjunkturentwicklung der Schweiz mit derjenigen der Welt, Europas und Asiens im Einklang steht (siehe auch Grafik 1 für einen alternativen Vergleich). Für den Zeitraum von 1992 bis 2012 beträgt die Korrelation des BIP mit der Nachfrage für die Welt 0,55 (siehe Kasten 2

Weltnachfrage


Die ausländische Wirtschaftsentwicklung (Weltnachfrage) wird anhand der gewichteten BIP-Wachstumsraten der bedeutendsten Länder abgebildet. Der Indikator für die Weltnachfrage ist daher ein Mittelwert der saisonbereinigten BIP-Wachstumsraten (Quelle: Data­stream) der wichtigsten Handelspartner der Schweiz, jeweils anhand der Exportanteile (Quelle: EZV) gewichtet. Die Gewichte ändern sich dabei über die Zeit, je nach Anteil an den Schweizer Exporten der einzelnen Länder. Berücksichtigt wurden: Deutschland (19,9%), USA (11,1%), Italien (7,2%), Frankreich (6,9%), Ver. Königreich (5,0%), China (3,8%), Hongkong (3,3%), Japan (3,1%), 
Österreich (2,8%), Spanien (2,7%), Indien (1,3%), Singapur (1,6%), Kanada (1,6%), Australien (1,3%), Brasilien (1,2%), Russland (1,2%) und Schweden (0,8%). Die berücksichtigten Länder repräsentieren insgesamt rund 75% der schweizerischen Exporte. Die Angaben in Klammern beziehen sich jeweils auf das Jahr 2012.

Die europäische Nachfrage ist ein gewichteter Index, bestehend aus den Wachstums­raten der für die Schweiz wichtigsten Absatzmärkte. Analog wird für die asiatische Nachfrage vorgegangen.

), für Europa 0,48 und für Asien 0,34. Alle Korrelationskoeffizienten sind signifikant von null verschieden.
Die Reihen wurden um die Autokorrelation bereinigt, um Aussagen über die Signifikanz des Zusammenhanges machen zu können. Abgesehen davon besteht kein weiterer Zusammenhang zwischen diesen Serien; ­weder die globale noch die europäische oder asiatische Nachfrage sind somit nach- oder vorlaufende Indikatoren für das schweizerische BIP. Aus diesen Korrelationen lässt sich also nur schliessen, dass die schweizerische Wirtschaft zu einem beachtlichem Teil im Gleichschritt mit der globalen und der europäischen Wirtschaftsentwicklung verläuft. Der Zusammenhang mit dem asiatischen Wirtschaftsverlauf ist hingegen weniger ausgeprägt. Um zu ergründen, welchen kausalen Einfluss ausländische Faktoren auf die Schwankungen verschiedener makroökonomischer Serien der Schweiz haben, wird im nächsten Abschnitt auf eine weitere ökonometrische Methode eingegangen.

Ergebnisse des ökonometrischen Modells


Das gewählte Vorgehen basiert auf einem multivariaten Ansatz, um den Zusammenhang zwischen den inländischen und ausländischen Daten abzubilden. Als Methode wird ein Seemingly Unrelated Regression Model verwendet (siehe Kasten 1

Daten und Methoden


Für die Schweiz werden Daten zum saisonbereinigten (SA) realen Bruttoinlandprodukt (BIP), zur Inflation basierend auf dem Konsumentenpreisindex, zu den Importen und Exporten (jeweils SA), zur Arbeitslosenquote (SA) sowie zum Interbank 3-Monats-Zinssatz verwendet. Das Ausland wird anhand der Weltnachfrage abgebildet (siehe Kasten 2). Wie die Weltnachfrage ist auch der nominale Wechselkurs ein gewichteter Index. In einer weiteren Variante des Modells wird anstelle des gesamten BIP das BIP abzüglich Aussenhandel (BIP – Exporte + Importe) verwendet. Für die Analyse im Schätzmodell werden für den Zinssatz und die Arbeitslosenquote die Veränderungsraten hinzugezogen. Bei den restlichen Datenreihen wird die Wachstumsrate benutzt. Beim geschätzten Modell handelt es sich um ein VAR (Vektorautoregression), welches durch die Restriktion des exogenen Auslandes in ein Seemingly Unrelated Regression Model (SUR) umgewandelt wird a. Es sei Xt die ausländische Variable und Yt der Vektor mit inländischen Variablen, dann ist die Schätzgleichung gegeben durch: Dabei ist c der Vektor der Konstanten, L der Lag-Operator sowie Zt ein Vektor von multivariat normalverteilten Störtermen. Die Identifikation des ausländischen Schocks wird bei dieser Anordnung der Variablen durch eine Cholesky-Dekomposition erzielt. Danach wird eine Prognosefehler-Varianzzerlegung durchgeführt, um den Beitrag des ausländischen Schocks zu den Schwankungen der inländischen Variablen zu ermitteln. a Tao Zha (1999) diskutiert diese Exogenitätsannahme für eine kleine offene Volkswirtschaft. Das hier gewählte Vorgehen folgt seinem Ansatz.). Im Rahmen dieses Modells wird die Weltnachfrage als exogene Variable behandelt. Inländische Schocks – wie eine unerwartete Erhöhung der Zinsen oder der Arbeitslosigkeit in der Schweiz – haben somit keinen Effekt auf das ausländische BIP. Das Modell ermöglicht es abzuschätzen, wie viel der Schwankungen der inländischen Variablen durch ausländische Faktoren erklärt wird. Die Varianz des Schweizer BIP wird langfristig zu 55% durch ausländische Schocks erklärt. Anstelle des gesamten BIP können die ­Inlandkomponenten und der Aussenhandel separat berücksichtigt werden. Die Inlandkomponenten berechnen sich anhand des BIP exklusive Aussenhandel. Die Schätzergebnisse zeigen auf, dass die Inlandkom­ponenten kurzfristig nur gering durch ­ausländische Schocks beeinflusst werden. Längerfristig steigt der Einfluss der ausländischen Schocks auf die Inlandkomponenten auf 15% und verbleibt somit im Vergleich zum Anteil von 55% beim gesamten BIP auf einem tiefen Niveau. Dieser deutliche Unterschied zwischen der Wirkung auf das gesamte Schweizer BIP und der Wirkung auf die Inlandkomponenten alleine liefert einen Hinweis darauf, dass der direkte Wirkungskanal über den Aussenhandel mit Abstand der wichtigste ist. Die Varianz der Exporte wird dabei unmittelbar bereits zu 54% durch ausländische Faktoren erklärt. Langfristig steigt dieser Wert auf 56% an.
Es wäre zu erwarten, dass das gewichtete Mittel der Prognosefehlervarianz der Exporte sowie Importe und der Binnenwirtschaft demjenigen des ganzen BIP entspricht. Dies trifft jedoch nicht zu, da die Summe der Varianz der Komponenten (Binnennachfrage, Exporte und Importe) nicht der Varianz des Aggregats (BIP) entspricht. Zu den Schwankungen der Arbeitslosenquote tragen ausländische Schocks längerfristig 37% bei. Allerdings wird die Arbeitslosenquote in der kurzen Frist nur geringfügig (8%) durch das Ausland beeinflusst. Der Aussenhandel schlägt also via Exporte direkt auf das BIP durch, was sich in der Folge langsam auch auf die Binnenkonjunktur und den Arbeitsmarkt auswirkt.

Der Aussenhandel im Fokus


Seit Mitte der 1990er-Jahre nimmt der Aussenhandel für die Schweizer Konjunktur eine immer herausragendere Stellung ein. Betrugen die Gesamtexporte 1995 noch ca. 35% des BIP, belaufen sie sich seit 2006 auf deutlich über 50%. Aus der letzten Zahl darf jedoch nicht geschlossen werden, dass über die Hälfte des Schweizer BIP durch Exporte entsteht (siehe Kasten 3

Wird jeder zweite Franken im Ausland verdient?


Im Jahr 2011 betrugen die Gesamtexporte der Schweiz mit nominal rund 300 Mrd. Franken mehr als 50% des BIP (nominal 587 Mrd. Fr.). Dies ist ein Hinweis auf die starke Verflechtung der Handelsströme der Schweiz mit dem Ausland. Allerdings wäre es falsch, daraus zu schliessen, dass mehr als die Hälfte der Schweizer Wertschöpfung (BIP) durch die Exporte entstünde. Denn um den Beitrag der Exporte zur Gesamtwertschöpfung zu berechnen, müssen die Importe (deren Wertschöpfung im Ausland anfällt), welche reexportiert werden, von den Exporten abgezogen werden. Die schweizerischen Gesamtimporte beliefen sich 2011 nominal auf rund 237 Mrd. Franken. Für die Höhe der Reexporte liegen gemäss Oberzolldirektion für die Schweiz keine Daten vor. Für Deutschland schätzte das Statistische Bundesamt im Jahre 2002 den Importanteil der Exporte auf ca. 40% a. Unter der Annahme, dass rund 40% der Schweizer Importe wieder in die Exporte fliessen, würde der Wertschöpfungsanteil der Exporte rund ein Drittel des BIP betragen.

a Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2011): Fakten zum deutschen Aussenhandel 2011, S. 2, Internet: www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/F/fakten-zum-deutschen-aussenhandel-2011). Anhand der Daten der Oberzolldirektion kann eine vertiefte deskriptive Analyse der Waren­exporte unternommen werden. Diese wird sowohl über die zeitliche wie auch über die regionale und die sektorale Dimension durchgeführt.Die geografische Positionierung der Schweiz im Herzen Europas macht unser Land vom europäischen Kontinent besonders abhängig. Beinahe 60% der Warenexporte
Aus den Daten der Oberzolldirektion können die Exporte nach Rubriken sowie Länder aufgeteilt werden. Für die Dienstleistungsexporte, welche im Wesentlichen aus Lizenzen und Patenten, Transithandelsexporten, Finanzdienstleistungen, Verkehrs- und Tourismusdienstleistungen bestehen, liegen weniger detaillierte Daten vor. Die Gesamtexporte bestanden 2011 zu über zwei Dritteln aus Warenexporten. wurden 2012 in europäische Länder ausgeführt. Somit wird klar, dass eine möglicherweise noch lange andauernde strukturelle Krise in Europa die Schweizer Wirtschaft über den Aussenhandel direkt in Mitleidenschaft ziehen wird.Bereits 2008/2009 waren es die Exporte nach Europa (–14%), welche mit Abstand am meisten zum starken Einbruch der schweizerischen Exporte beitrugen. Im Vergleich dazu sanken die Schweizer Warenexporte in andere Weltregionen deutlich weniger (zwischen –3% und –7%). Dies mag auf den ersten Blick erstaunen, da der Ursprung der Krise vom amerikanischen Kontinent ausging und der Handel praktisch weltweit kollabierte. Nichtsdestotrotz behaupteten sich die Schweizer Exporte in alle übrigen Weltregionen (inklusive Nordamerika) vergleichsweise gut, erreichten bereits in den Folgequartalen wieder die Vorkrisenniveaus und befanden sich 2012 auf Rekordhöhe (siehe Grafik 2).Demgegenüber entwickelten sich die Warenexporte in Richtung Europa seit 2009 schwach. Als Folge davon haben sich die Exportanteile Europas zugunsten stärker wachsender Weltregionen zurückgebildet, so dass die regionale (oder zumindest kontinentale) Diversifizierung der Schweizer Exporte zugenommen hat. So haben die Anteile Nordamerikas sowie Asiens an den Gesamtexporten von rund 8% (Nordamerika) und 15% (Asien) im Jahr 1990 auf rund 13% resp. 23% im Jahr 2012 zugenommen.

Europa: Konjunktursensitive Schweizer Exporte und schwaches Wachstum


Hinter der erwähnten schwachen Entwicklung der Exporte mit Destination Europa verbirgt sich ebenfalls eine heterogene regionale Entwicklung. Betrachtet man die südlichen Länder Europas Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Zypern, so lässt sich gar eine seit 4 Jahren anhaltende Abwärtstendenz feststellen (siehe Grafik 3). Demgegenüber nahmen die Exporte in alle übrigen Länder Europas nominell leicht und real
Deflatoren zu den Exporten in einzelne Länder existieren keine. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) berechnet auf Quartalsebene jedoch Deflatoren für rund 10 Rubriken der Warenexporte, anhand derer regionale Deflatoren berechnet werden können. Dabei muss jedoch angenommen werden, dass regionale Preisdiskriminierungen begrenzt und die Warenkörbe einzelner Exportrubriken über die Ländergrenzen hinweg ähnlich sind. deutlich zu.Die reale Exportentwicklung in die übrigen europäischen Länder fällt deutlich ­positiver aus, da viele Schweizer Unternehmen unter anderem aufgrund der ungünstigen Wechselkursentwicklung Preissenkungen vornehmen mussten (eine konstante nominelle Entwicklung bei sinkenden Preisen ­impliziert höhere Volumen). Allerdings hat diese steigende reale Entwicklung den Wermutstropfen, dass die Schweizer Exporteure wahrscheinlich Margen- und Ertragseinbussen in Kauf nehmen mussten.Desaggregiert – d.h. nach Warenrubriken betrachtet – wird klar, dass die Exporte nach Europa von den Sektoren Maschinen und Metalle sowie Pharma (siehe Grafik 4) dominiert werden. Die Krise von 2008/2009 war in der Pharmaindustrie nur leicht zu spüren. In den letzten Jahren ist aber auch in dieser Rubrik eine Konsolidierung auf sehr hohem Niveau im Gange. Demgegenüber vermochte die sehr konjunktursensible Rubrik Maschinen und Metalle den Einbruch von 2008/2009 bis heute nicht wettzumachen. Auch die chemische Industrie sowie Uhren und Bijouterie wuchsen eher verhalten; Exporte von Präzisionsinstrumenten nahmen in den letzten Jahren leicht ab. Nach Südeuropa werden kaum Maschinen sowie Präzisionsinstrumente exportiert (Anteile von rund 5%). Mit Ausnahme von Uhren und Bijouterie befinden sich alle Exportkategorien mit Destination Südeuropa seit 2009 entweder auf Stagnations- oder auf Abwärtskurs.

Asien: Starke Pharma-, Uhren- und ­Bijouterieexporte


Ganz im Gegensatz zur Entwicklung ­Europas steht jene Asiens. Während viele ­europäische Länder mit hohen Schulden, stag­nierender Wirtschaftsleistung und hoher Arbeitslosigkeit kämpfen, hat sich in den letzten Jahren keine Weltregion so dynamisch entwickelt wie Asien. Davon konnten aber nicht alle Exporteure im gleichen Ausmass profitieren. Besonders ausgeprägt ist der Anstieg der Uhren- und Bijouterieexporte. Während diese Branchen noch zu den grössten Verlierer der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 gehörten (siehe Grafik 5), kam es ab Mitte 2009 zu einem spektakulären Aufschwung. In nur drei Jahren verdoppelten sich die Exporte nach Asien. In keiner Weltregion haben die Uhrenexporte annährend das gleiche Gewicht wie in Asien mit 35%. In Europa sind es nur etwa 8% und im weltweiten Durchschnitt 15%. Neben den Uhren- und Bijouterieexporten trugen während der Finanz- und Wirtschaftskrise die MEM-Exporte am stärksten zu den Umsatzeinbussen bei. Zwar erfuhren diese ab Mitte 2009 eine ähnlich starke Erholung wie die Uhrenindustrie; diese endete aber im 2010 abrupt und ging in einen neuerlichen Abschwung über. Mittlerweile befinden sich die MEM-Exporte wieder auf demselben Niveau wie 2009. Die dritte bedeutende Exportrubrik Pharma zeigt ein ähnlich fulminantes Wachstum wie in Europa und wurde durch die Krisenjahre kaum berührt. Auch die Exporte an Präzisionsinstrumenten zeigten sich robust und trugen zur Stabilisierung bei.Vergleicht man Asien mit anderen Weltregionen so fällt auf, dass die Pharmaprodukte zwar zu den wichtigsten Exportgütern gehören und das Wachstum sehr dynamisch war. Allerdings hat jene Rubrik nicht dieselbe herausragende Stellung wie z.B. in Europa. Dies hat mit gewissen Besonderheiten des Marktes China/Hongkong zu tun.

Differenzierung: China/Hongkong und Rest Asiens


Mit jährlichen BIP-Wachstumsraten von durchschnittlich rund 10% im letzten Jahrzehnt stieg China/Hongkong für die Schweiz zum wichtigsten Absatzmarkt im asiatischen Raum auf. Der Produktemix nach China unterscheidet sich zum Teil aber beträchtlich von anderen Ländern, was wohl grösstenteils mit dem Entwicklungsgrad Chinas erklärt werden kann. So sind die Pro-Kopf-Einkommen der breiten Bevölkerung noch immer relativ tief. Mit einem Anteil von 12% an den Gesamtexporten nach China/Hongkong haben die Pharmaprodukte deshalb nur ein unterdurchschnittliches Gewicht. Üblicherweise steigt die Nachfrage mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen an.Wie bereits erwähnt fielen die Exporte nach Asien (–3%) während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 weniger stark als in anderen Weltregionen; dies trifft aber nur bedingt auf China/Hongkong zu. Mit einer negativen Entwicklung von -7% nahmen diese nur unwesentlich weniger ab als die Gesamtexporte (siehe Grafik 6). Überproportional betroffen waren die der Uhren/Bijouterie (–18,6%) und der Maschinenindustrie (–21,7%), wobei sich die ersteren relativ rasch erholten. Einige Branchen – wie z. B. die Pharmaindustrie – konnten aber auch 2009 von einer höheren Nachfrage aus China/Hongkong profitieren. Schliesslich kam es zu einem fulminanten Wachstum der Pharma- und Bijouterie-­Exporte nach China kurz nach der Krise. ­Gemäss einer Studie von Degen (2009) leistet sich ein sehr grosser Anteil der wohlhabenden Konsumenten Luxusgüter. Dementsprechend stieg der Anteil Chinas und Hongkongs an den Gesamtexporten zwischen 2009 und 2012 von 4,9% auf fast 7% an. Seit Ende der Wirtschaftskrise 2009 kam fast die Hälfte (47%) des Exportwachstums aus Asien; vor der Krise waren es nur 28%.Obwohl die Schweizer Exporte nominal nach China/Hongkong innert 10 Jahren (2002–2012) um das Zweieinhalbfache gestiegen sind, ist diese Entwicklung im internationalen Vergleich nicht aussergewöhnlich. In der gleichen Zeit haben auch die Exporte der ­Eurozone nach China/Hongkong ähnlich stark zugelegt. Seit 2010 stagnieren jedoch die chinesischen Importe, und gleichzeitig nehmen die Schweizer Exporte nach China leicht ab.

Schlussfolgerungen


Eine kleine offene Volkswirtschaft wie die Schweiz hängt stark von der ausländischen Konjunkturentwicklung ab. Konjunkturschwankungen im Ausland beeinflussen dabei in erster Linie über den Exportkanal die Schweizer Konjunktur; längerfristig ist davon auch die Binnenwirtschaft betroffen. Die Anfälligkeit der Exportindustrie auf externe Schocks lässt sich dabei anhand von zwei ­Dimensionen beschreiben: zum einen bezüglich der geografischen, zum anderen bezüglich der branchenspezifischen Diversifizierung. Für die Gesamtexporte sowie die meisten Branchen ist Europa nach wie vor mit Abstand der wichtigste Absatzmarkt. 2008/2009 war es denn auch diese Weltregion, von welcher die negativsten Impulse auf die Gesamtexporte ausgingen. Hinter dieser Entwicklung stecken aber durchaus grosse Unterschiede in der regionalen Diversifizierung einzelner Branchen. Der Umstand, dass die Warenexporte nach Nordamerika und Asien vergleichsweise weniger konjunktursensitive (Pharma) respektive dynamischere (Uhren & Bijouterie) Branchen umfassen als jene nach Europa, erklärt denn auch, warum die Schweizer Exporte mit Destination Europa am stärksten eingebrochen sind. Pharma und Chemie sowie Uhren und Präzisionsinstrumente machen von den Gesamtexporten nach Nordamerika, Asien sowie der übrigen Welt rund 75% aus; in Europa hingegen sind MEM und die übrigen Rubriken ebenso bedeutend (ca. 50%). Vor diesem Hintergrund sollte anstelle einer gesamthaft schwachen Exportdynamik in den europäischen Raum eher von einer Krise der MEM-Exporte respektive von einem Boom der Pharma- sowie Uhren- und Bijouterieexporte gesprochen werden, abgesehen von Exporten in südeuropäische Länder.Eine geografisch breite Diversifizierung der Exporte bietet in erster Linie Absicherung vor regional beschränkten Konjunk­turschwankungen wie beispielsweise der ­Asienkrise von 1997. Im Falle einer weltweiten Krise wie der grossen Finanzkrise von 2008/2009 hilft geografische Diversifizierung allein nicht weiter, weil alle Regionen negativ betroffen sind. Um Krisen abfedern zu können, ist daher ein guter Branchenmix mit einigen strukturell starken und konjunkturresistenten Sektoren – wie die Pharmabranche für die Schweiz – von zentraler Bedeutung.

Grafik 1: «Nachfrageentwicklung nach Weltregionen im Vergleich zum Schweizer BIP, 2000–2012»

Grafik 2: «Geografische Aufteilung der Schweizer Exporte, 1988–2012»

Grafik 3: «Geografische Aufteilung der Schweizer Exporte innerhalb Europas, 1988–2012»

Grafik 4: «Exportvolumen verschiedener Branchen nach Europa»

Grafik 5: «Exportvolumen verschiedener Branchen nach Asien»

Grafik 6: «Geografische Aufteilung der Schweizer Exporte innerhalb Asiens, 1988–2012»

Kasten 1: Daten und Methoden

Daten und Methoden


Für die Schweiz werden Daten zum saisonbereinigten (SA) realen Bruttoinlandprodukt (BIP), zur Inflation basierend auf dem Konsumentenpreisindex, zu den Importen und Exporten (jeweils SA), zur Arbeitslosenquote (SA) sowie zum Interbank 3-Monats-Zinssatz verwendet. Das Ausland wird anhand der Weltnachfrage abgebildet (siehe Kasten 2). Wie die Weltnachfrage ist auch der nominale Wechselkurs ein gewichteter Index. In einer weiteren Variante des Modells wird anstelle des gesamten BIP das BIP abzüglich Aussenhandel (BIP – Exporte + Importe) verwendet. Für die Analyse im Schätzmodell werden für den Zinssatz und die Arbeitslosenquote die Veränderungsraten hinzugezogen. Bei den restlichen Datenreihen wird die Wachstumsrate benutzt. Beim geschätzten Modell handelt es sich um ein VAR (Vektorautoregression), welches durch die Restriktion des exogenen Auslandes in ein Seemingly Unrelated Regression Model (SUR) umgewandelt wird a. Es sei Xt die ausländische Variable und Yt der Vektor mit inländischen Variablen, dann ist die Schätzgleichung gegeben durch: Dabei ist c der Vektor der Konstanten, L der Lag-Operator sowie Zt ein Vektor von multivariat normalverteilten Störtermen. Die Identifikation des ausländischen Schocks wird bei dieser Anordnung der Variablen durch eine Cholesky-Dekomposition erzielt. Danach wird eine Prognosefehler-Varianzzerlegung durchgeführt, um den Beitrag des ausländischen Schocks zu den Schwankungen der inländischen Variablen zu ermitteln. a Tao Zha (1999) diskutiert diese Exogenitätsannahme für eine kleine offene Volkswirtschaft. Das hier gewählte Vorgehen folgt seinem Ansatz.
Kasten 2: Weltnachfrage

Weltnachfrage


Die ausländische Wirtschaftsentwicklung (Weltnachfrage) wird anhand der gewichteten BIP-Wachstumsraten der bedeutendsten Länder abgebildet. Der Indikator für die Weltnachfrage ist daher ein Mittelwert der saisonbereinigten BIP-Wachstumsraten (Quelle: Data­stream) der wichtigsten Handelspartner der Schweiz, jeweils anhand der Exportanteile (Quelle: EZV) gewichtet. Die Gewichte ändern sich dabei über die Zeit, je nach Anteil an den Schweizer Exporten der einzelnen Länder. Berücksichtigt wurden: Deutschland (19,9%), USA (11,1%), Italien (7,2%), Frankreich (6,9%), Ver. Königreich (5,0%), China (3,8%), Hongkong (3,3%), Japan (3,1%), 
Österreich (2,8%), Spanien (2,7%), Indien (1,3%), Singapur (1,6%), Kanada (1,6%), Australien (1,3%), Brasilien (1,2%), Russland (1,2%) und Schweden (0,8%). Die berücksichtigten Länder repräsentieren insgesamt rund 75% der schweizerischen Exporte. Die Angaben in Klammern beziehen sich jeweils auf das Jahr 2012.

Die europäische Nachfrage ist ein gewichteter Index, bestehend aus den Wachstums­raten der für die Schweiz wichtigsten Absatzmärkte. Analog wird für die asiatische Nachfrage vorgegangen.

Kasten 3: Wird jeder zweite Franken im Ausland verdient?

Wird jeder zweite Franken im Ausland verdient?


Im Jahr 2011 betrugen die Gesamtexporte der Schweiz mit nominal rund 300 Mrd. Franken mehr als 50% des BIP (nominal 587 Mrd. Fr.). Dies ist ein Hinweis auf die starke Verflechtung der Handelsströme der Schweiz mit dem Ausland. Allerdings wäre es falsch, daraus zu schliessen, dass mehr als die Hälfte der Schweizer Wertschöpfung (BIP) durch die Exporte entstünde. Denn um den Beitrag der Exporte zur Gesamtwertschöpfung zu berechnen, müssen die Importe (deren Wertschöpfung im Ausland anfällt), welche reexportiert werden, von den Exporten abgezogen werden. Die schweizerischen Gesamtimporte beliefen sich 2011 nominal auf rund 237 Mrd. Franken. Für die Höhe der Reexporte liegen gemäss Oberzolldirektion für die Schweiz keine Daten vor. Für Deutschland schätzte das Statistische Bundesamt im Jahre 2002 den Importanteil der Exporte auf ca. 40% a. Unter der Annahme, dass rund 40% der Schweizer Importe wieder in die Exporte fliessen, würde der Wertschöpfungsanteil der Exporte rund ein Drittel des BIP betragen.

a Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2011): Fakten zum deutschen Aussenhandel 2011, S. 2, Internet: www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/F/fakten-zum-deutschen-aussenhandel-2011
Kasten 4: Literatur

Literatur

  • Degen, Ronald (2009), Opportunity for Luxury Brands in China, International School of Management Paris Working Paper Nr. 31/2009.
  • Zha, Tao (1999), Block Recursion and Structural Vector Autoregressions, Journal of Econometrics.

Zitiervorschlag: Ronald Indergand, Stefan Leist, (2013). Wie konjunkturell abhängig ist die Schweiz vom Ausland. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.