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Hochpreisinsel: Ursachen und Lösungen

Die Hauptursache für die Hochpreisinsel Schweiz sind nicht – wie immer wieder behauptet wird – die hohen Schweizer Löhne, sondern Wettbewerbsbehinde­rungen: Ausländische Lieferanten verkaufen ihre Produkte zu rekordhohen Preisen in die Schweiz und behindern günstigere Parallelimporte. Der Preiszuschlag ist je nach Produkt enorm. Die Migros muss zum Beispiel im Einkauf für einen Nivea-Styling-Spray 3,30 Franken bezahlen. In Deutschland kostet das identische Produkt im Laden umgerechnet 1,49 Franken. Mit einem griffigen Kartellgesetz könnte dieser Missstand behoben werden. Die Schweiz würde davon stark profitieren: mit tieferen Preisen für Konsumenten und Unternehmen und weniger Einkaufstourismus.

Ein Blick auf das Preisvergleichsportal http://www.preisbarometer.ch zeigt: Identische Produkte sind in der Schweiz massiv teurer als beispielsweise in Deutschland. Zeitschriften kosten durchschnittlich 60% mehr, Kleider 29% und Schuhe 17%. Bei verarbeiteten Lebensmitteln beträgt der durchschnittliche Aufschlag in der Schweiz im Vergleich zum günstigsten deutschen Detailhändler rund 45%, bei Kosmetikartikeln sogar fast 70% – und dies noch ohne Berücksichtigung der hohen Mehrwertsteuerdifferenzen. Auch andere Importprodukte – wie Outdoor- oder Babyartikel – sind in der Schweiz deutlich teurer. Gerechtfertigt werden diese Preisunterschiede immer wieder mit den hohen Schweizer Löhnen. Das Argument klingt einleuchtend, ist aber zumindest für den Detailhandel falsch. Eine im Auftrag von Migros, Coop, Denner, Valora, Manor und Charles Vögele erstellte Studie vom Oktober 2010
Kosten, Preise und Performance – Der Schweizer Detailhandel im internationalen Vergleich. zeigt, dass die Angestellten im Schweizer Detailhandel zwar mehr verdienen als in Deutschland, Frankreich, Österreich oder Italien, dass aber die Lohnnebenkosten in der Schweiz vergleichsweise niedrig sind. Zudem sind die Schweizer Angestellten produktiver. Werden all diese Faktoren berücksichtigt, kommen die Verfasser der Studie zum Schluss, dass der Schweizer Detailhandel bei den Lohnstückkosten gegenüber den vier Nachbarländern einen durchschnittlichen Kostenvorteil von 5% hat.

Parallelimporte werden behindert


Auch andere Kosten, die gerne ins Feld geführt werden, um hohe Preise zu rechtfertigen, spielen laut dieser Studie kaum eine Rolle. So verteuert sich ein Produkt in der Schweiz im Vergleich zu den benachbarten Ländern aufgrund höherer Vorleistungskosten (Mieten, Lager- und Lieferkosten, Werbung/Kommunikation, Verpackung, Energie, etc.) lediglich um rund 2%. Demgegenüber stehen deutliche Kostenvorteile für Schweizer Anbieter: Der Normalsatz der Mehrwertsteuer beträgt in der Schweiz 8%, in Deutschland 19%, in Frankreich 19,6%, in Österreich 20% und in Italien 23%. Ausserdem profitieren Schweizer Unternehmen von vergleichsweise tiefen Kapitalkosten und Unternehmenssteuern. Aufgrund dieser Kostenstruktur müssten Importprodukte in der Schweiz zu konkurrenzfähigen Preisen angeboten werden können. Dass dies möglich ist, zeigen die ­Angebote für Computer und Unter­hal­tungselektronik. Weshalb ist dies in anderen Produktsektoren nicht der Fall? Das Hauptproblem ist rasch identifiziert: Schweizer Unternehmen werden gezwungen, die Produkte von ausländischen Herstellern zu überhöhten Preisen beim Schweizer Alleinimporteur oder bei der Niederlassung zu beziehen. Wollen sie die Produkte parallel importieren, werden sie mit diversen Tricks daran gehindert. Die wenigen Beispiele, bei denen günstige Parallelimporte gelingen, können nicht darüber hinwegtäuschen.

Mehr Arbeitsplätze und tiefere Preise dank Kartellgesetzrevision


Wenn selbst die Marktmacht von Migros nicht ausreicht, um Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen zu importieren, dann schaffen es der Fahrradhändler oder das Sportgeschäft um die Ecke erst recht nicht. Aus diesem Grund habe ich einen politischen Vorstoss (Motion Nr. 11.3984) eingereicht, der das Problem an der Wurzel packt: Künftig sollen Schweizer Konsumenten und Unternehmen auch im Ausland zu den dort geltenden Preisen und Geschäftsbedingungen einkaufen können. Diese Regelung wirkt gegen den Preiszuschlag Schweiz. Wir würden davon gleich dreifach profitieren: Erstens kaufen wieder mehr Schweizer im Inland anstatt im benachbarten Ausland ein. Zweitens bleibt den Konsumenten bei tieferen Preisen für Importprodukte mehr Geld im Portemonnaie, das für den Kauf von anderen (d.h. auch inländischen) Produkten und Dienstleistungen frei wird. Drittens müssten Schweizer Unternehmen weniger hohe Preise bezahlen für importierte Apparate, Maschinen und Halbfabrikate und wären somit konkurrenzfähiger. Eine solche Regelung brächte tiefere Preise und mehr Arbeitsplätze. Erstaunlich, dass es überhaupt Gegner dieses Vorschlags gibt.

Zitiervorschlag: Prisca Birrer-Heimo (2013). Hochpreisinsel: Ursachen und Lösungen. Die Volkswirtschaft, 01. März.