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Gegen hohe Preise – für Wettbewerb

Niemand bezahlt gerne hohe Preise. Zudem sind höhere Kosten auch ein Konkurrenznachteil. Economiesuisse ist gegen eine künstliche Hochpreisinsel. Tiefere Preise können aber nicht «herbeireguliert» werden. Viele preistreibende Faktoren sind hausgemacht. Notwendig ist ein konsequentes Vorgehen gegen Abschottungen und Barrieren sowie eine Förderung des Wettbewerbes. Dies bedeutet eine konsequente Umsetzung des Cassis-de-Dijon-Prinzips und eine entschlossene Marktöffnung. Künstliche Eingriffe in die Preisbildung oder die Vertragsfreiheit sind aber kontraproduktiv und ordnungspolitisch nicht akzeptabel.

Niemand zahlt gerne «zu viel» für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Der weit verbreitete Unmut gegen eine empfundene Übervorteilung beim Einkauf ist daher nachvollziehbar. Die Frage ist, ob eine moralische Diskussion rund um den «gerechten» Preis zweckmässig ist und welche Massnahmen anzustreben sind. Auch Economiesuisse kämpft dezidiert gegen das Phänomen der Hochpreisinsel Schweiz. Eine vertiefende Analyse wurde im vergangen Jahr publiziert.
Vgl. http://www.economiesuisse.ch, Themen, Regulatorisches, Konsumentenpolitik, 3.12.2012: Eine «Lex Nivea» für «gerechte» Preise? Tiefere Preise können jedoch nicht einfach «herbeireguliert» werden – das wäre planwirtschaftlich. Anzusetzen ist bei der Stimulierung des Wettbewerbes durch Marktöffnung und durch ein ökonomisch orientiertes Wettbewerbsrecht. In Europa weist die Schweiz zusammen mit Norwegen und Dänemark das höchste Preisniveau auf. Offensichtlich gibt es für die Preisdifferenzen in der Schweiz wichtige kostenseitige Gründe. Ein in der Diskussion dabei oft vernachlässigter Kostentreiber stellt auch die Kleinheit des Schweizer Marktes dar. «Economies of scale» (Grössenvorteile) lassen sich in der Schweiz schlechter realisieren als etwa in Deutschland mit seiner rund zehn Mal grösseren Bevölkerung.

Gegen regulatorische Abschottung


Preisunterschiede stimmen sehr stark mit dem Wohlstand eines Landes gemessen am Bruttoinlandprodukt überein. Das Phänomen der Hochpreisinsel besteht im Vergleich zum Ausland vor allem dort, wo die Märkte regulatorisch abgeschottet sind. Ein besonderer Fall ist der Agrarmarkt. Preisdifferenzen lassen sich von den Anbietern einfacher durchsetzen, wenn Unterschiede in den Regulierungen bestehen. Daher ist es wichtig, das Cassis-de-Dijon-Prinzip konsequent umzusetzen. Leider besteht die Tendenz, bei Produktvorschriften immer wieder abzuweichen. Dazu gehören etwa Angaben über die Herkunft, den Energieverbrauch oder die zu verwendende Sprache. So sehr solche Angaben aus Konsumentensicht auch wünschbar sein mögen. Private Abschottungen und Absprachen können den Markt und die freie Preisbildung ebenso behindern wie staatliche Barrieren. Dagegen muss konsequent vorgegangen werden. Dies hat die Weko mit ihren – allerdings noch nicht rechtskräftigen – Leitentscheiden beispielsweise in den Fällen Gaba/Elmex, Nikon oder BMW auch getan. Zusätzlich will der Bundesrat gegen Absprachen mit einem Verbot von fünf Typen horizontaler und vertikaler Abreden mit Rechtfertigungsmöglichkeiten vorgehen und so den Wettbewerb stimulieren. Eine Abschottung kann ein Anbieter auch durchsetzen, wenn er Marktmacht besitzt. Nur dann kann er sich unabhängig von den übrigen Marktteilnehmern verhalten. Dagegen kann bereits mit dem bestehenden Kartellgesetz eingegriffen werden.

Kein überschiessender Eingriff in die Vertragsfreiheit


Die Motion Birrer-Heimo und ähnliche Vorstösse verlangen weitergehende Eingriffe. So sollen Anbieter unter dem Motto «Gewährleistung der Einkaufsfreiheit» verpflichtet werden, Schweizer Nachfrager im Ausland zu beliefern, auch wenn keine Marktmacht vorliegt. Dies wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Vertragsfreiheit. Die Motion ist in der Praxis nicht durchsetzbar. Sie verlangt eine Belieferungspflicht zu den im Ausland geltenden Preisen und Geschäftsbedingungen. Damit müssten die Schweizer Wettbewerbsbehörden zur Feststellung eines Missbrauches die genauen Bedingungen feststellen und vergleichen. Dazu gehören neben den Preisen weitere Punkte wie Lieferbereitschaft, Mengenverpflichtungen, Rabatte, Serviceleistungen, Werbekostenbeiträge und vieles mehr. Ohne Einblick in alle Verträge kann das nicht festgestellt werden. Den Schweizer Behörden mangelt es aber an Kompetenzen, solche Unterlagen aus dem Ausland einzufordern. Ein überschiessender Eingriff wäre nicht verfassungskonform. Art. 96 BV deckt Wettbewerbsbehinderungen im Sinne von schädlichen Absprachen oder bei Vorliegen von Marktmacht
Nach der herrschenden Lehre ist dabei der Begriff der Marktmacht weitgehend analog der «Marktbeherrschung» nach Art. 4 Abs. 2 KG auszulegen: «Nur Unternehmen, die sich weitgehend unabhängig von den anderen Marktteilnehmern verhalten können, sind in der Lage, missbräuchliche Preise durchzusetzen.» (Reto Jacobs, Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung, 2. Auflage, Zürich/St. Gallen 2008, N 29 zu Art. 96).. Alle Eingriffe, die darüber hinausgehen, verletzen die Grundsätze einer marktwirtschaftlichen Orientierung, die mit dem Verfassungsartikel zur Wirtschaftsfreiheit zu Recht hochgehalten wird.

Zitiervorschlag: Thomas Pletscher (2013). Gegen hohe Preise – für Wettbewerb. Die Volkswirtschaft, 01. März.