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Einkaufstourismus auf Allzeit-Hoch

Anfangs Jahr hat das Bundesamt für Statistik (BFS) eine Teuerungsrate von minus 0,7% bekanntgegeben. Erfreulich würde man meinen. Angesichts der Tatsache, dass der Euro um 20% billiger geworden ist und, was gerne vergessen wird, weder Krankenkassenprämien noch Mietzinse im Warenkorb berücksichtigt werden, ist dies wohl eher ein Tropfen auf den heissen Stein. Sowohl Krankenkassenprämien wie Mietzinse sind auch 2012 weiter angestiegen. Das bedeutet, dass das frei verfügbare Haushaltbudget jährlich kleiner wird und damit die Preissensibilität für den täglichen Bedarf – für viele gezwungenermassen – zunimmt. Laut einer Studie von Credit Suisse hat der Einkaufstourismus im 2012 um 25% zugenommen, dies nachdem er schon in früheren Jahren infolge der Frankenstärke stark zugenommen hatte. Das ist ein klares Zeichen, dass die «Hochpreisinsel Schweiz» nach wie vor eine Realität ist.

Viele Reformen angekündigt oder ­wirkungslos


Einiges ist in der Vergangenheit im Kampf gegen die Hochpreisinsel getan worden. Dazu zählen Massnahmen wie das Cassis-de-Dijon-Prinzip und die Zulassung von Parallelimporten. Leider haben diese Massnahmen wenig bis gar keine Auswirkung auf die Preise gezeitigt. Deshalb sind weitere Massnahmen ein Must. Das war denn auch der Grund, weshalb das kf im Sommer 2011 die von Bundesrat Schneider-Amman vorgeschlagenen Massnahmen zur Abfederung der Frankenstärke, Sicherung von Arbeitsplätzen und Erhalt der Standortattraktivität unterstützt hat. Sie wurden zwar vom Parlament genehmigt. Aber heute ist von einem noch vor zwei Jahren vorhandenen Reformwillen nicht mehr viel zu spüren. Auch ist das Resultat der Anstrengungen nach wie vor dürftig: Noch immer zählt die Schweiz zu den teuersten Ländern; die Preise für identische Produkte sind zum Teil über 50% teurer als im umliegenden Ausland.

Wie lassen sich die Preise in der Schweiz auf ein annehmbares Niveau senken?


Für das kf haben folgende Massnahmen oberste Priorität:

  • Die Zulassung von Parallelimporten muss konsequent durchgesetzt und die Nichtbeachtung sanktioniert werden. Detailhandel, Gastronomie, Hotellerie und Landwirtschaft müssen auch im vorgelagerten Bereich die Möglichkeit haben, im Ausland oder im Inland zu gleichen Konditionen einzukaufen wie in den umliegenden Ländern.
  • Die 2011 in Vernehmlassung gegebene Verschärfung des Kartellrechts, wonach horizontale wie vertikale Wettbewerbsabsprachen grundsätzlich unzulässig sind und Ausnahmebegehren vom Unternehmen begründet werden müssen, ist endlich in Kraft zu setzen.
  • Der Fleischmarkt ist analog dem Käsemarkt zu öffnen. Mit der Öffnung des Käsemarktes sind die Preise und damit der Einkaufstourismus markant zurückgegangen. Laut Marktanalysen ist der hohe Preis für Fleisch- und Wurstwaren einer der Haupttreiber für den Einkauf im Ausland. Hinzu kommen Kosmetika und Reinigungsmittel.
  • Das Freihandelsabkommen im Agrar- und Lebensmittelbereich ist wieder zu aktivieren und Verhandlungen aufzunehmen.
  • Ladenöffnungszeiten in der Schweiz sind der gesellschaftlichen Entwicklung anzupassen. Heute kann es sich nur noch eine Minderheit leisten, dort zu wohnen, wo sie arbeitet. Das heisst, man kommt meist nach Ladenschluss nach Hause. Anders in den umliegenden Ländern: In Deutschland sind die Geschäfte – insbesondere die grenznahen – bis 22 Uhr geöffnet; und in Italien darf selbst am Sonntag eingekauft werden. Es entspricht der gesellschaftlichen Entwicklung, dass abends oder eben am Samstag der Grosseinkauf zum Familienausflug wird.
  • Preisbarometer: Im Auftrag des Bundes und bewilligt vom Parlament haben die vier Konsumentenorganisationen diese Massnahme umgesetzt. Mit dem Preisvergleich identischer Produkte im In- und Ausland soll dem Konsumenten der Kaufentscheid erleichtert werden. Was nach Ansicht des kf fehlt, sind der Hinweis auf auch bei Markenartikeln landesspezifische Unterschiede, eine Gesamtauflistung der Kosten – Zeit, Anfahrtsweg, CO2-Ausstoss – und die Vergleichbarkeit der Qualitätsunterschiede hinsichtlich Nachbetreuung, Service, Garantieansprüche wie auch der Hinweis auf günstige Alternativen im Inland zu überteuerten Importprodukten. Eine Stellungnahme auf der Internetplattform und ein Merkblatt, welches unter http://www.konsum.ch abgerufen werden kann, gibt diesbezüglich Auskunft.


Dies alles sind Massnahmen, welche die Preise in der Schweiz auf ein annehmbares Niveau senken könnten. Damit ist nicht gemeint, sie auf EU-Niveau zu senken. Es ist erwiesen, dass die Konsumenten in der Schweiz bereit sind, für Qualität, sozial verträgliche Arbeitsbedingungen und tiergerechte Produktion einen Mehrwert zu bezahlen. Dieser muss aber nachvollziehbar und begründbar sein.

Zitiervorschlag: Franziska Troesch Schnyder (2013). Einkaufstourismus auf Allzeit-Hoch. Die Volkswirtschaft, 01. März.