Suche

Abo

Wie die Löhne so die Preise: Die Kosten im Detailhandel als Spiegel des hohen Lebensstandards

Wie die Löhne so die Preise: Die Kosten im Detailhandel als Spiegel des hohen Lebensstandards

Zwar sind bei den administrierten Preisen von SBB, Post und Gesundheitswesen permanent Preisaufschläge zu verzeichnen. Trotzdem spricht hier kaum jemand von der «Hochpreisinsel Schweiz» – im Gegensatz zu den Marktpreisen. Googelt man den Begriff, so fallen zwei Dinge auf: Es handelt sich bei der «Hochpreisinsel Schweiz» um eine helvetische Wortschöpfung, und gemeint sind vorwiegend die Preise von Konsumgütern. Als Zielscheibe für das Phänomen sieht man gerne den Detailhandel. Das Schlagwort ist populär und lässt sich gut verkaufen. Sich mit den wirklichen Gründen für die hohen Preise in der Schweiz zu befassen, ist deutlich weniger einfach, weil dann die Diskussion um den hohen Wohlstand, das hohe Lohnniveau, Überregulierungen und die gewollte Marktabschottungen geführt werden müsste.

Wunschgleichung: 
Schweizer Löhne/EU-Preise


Leider entspricht die Gleichung Schweizer Löhne/EU-Preise einem weit verbreiteten Wunschdenken, ebenso wie die Forderung gewisser Kreise nach «gerechten Preisen» im Detailhandel. Es wäre geradezu absurd zu glauben, der Schweizer Detailhandel würde die Konsumenten mit künstlich hochgehaltenen bzw. «ungerechten» Preisen zum Einkaufen im Ausland animieren. Wer vordergründig die Preisdiskussion führt, sollte sich konsequenterweise zuerst einmal mit der Kostenseite befassen: Löhne, Miet-, Vermarktungs- und Transportkosten liegen in der Schweiz deutlich höher als im grenznahen Ausland. Sie müssen in lokaler Währung gerechnet werden und fallen in der Schweiz an. So liegt beispielsweise die durchschnittliche Miete pro m2 und Jahr für einen Laden im Zentrum von Bern bei 5000 Franken, während sie im vergleichbaren Freiburg i. Br. kaufkraftbereinigt nur die Hälfte ausmacht. Auch Zölle, Zollabfertigungskosten und Wartezeiten an der Grenze verursachen weit höhere Kosten als im EU-Binnenmarkt. Der ökonomische Grössenvorteil, wie ihn umliegende Länder geniessen, kommt im kleinen Markt Schweiz überhaupt nicht zum Tragen. Gemessen an der Bevölkerungsgrösse sind wir um rund 2 Mio. Einwohner kleiner als Baden-Württemberg und müssen erst noch in drei Landessprachen kommunizieren. Der enge Zusammenhang zwischen Preisniveau und Löhnen ist eminent. Selbst im EU-Einheitsmarkt gibt es aufgrund der grossen Kaufkraftunterschiede unter den Mitgliedstaaten kein einheitliches Preisniveau.

Wettbewerbsverzerrungen und 
Standortnachteile


Ein weiterer stark ins Gewicht fallender Kostentreiber sind helvetische Sondervorschriften, die den Markt abschotten, anstatt ihn im Interesse des freien Wettbewerbs zu öffnen. Diese reichen vom Agrarschutz über unsinnige Deklarationsvorschriften bis hin zu restriktiven Ladenöffnungszeiten. Wo der Detailhandel durch protektionistische Vorschriften im Agrarsektor auf Schweizer Produkte verpflichtet ist, liegen die Einkaufspreise deutlich höher als im Ausland. Mit Ausnahme des Rindfleischs kennt das geltende EU-Recht beispielsweise kein Produk­tionslanderfordernis für die Deklaration von Lebensmitteln. Für den kleinen Schweizer Markt muss das Herkunftsland jedoch bezeichnet werden. Dieser Zusatzaufwand führt zu unnötiger Verteuerung und verhindert letztlich auch Parallelimporte. Eine Ausnahme zu diesem EU-Grundsatz dürfte für die Schweiz bei Fleisch und anderen Frischprodukten von Nutzen sein, mit Bestimmtheit aber nicht bei den übrigen Lebensmitteln. Insoweit ist dies unbedenklich, als die EU bereits heute einen strengeren Konsumentenschutz kennt als die Schweiz.

Falsche Erwartungen: Politik kann 
Nachteile nur teilweise ausgleichen


Gesetze, Verordnungen und Rezepte zum Abbau unnötiger Kosten und zur Wettbewerbsbelebung sind in genügender Zahl vorhanden. Mit dem Binnenmarktgesetzt aus dem Jahre 1995 wollte man erreichen, dass sich der kleine Schweizer Markt durch kantonale und kommunale Regelungen in nicht noch kleinere Märkte aufteilt. Dieses Gesetz böte die Grundlage, um dem überholten Flickenteppich bei den Ladenöffnungszeiten endlich ein Ende zu setzen. Die von Ständeratspräsident Filippo Lombardi im Rahmen der Wachstumspolitik geforderte moderate Teilharmonisierung der Ladenöffnungszeiten ist kein Wundermittel gegen den massiven Abfluss von Kaufkraft. Aber sie könnte den Einkaufstourismus rasch und spürbar mildern, Arbeitsplätze sichern und dem Bund verlustig gehende Mehrwertsteuern wieder in die Kasse bringen. Auch die rasche Umsetzung einer effizienteren Zollabfertigung dürfte zu einer Preissenkung auf importierten Konsum- und Industriegütern beitragen, wie dies Ständerätin Karin ­Keller-Sutter in einer kürzlich eingereichten Interpellation festhält. Gefragt sind rasche ­Reformen, die Wettbewerbsverzerrungen ­beseitigen und zur Senkung des Binnenkostenanteils beitragen. Auf das Schicksal des Euro kann die Politik auch in Zukunft kaum Einfluss nehmen.

Zitiervorschlag: Adrian Wyss (2013). Wie die Löhne so die Preise: Die Kosten im Detailhandel als Spiegel des hohen Lebensstandards. Die Volkswirtschaft, 01. März.