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Analyse der Unternehmensprozesse, Zuständigkeiten, Anreiz- und Führungssysteme von RAV

Analyse der Unternehmensprozesse, Zuständigkeiten, Anreiz- und Führungssysteme von RAV

Eine Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) hat die Ursachen der unterschiedlichen Wirkungen von Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) in Bezug auf die Prozesse, Strukturen, Anreize und Strategien untersucht. Die Studie gelangt zur Schlussfolgerung, dass die besonders erfolgreichen RAV keine grundlegend anderen Arbeitsweisen oder Strukturen aufweisen als die weniger erfolgreichen. Die Wirkungsunterschiede sind darauf zurückzuführen, dass einzelne RAV in Bezug auf einige relevante Erfolgsfaktoren bedeutende Stärken haben, während andere hinsichtlich einzelner oder mehrerer Erfolgsfaktoren Schwachpunkte aufweisen. Die besonderen Stärken und Schwächen sind von RAV zu RAV unterschiedlich.

Zielsetzung und Vorgehen der Evaluation


Das Hauptziel der von Egger, Dreher & Partner AG durchgeführten betriebswirtschaftlichen Evaluation bestand darin, die Prozesse, Strukturen, Anreize und Strategien der RAV und die sich daraus ableitenden Implikationen für die Steuerung der öffentlichen Arbeitsvermittlung zu untersuchen. Kern der Untersuchung ist eine detaillierte Modellierung und Quantifizierung der Geschäftsprozesse, ergänzt um eine Analyse der Strategien, Strukturen und Anreizkonstellationen in vierzehn ausgewählten RAV. Hierzu wurden die tagtäglich erbrachten Aktivitäten aller Mitarbeitenden detailliert erhoben und quantifiziert. Insgesamt nahmen über 250 RAV-Mitarbeitende an dieser Erhebung teil. Zusätzlich wurden mit 108 Mitarbeitenden persönliche Interviews geführt. Bei den untersuchten Zentren handelt es sich sowohl um überdurchschnittlich erfolgreiche RAV als auch um solche mit unterdurchschnittlichen Wirkungen. Fünf RAV befinden sich in der lateinischen Schweiz und neun in der Deutschschweiz.

Prozessstruktur und Schwerpunkte der RAV


Im Durchschnitt werden 57% der Personalkapazitäten für eigentliche Kernaufgaben – sogenannte Leistungserbringungsprozesse – aufgewendet. Die übrigen Kapazitäten werden für Unterstützungsprozesse (29%), Führungsprozesse (11%) sowie Kommunikation und Entwicklung (3%) eingesetzt. Die Leistungserbringungsprozesse lassen sich in acht verschiedene Aktivitätsfelder unterteilen. Dabei werden für das Aktivitätsfeld Beratung in allen RAV mit Abstand am meisten Ressourcen eingesetzt. Hierzu gehören die Durchführung und Vor- bzw. Nachbereitung von Erst- und Folgegesprächen mit Stellensuchenden sowie Informationsveranstaltungen für neuangemeldete Stellensuchende.Obgleich alle vierzehn untersuchten RAV eine ähnliche Priorisierung der verschiedenen Aktivitätsfelder aufweisen, gibt es in Bezug auf den Aktivitätsfeldmix gewisse Unterschiede (siehe Grafik 3). Die Wirkungen dieser RAV zeigen, dass verschiedene Aktivitätsfeldmixe ähnlich erfolgreich sein können. Die 14 RAV lassen sich wie folgt kategorisieren:

  • Zwei RAV haben einen überdurchschnittlich starken Fokus auf Vermittlungsaktivitäten.
  • Drei RAV setzen überdurchschnittlich vielen Ressourcen in der Beratung ein.
  • In zwei RAV sind überdurchschnittlich viele Personalkapazitäten im Bereich der Arbeitgeberbetreuung gebunden.
  • Je ein RAV setzt überdurchschnittlich viele Kapazitäten für die Aktivitätsfelder Einsatz von arbeitsmarktlichen Massnahmen bzw. Bearbeitung von Sanktionen ein.
  • Bei fünf RAV kann von Standard-RAV gesprochen werden, welche bei allen Aktivitätsfeldern eine durchschnittliche Intensität aufweisen.


Die Zuordnung neu angemeldeter Stellensuchender zu den Personalberatenden erfolgt in den RAV unterschiedlich. Der anreizkompatibelste Mechanismus ist dabei jener, bei dem allen Personalberatenden in Abhängigkeit von deren Beschäftigungsgrad dieselbe Anzahl Neuanmeldung zugewiesen wird, unabhängig von deren aktueller ­Dossierbelastung. Wir gehen davon aus, dass die Frage des Triagemechanismus keinen erheblichen Einfluss auf die Wirkungen hat. Wichtiger dürfte nach unserer Einschätzung sein, ob in einem RAV die Stellensuchenden den Beratenden zufällig zugeordnet werden, oder ob den einzelnen Stellensuchenden gezielt jene Beratenden zugewiesen werden, die am ehesten in der Lage sind, die betreffenden Personen zu aktivieren. Einige der untersuchten RAV verfolgen letztere Praxis.

Beurteilung nach Aktivitätsfeldern

Aktivitätsfeld Beratung


Es zeigt sich, dass die Beratungsgespräche der verschiedenen Beratenden der untersuchten RAV zwar jeweils eine ähnliche Länge und auch eine ähnliche Grundstruktur haben. Die Art der Gesprächsführung der Beratenden unterscheidet sich jedoch. Wie gut es den Personalberaterinnen und Personalberatern letztlich gelingt, die Stellensuchenden im Rahmen der Gespräche zu aktivieren und zu beraten, ist entscheidend dafür, wie gut die Wirkungen des betreffenden RAV sind. Hierauf haben die RAV-Leitenden einen starken Einfluss:

  • Sie können im Rahmen der Personalrekrutierung sicherstellen, dass die richtigen Personen eingestellt werden.
  • Sie können ein individuelles Fachcoaching der Personalberatenden innerhalb des RAV installieren, um die Beratungsqualität laufend zu verbessern (durch Feedbacks nach Dossierkontrollen, Gesprächsbeisitzen, tägliche Zusammenarbeit etc.).
  • Sie können den Personalberatenden Anreize schaffen, die eigenen Wirkungen dauernd im Auge zu behalten, das eigene Tun jeweils kritisch zu hinterfragen und sich durch Austausch mit Arbeitskollegen laufend zu verbessern.

Aktivitätsfeld Vermittlung


In allen untersuchten RAV sind sämtliche Personalberatenden verpflichtet, die Stellenanzeiger und das AVAM auf geeignete Stellen für die eigenen Stellensuchenden durchzusehen und diese entsprechend auf geeignete Jobs hinzuweisen. Der Umfang dieser Aktivitäten ist aber von RAV zu RAV unterschiedlich. Eine Intensivierung der Vermittlungsaktivitäten ist an sich vorteilhaft, zwingt das RAV aber, die Intensität anderer Aktivitätsfelder zu reduzieren. Die erfolgreicheren der vierzehn RAV haben sich im Allgemeinen für eine mittlere Intensität im Bereich der Vermittlung entschieden: Sie setzen ca. 4% bis 6% der Ressourcen für Vermittlungsaktivitäten ein, was einem Durchschnitt von rund 25 bis 40 Minuten täglich pro Personalberater für Matching und Zuweisungen zu offenen Stellen entspricht.

Aktivitätsfeld Arbeitgeberkontakte


Alle untersuchten RAV bzw. die betreffenden Kantone haben in den letzten Jahren die Kontakte zu den Arbeitgebern professionalisiert. Das Qualitätsbewusstsein in dieser Schnittstelle ist in allen untersuchten RAV bzw. Kantonen nach unserer Einschätzung hoch. Die organisatorische Ausgestaltung dieser Schnittstelle ist jedoch unterschiedlich. Wie schon in früheren Studien dargestellt, sind die Arbeitgeberkontakte ein ­wichtiger Erfolgsfaktor der öffentlichen Arbeitsvermittlung. Da das diesbezügliche Niveau generell gut ist, dürften die Wirkungsunterschiede zwischen den RAV jedoch nicht massgeblich damit zusammenhängen.

Aktivitätsfeld Einsatz arbeitsmarktlicher ­Massnahmen


Eines der besonders erfolgreichen RAV setzt ein deutliches Schwergewicht auf die arbeitsmarktlichen Massnahmen. Andere RAV, die ebenfalls erfolgreich sind, sind in dieser Hinsicht eher zurückhaltend. Mit andern Worten: Betrachtet man den Massnahmeneinsatz der vierzehn untersuchten RAV, gibt es alle Varianten: sowohl mehr als auch weniger erfolgreiche RAV mit sowohl intensiver als auch zurückhaltender AMM-Nutzung.

Aktivitätsfeld Sanktionen


In allen untersuchten RAV sind die Personalberatenden angehalten, den Einstellraster des Seco, welcher die Sanktionsumfänge für die verschiedenen Sanktionstatbestände festlegt, konsequent anzuwenden. Dies liegt vor allem daran, dass die Revision des Seco die konsequente Anwendung dieses Rasters überprüft.

Ursachen der Wirkungsunterschiede ­zwischen den RAV


Von den vierzehn untersuchten RAV erweisen sich deren acht als besonders erfolgreich: sechs, die seit Jahren besonders erfolgreich sind, und zwei, die sich in den letzten Jahren deutlich verbessert haben. Diese RAV zeichnen sich dadurch aus, dass sie in Bezug auf die Vielzahl erfolgsrelevanter Faktoren kaum Schwächen gegenüber den andern RAV aufweisen und gleichzeitig bei einigen Erfolgsfaktoren besondere Stärken haben. Die Stärken sind von RAV zu RAV unterschiedlich.

Stärken der erfolgreichen RAV


Folgende Stärken treten bei fast allen untersuchten erfolgreichen RAV hervor:

  • Die Wirkungsziele und Wirkungsindikatoren haben in sieben dieser acht erfolgreichen RAV eine überdurchschnittlich hohe Bedeutung.
  • In sieben der acht RAV werden die individuellen Wirkungen der einzelnen Personalberatenden ausgewertet, analysiert und bei Bedarf mit den betreffenden Personen besprochen.
  • In fünf der acht erfolgreichen RAV werden die Mitarbeitenden des RAV direkt durch die RAV-Leitenden geführt. In zwei weiteren RAV gibt es eine Teamebene, ­wobei den Teamleitenden in diesen RAV eine vergleichsweise starke Ergebnisverantwortung für die Wirkungswerte des Teams übertragen wird.


Daneben weisen jeweils mindestens die Hälfte der erfolgreichen RAV hinsichtlich der nachfolgenden Erfolgsfaktoren Vorzüge auf:

  • Vier RAV setzen einen überdurchschnittlich grossen Anteil der Personalressourcen für die eigentlichen Leistungserbringungsprozesse ein.
  • Fünf RAV stellen den Personalberatenden besondere Hilfsmittel, Checklisten, Instrumentenkoffer usw. als Unterstützung in der täglichen Arbeit zur Verfügung (einschliesslich diesbezüglicher Schulung der Beratenden).
  • In keinem der acht erfolgreichen RAV herrscht ein schlechtes Arbeitsklima, und in 4 RAV scheint dieses besonders gut zu sein.
  • In vier erfolgreichen RAV weist das Rekrutierungsverfahren nach unserer Einschätzung gegenüber anderen RAV Stärken auf.

Relative Schwächen der weniger ­erfolgreichen RAV


Betrachtet man umgekehrt die relativen Schwächen der fünf unterdurchschnittlich wirksamen bzw. sich derzeit verschlechternden RAV, dann lassen sich nur wenige allgemeine Muster erkennen. Die Schwächen dieser RAV sind unterschiedlich gelagert. Im Einzelnen konnten folgende Schwachstellen lokalisiert werden (die RAV weisen jeweils mehrere der nachfolgenden Schwachstellen auf):

  • Bei drei der fünf RAV sind die Wirkungsziele und Wirkungsindikatoren – anders als bei den erfolgreichen RAV – im Tagesgeschäft von eher untergeordneter Bedeutung. Zudem werden die individuellen Wirkungen der einzelnen Mitarbeitenden nicht ausgewertet und besprochen.
  • In vier der fünf RAV werden die Mitarbeitenden nicht direkt durch die RAV-Leitenden, sondern durch Teamleitende geführt. Dabei werden die Teamleitenden nach unserer Einschätzung nicht daran gemessen, wie gut die Wirkungen ihrer Teams sind.
  • In einem RAV stellen wir einen Ressourcenengpass fest, der zu weniger und kürzeren Beratungsgesprächen mit den Stellensuchenden führt.
  • In einem RAV erkennen wir in Bezug auf die Rekrutierung neuer Personalberatenden Schwächen im Vergleich zu den andern RAV. Das gleiche RAV hat zudem eine sehr hohe Personalfluktuation.
  • In einem RAV ist der Erfahrungsaustausch zwischen den Personalberatenden sehr gering. Hinzu kommt eine geringe fachliche Unterstützung der Mitarbeitenden durch die Vorgesetzten: Dossier­kontrollen, Gesprächsbeisitze, Austausch zwischen Vorgesetzten und Personalberatenden im Tagesgeschäft mit entsprechenden Feedbacks an die Personalberatenden sind hier vergleichsweise gering.
  • In zwei RAV scheint das Arbeitsklima unterdurchschnittlich gut zu sein. Wir gehen davon aus, dass es nicht möglich ist, überdurchschnittlich gute Wirkungen mit einem schlechten Arbeitsklima zu erreichen. Zumindest haben wir kein solches RAV angetroffen.
  • Zudem gibt es in den RAV vereinzelte Schwachstellen in Bezug auf die Prozesse.

Standarderfolgsfaktoren


In Bezug auf viele Erfolgsfaktoren erreichen nahezu alle vierzehn untersuchten RAV ein hohes Niveau. Diese sind heute somit faktisch Standarderfolgsfaktoren, durch deren Erreichen ein RAV keine Vorteile gegenüber anderen RAV hat, sich im Umkehrfall jedoch Nachteile einhandeln kann. Zu diesen Standardfaktoren gehören nach unserer Einschätzung die folgenden Erfolgsfaktoren:

  • Konsequentes Sanktionieren bei ungenügenden Arbeitsbemühungen;
  • aktive Vermittlungsbemühungen durch alle Personalberatenden;
  • Sicherstellung einer hohen Qualität der Zuweisungen durch entsprechende Qualitätssicherungsmechanismen;
  • aktive und qualitativ gute Arbeitgeberkontakte sowie Konzentration dieser Aktivitäten bei ausgewählten Spezialisten innerhalb des RAV oder bei einer kantonalen Stelle;
  • Spezialisierung von Personalberatenden im Bereiche der IIZ;
  • Sicherstellung eines hohen Ausbildungsniveaus der Personalberatenden;
  • Minimierung der Durchlaufzeiten des Beratungsprozesses, insbesondere durch Beschleunigung des Anmeldeverfahrens;
  • Minimierung der Abstimmungsaufwände innerhalb der RAV, indem zusammenhängende Arbeitsschritte durch eine Person erbracht werden.

Gesamtfazit zu den Ursachen der ­unterschiedlichen Wirkungen der RAV


Die seit Jahren besonders erfolgreichen RAV arbeiten nicht grundlegend anders als die durchschnittlichen und unterdurchschnittlichen. Sie haben auch keine besonderen Ideen oder Clous umgesetzt. In Bezug auf alle relevanten Erfolgsfaktoren weisen sie aber kaum Schwächen auf und zeichnen sich bei einigen dieser Faktoren durch besondere, wenn auch jeweils unterschiedliche Stärken aus. Der Erfolg dieser RAV hängt aber letztlich damit zusammen, wie die Personalberatenden rekrutiert und mit welchen Instrumenten und welcher Philosophie (v.a. in Bezug auf die Zielorientierung) sie im Tagesgeschäft geführt werden. Bei den untersuchten RAV mit unterdurchschnittlich guten Wirkungen kann umgekehrt nicht davon gesprochen werden, dass sie grundlegende Mängel in der Art der Aufgabenerledigung aufweisen. Das meiste wird in allen RAV identisch gemacht – ausser in einzelnen entscheidenden Details. Diese auftretenden Schwachstellen sind jeweils von RAV zu RAV unterschiedlich.Mit dem vor über zehn Jahren vom Seco eingerichteten Instrument der wirkungsorientierten Steuerung müssen sich die RAV laufend verbessern, um im Vergleich zu den anderen RAV zu bestehen und ihre Position im Benchmarking zu halten. Unserer Einschätzung nach ist damit die ursprünglich beabsichtigte Situation, nämlich einen Wettbewerb zwischen den RAV in Gang zu bringen, erreicht worden.

Grafik 1: «Verteilung der Personalressourcen auf die Prozesskategorien»

Grafik 2: «Durchschnittlicher Umfang der einzelnen Aktivitätsfelder der 14 untersuchten RAV»

Grafik 3: «Abweichungen zwischen den RAV hinsichtlich der Aufteilung der Ressourcen auf die verschiedenen ­Aktivitätsfelder»

Zitiervorschlag: Marcel Egger (2013). Analyse der Unternehmensprozesse, Zuständigkeiten, Anreiz- und Führungssysteme von RAV. Die Volkswirtschaft, 01. April.