Die Voraussetzungen für den Tourismusstandort Schweiz könnten eigentlich nicht besser sein: Im Gegensatz zu vielen Sättigungsgütern des täglichen Bedarfs ist die Nachfrage nach Tourismusleistungen weltweit auf steilem Wachstumspfad. Warum stagnieren aber die Übernachtungszahlen in der Schweiz seit rund 40 Jahren? Unser Tourismus ist nicht nur eine bedeutende Exportbranche, sondern auch eine wichtige wirtschaftliche Stütze im Alpenraum. Warum gelingt es der Schweiz als – unbescheiden formuliert – schönstes Land der Welt nicht, sich vom weltweiten touristischen Wachstumstrend eine Scheibe abzuschneiden?
Der Strukturwandel in der alpinen Hotellerie wird vor dem Hintergrund eines seit über 20 Jahren schleichenden Nachfragerückgangs via Betriebsschliessungen und Umnutzungen ausgetragen, statt über Renovationen und Wachstum. Dabei wären die Grundlagen und Erkenntnisse, um aus dieser Situation auszubrechen und in einen neuen Wachstumspfad einzubiegen:
- Der Stammgast von einst hat heute ein völlig anderes Profil. Er bucht kurzfristig, geniesst kürzere Aufenthalte und ist unberechenbarer.
- Der Ferientourismus muss unternehmerischer, innovativer werden. Der Hotelier, der sich als Alleskönner für alle Gästesegmente begreift, hat heute ausgedient. Spezialisierungen und Konzentration auf das Wesentliche sind die neuen Erfolgsfaktoren.
- Die wirtschaftlichen Chancen und Produktivitätsverbesserungen sind zu realisieren. Das gelingt in Kooperation mit anderen touristischen Anbietern, sei es vertikal oder horizontal, um einiges besser. Die Destinationsphilosophie benötigt deshalb nach 20 Jahren der Theorie endlich das Eintauchen in die Praxis.
- Ohne internationale Gäste können die vorhandenen Kapazitäten niemals ausgelastet werden. Die Erschliessung neuer internationaler Quellmärkte gemäss der Dualstrategie von Schweiz Tourismus ist deshalb unabdingbar.
- Der touristische Anbieter muss sich nach den veränderten Marktbedürfnissen richten. Dazu hat er mit Blick auf die neuen Quellmärkte sein interkulturelles Verständnis bedürfnisgerecht zu schärfen und die entsprechenden Instrumente aufzubauen.
- Die internationalen Kostennachteile unserer Volkswirtschaft, speziell bei den Vorleistungen der touristischen Produkte, müssen endlich eliminiert werden. Neben dem Luxussegment benötigen wir in preissensiblen Bereichen quantitativ eine breite Tourismusnachfrage.
Ohne Wachstum ist Erfolg nicht möglich
Nur über eine wachsende Tourismuswirtschaft lässt sich Geld verdienen und der laufende Strukturwandel ohne schmerzhafte Verluste bewältigen. Und nur so lassen sich sowohl die Kapazitäten auslasten, als auch notwendige Renovationen und Innovationen aus eigenen Erträgen finanzieren. Der Tourismus müsste daher im Gleichschritt mit unserer gesamten Volkswirtschaft wachsen, um seine grosse Bedeutung in der Branchenlandschaft verteidigen zu können. Ohne stabilitätsorientierte makroökonomische Wirtschaftspolitik ist das nicht zu erreichen. Zudem sind die tourismuspolitischen Instrumente in ihrer Ausrichtung und Wirkung zu optimieren und zielgerichteter einzusetzen. Aber das reicht nicht. Um den Wachstumsschub anzustossen, benötigt der Schweizer Tourismus einen New Deal:
- Das Ferienland Schweiz ist in der Seele und im Wertebewusstsein eines jeden Schweizers neu zu verankern («Heimatfeeling»).
- Die Schweizer Markenträger sind effizienter zu vernetzen.
- Für eine zielgruppengerechte Bearbeitung der neuen Quellmärkte sind erheblich mehr Mittel einzusetzen.
Qualität und Innovation
Ist der Schweizer Tourismus zu wenig innovativ und qualitativ zu schwach? Zwei Initiativen der letzten Jahre sprechen dagegen. Vor rund 12 Jahren wurden zwei Projekte gestartet, um den Tourismus mit dem Qualitäts- und Innovationsvirus zu infizieren:
- Das Qualitätsgütesiegel ist mittlerweile zu einem zusätzlichen Eckpfeiler des Sterne-Klassifikationssystems von Hotelleriesuisse geworden. Es ist aus dem Orientierungsrahmen und Qualitätsbewusstsein des Hoteliers nicht mehr wegzudenken.
- Der Tourismuspreis Milestone hat sich zu einem eigentlichen Ideengenerator entwickelt und liefert Jahr für Jahr Rezepte und Projekte, die auch in andere Zusammenhänge übertragen und durch Erzielung von Wertschöpfung realisiert werden können.
Die Perspektiven für den Tourismusstandort Schweiz sind also durchaus intakt. Nutzen wir doch die Chancen!