Suche

Abo

Rentabilität und Produktivität des Sach- und Finanzkapitals in Schweizer Unternehmen

Das Bundesamt für Statistik (BFS) erhebt seit Jahren für Unternehmen ausserhalb des Finanzbranche Datenreihen zur Rentabilität des eingebrachten Kapitals, zur Rendite der getätigten Investitionen und zur Produktivität der eingesetzten Produktionsfaktoren. Diese Reihen wurden im Rahmen der hier vorgestellten Studie erstmals analysiert und mit Datenreihen zu den börsenkotierten nicht-finanziellen Schweizer Unternehmen verglichen. Es zeigen sich klare Unterschiede zwischen diesen zwei Gruppen der Schweizer Wirtschaft, die sich durch ihre Finanzierung und den geografischen Radius ihrer Tätigkeit unterscheiden.

Wie die Unternehmen ihre Finanzmittel – d.h. das ihnen zur Verfügung gestellte Sparkapital – einsetzen, untersucht der vorliegende Artikel aus drei spezifischen Blickwinkeln: Der erste Teil befasst sich mit dem finanziellen Ertrag, den die Unternehmen mit den eingesetzten Mitteln zu erzielen wissen. Der zweite Teil widmet sich der Frage, wieweit sie diese finanziellen Mittel in Sachkapital umwandeln. Im dritten Teil wird der Beitrag des Sach- und des Finanzkapitals zur Produktivität der Unternehmen untersucht.

Kapitalrentabilität


Grafik 1 zeigt die Kapitalrentabilität für nicht-kotierte und kotierte Schweizer Unternehmen zwischen 1997 und 2010. Bei den nicht-kotierten Unternehmen wurden nur Firmen mit einem Beschäftigungsvolumen von mehr als 20 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) berücksichtigt. Für die kotierten Unternehmen gibt die Grafik zwei Grössen an: die Rentabilität bezogen auf die Bilanzsumme (d.h. das Total aller Aktiven oder Passiven), und die Entwicklung des Börsenkurses gemäss Swiss Performance Index (SPI). Diese Daten werden zum nominalen Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) und zum «risikolosen» Zinssatz für langfristige Anlagen während des gleichen Zeitraums in Beziehung gesetzt. Das nominale BIP-Wachstum der Schweiz betrug in diesem Zeitraum durchschnittlich 2,9% pro Jahr, mit einem breiten Spektrum von +6,4% im Jahr 2007 bis –2,4% im Jahr 2009. Der sogenannte «risikolose» langfristige Zinssatz, der anhand der nominalen Rendite zehnjähriger Obligationen des Bundes gemessen wird, lag durchschnittlich bei 2,7% (3,5% zu Beginn des Zeitraums und 1,7% im Jahr 2010). Bei der Betrachtung der Grafik fallen drei Dinge auf:

  • Die Rentabilität der Bilanzsumme resultiert, wenn das Betriebsergebnis (Bruttogewinn) durch alle Vermögenswerte (Aktiven) geteilt wird. Es handelt sich somit um die durchschnittlich bezahlte Entschädigung für die Mittel, die auf der Passivseite der Bilanz stehen. Dazu würden auch die Zinszahlungen gehören, die jedoch für die vorliegenden Berechnungen nicht berücksichtigten wurden. Diese Rentabilität hat im Beobachtungszeitraum bei allen nicht-kotierten Unternehmen – ungeachtet ihrer Grössenklasse – systematisch zugenommen.
  • Gegensätzlich entwickelten sich im Beobachtungszeitraum der «risikolose» Zinssatz (von 3,5% auf 1,7%) und die Rentabilität der Bilanzsumme nicht-kotierter Unternehmen (1,5% auf 3,5%). Die Kapitalrentabilität war bei den kotierten Unternehmen in diesem Zeitraum im Durchschnitt um 2 Prozentpunkte höher als bei den nicht-kotierten. Daraus folgt unter Berücksichtigung der nicht eingeschlossenen Zinszahlungen, dass die volkswirtschaftliche Ersparnis, die nicht-kotierten Unternehmen anvertraut wurde, im Vergleich zu risikolosen Anlagen insgesamt ansprechend entschädigt wurde, aber deutlich weniger gut als bei kotierten Unternehmen (durchschnittlich 2,4% bzw. 4,6%).
  • Verblüffend ist die Feststellung, dass die Finanzkrise die Kapitalrentabilität der  nicht-kotierten Unternehmen nicht schmälerte, während die kotierten Unternehmen, der SPI und das BIP zwischen 2007 und 2009 arg ins Trudeln gerieten. Auch bei den Zinssätzen setzte ein Rückgang ein, der bis heute anhält.

Rentabilität der verschiedenen ­Finanzierungsquellen


Um die Rentabilität der eingesetzten Mittel zu gewinnen, ist es sinnvoll, zwischen den beiden klassischen Finanzierungsquellen der Unternehmen zu unterscheiden: den Aktionären, die das Eigenkapital zur Verfügung stellen, und den Gläubigern, die das Fremdkapital beisteuern. Die Fremdmittel bestehen aus den nicht entschädigten, zinslosen Schulden – namentlich kurzfristige Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen – sowie den übrigen Schulden.Grafik 2 zeigt die Rentabilität dieser beiden Finanzierungsquellen für die kotierten und die nicht-kotierten Unternehmen. Die nicht-kotierten Unternehmen wurden in zwei Untergruppen eingeteilt: Grossunternehmen (mehr als 250 VZÄ) und KMU (20 bis 250 VZÄ). Die präsentierten Daten liefern folgende Erkenntnisse:

  • Bei den Entschädigungen für bereitgestelltes Eigenkapital (Aktionäre) sticht der Performanceunterschied zwischen nicht-kotierten Grossunternehmen und KMU ins Auge, auch wenn er in den letzten beiden Jahren deutlich zurückgegangen ist. Die durchschnittliche jährliche Entschädigung für Eigenmittel betrug in den nicht-kotierten Grossunternehmen etwas über 13% und in den KMU knapp 8%.
  • Die Abgeltung für Eigenmittel in den ­kotierten Unternehmen liegt fast durchwegs zwischen den Renditen von nicht-kotierten Grossunternehmen und KMU. Durchschnittlich boten kotierte Unternehmen für Eigenmittel eine Jahresrendite von 10%. Zur Erinnerung: Im gleichen Zeitraum verzeichnete der Börsenindex SPI, berechnet von Juni bis Juni, eine durchschnittliche jährliche Performance von 8,3%. Als Aktien an der Börse platzierte Mittel waren somit weniger rentabel als die zur Produktion verwendeten Eigenmittel der entsprechenden Firmen.
  • Langfristige Fremdmittel entschädigten die KMU durchschnittlich mit 4,4% jährlich, die nicht-kotierten Grossunternehmen mit 4,8% und – überraschend – die kotierten Unternehmen mit 8,5%.
  • Interessant ist der Vergleich der Renditen langfristiger Fremdmittel mit den entsprechenden «risikolosen» Zinssätzen. Letztere beliefen sich durchschnittlich auf 2,7% pro Jahr, während die Hypothekarzinsen bei 3,5% lagen. Somit bezahlen die Unternehmen ihren langfristig engagierten Gläubigern eine Prämie (für Risiko und Vermittlung). Diese betrug rund 2 Prozentpunkte bei den nicht-kotierten Unternehmen und fast 6 Prozentpunkte bei den kotierten. Dieser hohe Wert erstaunt aus zwei Gründen: Einerseits verfügen diese Unternehmen über ein umfangreiches Finanzwissen und einen direkteren – und somit in der Theorie günstigeren – Zugang zu den Kapitalmärkten. Andererseits liegen die Zinssätze, mit denen die kotierten Unternehmen ihre Gläubiger entschädigen, sehr nahe bei der Eigenkapitalrentabilität, was darauf hinweist, dass diese Unternehmen an die Grenzen der gemessen an den Kosten der Eigenmittel noch rentablen Fremdfinanzierung (Leverage) stossen.
  • Wie in Grafik 1 zeigen sich in Grafik 2 kaum Spuren der Finanzkrise. Am stärksten sichtbar sind sie in der geringeren Rentabilität der Eigen- und Fremdmittel der kotierten Unternehmen sowie in der rückläufigen Eigenkapitalrendite der der nicht-kotierten Grossunternehmen. Auf die nicht-kotierten KMU scheint sich die Krise nicht oder nur marginal ausgewirkt zu haben.


Zwei Schlüsse lassen sich daraus ableiten:

  • Erstens scheint es für nicht-kotierte Unternehmen bei der Aufnahme langfristiger Mittel kein Hindernis zu sein, dass sie keinen direkten Zugang zu den Kapitalmärkten haben – in Krisenzeiten könnte man gar von einem Vorteil sprechen. Die einzige plausible Erklärung für dieses paradoxe Muster betrifft den Umstand, dass sich kotierte Unternehmen in verschiedenen Währungen finanzieren müssen, um Wechselkursrisiken zu vermeiden. Dies kann kostspieliger sein als Finanzierungen ausschliesslich in Schweizer Franken zu tätigen, für die im internationalen Vergleich niedrige Zinssätze die Regel sind.
  • Zweitens generieren börsenkotierte Unternehmen insgesamt eine nur unwesentlich höhere Rendite als alle Schweizer Unternehmen mit über 20 VZÄ. Die Eigenkapitalrendite von kotierten und nicht-kotierten Unternehmen ist vergleichbar; Investitionen in Form von Fremdmitteln werden in nicht-kotierten Unternehmen weniger grosszügig entschädigt. Dass kotierte Unternehmen wesentlich häufiger international tätig sind als nicht-kotierte, hat somit keinen nennenswerten Einfluss auf die Höhe der Entschädigung für die Geldgeber. Dies bedeutet, dass die Schweizer Unternehmen (mit mehr als 20 VZÄ) insgesamt für das ihnen anvertraute Sparkapital ähnliche Renditen bezahlen können wie kotierte Unternehmen. Nicht zu vergessen ist dabei auch, dass ein Börsengang an sich noch nicht zur Finanzierung des kotierten Unternehmens beiträgt. Neuemissionen von Aktien, zusammen mit der Eigenfinanzierung die einzige Quelle von Eigenmitteln kotierter Unternehmen, machen denn auch durchschnittlich weniger als 3% der gesamten Börsentransaktionen aus. In der Theorie kann ein Börsengang nur indirekt durch eine Senkung der Finanzierungskosten zu einer besseren Performance des kotierten Unternehmens beitragen. Allerdings weisen die besprochenen Beobachtungen – entgegen der Theorie – darauf hin, dass mit einer Börsenkotierung die Finanzierungskosten nicht sinken.

Bilanzstruktur, Finanzkapital und ­Sachkapital


Aufgrund dieser Erkenntnisse wäre es denkbar, dass sich nicht-kotierte und kotierte Unternehmen nur durch ihre Grösse und den Umfang der internationalen Tätigkeit unterscheiden. Doch es bestehen weitere wichtige Unterschiede. Neben der Produktivität der Produktionsfaktoren, auf die der folgende Abschnitt eingeht, zeigen sich auch in der Struktur der Bilanz der beiden untersuchten Unternehmensgruppen zwei substanzielle Unterschiede.Auch wenn der Anteil der Eigenmittel zwischen 1997 und 2010 in beiden Gruppen deutlich zunahm, hat sich die Kluft zwischen den beiden Unternehmensgruppen vertieft. So wuchs bei den nicht-kotierten Unternehmen das Eigenkapital – immer für das Medianunternehmen – von 29% auf 38% der Bilanzsumme. Dabei verlief die Entwicklung bei allen nicht-kotierten Unternehmen – KMU und Grossunternehmen – praktisch identisch. Bei den kotierten Unternehmen stieg der Anteil des Eigenkapitals im gleichen Zeitraum dagegen von 41% auf 56%. Dieser Trend hat spürbare Auswirkungen auf die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten der beiden Unternehmensgruppen. Diese Kosten widerspiegeln die Rentabilität der beiden Kapitalarten (Eigenkapital und Fremdkapital), die dem Unternehmen zur Verfügung stehen, wenn man sie mit ihrem Anteil an der Bilanzsumme gewichtet. Die gewichteten Kapitalkosten sind bei den KMU nach wie vor am niedrigsten, wenn auch leicht steigend (3,5%–4,5%). Bei den nicht-kotierten Grossunternehmen ist ein Aufwärtstrend sichtbar (4,5%–6,5%), während bei den kotierten Unternehmen eine recht hohe Volatilität (4%–8%), jedoch kein klarer Trend auszumachen ist. Die durchschnittlichen gewichteten Kapitalkosten spielen bei der Wahl der Investitionsprojekte von Unternehmen eine wichtige Rolle. Denn je höher die Kapitalkosten, desto höher muss auch die Rentabilität der Investitionsprojekte sein.Der zweite Unterschied in der Bilanz der beiden Unternehmensgruppen betrifft das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Sachkapital. Grafik 3 illustriert die spezifische Situation der zuvor definierten Unternehmensgruppen. Die Bezugslinie markiert die Situation, dass Eigenkapital und Sachkapital gleich gross sind. Bei den Unternehmen, die sich oberhalb dieser Linie befinden, sind die Eigenmittel höher als das Sachkapital, was bedeutet, dass sie freien Spielraum haben, um andere Investitionen zu finanzieren. Unterhalb dieser Bezugslinie ist das Gegenteil der Fall: Der Wert des Eigenkapitals ist weniger hoch als der Wert des Sachkapitals. Diese Unternehmen müssen sich folglich verschulden, um ihre Sachanlagen zu finanzieren.Um die en zu veranschaulichen, zeigt die Grafik 3 sozusagen das «Herz» der Verteilung: zwischen dem 10. und dem 75. Perzentil bei den nicht-kotierten und zwischen dem 10. und dem 90. Perzentil bei den kotierten Unternehmen. Zwei Unterschiede auf:

  • Bei rund zwei Dritteln der nicht-kotierten KMU und Grossunternehmen ist das Eigenkapital grösser als das Sachkapital, gegenüber einem Drittel bei den kotierten. Dies bedeutet, dass nicht-kotierte Unternehmen eher in der Lage sind, mit ihren Eigenmitteln andere Investitionen zu finanzieren als Sachanlagen.
  • Hält man sich an den oberen Bereich der Verteilung, verfügen rund 40% der nicht-kotierten Unternehmen über Eigenmittel, die doppelt so hoch sind wie das Sachkapital. Der entsprechende Anteil bei den kotierten Unternehmen beträgt lediglich 15%. Erwähnenswert ist auch, dass 25% der nicht-kotierten Unternehmen über ein Eigenkapital verfügen, das mehr als dreimal so hoch ist wie das Sachkapital. Diese Unterschiede sind teilweise damit zu erklären, dass viele nicht-kotierte 
Unternehmen (insbesondere KMU) im Dienstleistungsbereich tätig sind.


Die Mehrheit der kotierten Unternehmen kann einen Teil der Sachanlagen durch Fremdmittel finanzieren. Demgegenüber setzen mehr als die Hälfte der nicht-kotierten Unternehmen Eigenmittel ein, um Bilanzposten zu finanzieren, die nicht zum Sachkapital zählen. Dies wirft die Frage auf, ob dieser häufigere Rückgriff auf Eigenmittel – für das Sachkapital, das hier mit den Sachanlagen gleichgesetzt wird – durch die nicht-kotierten Unternehmen darauf zurückzuführen ist, dass diese keine Schulden machen wollen oder darauf, dass sie aufgrund eines fehlenden Angebots Schwierigkeiten haben, mehr Fremdmittel aufzutreiben. Diese Frage steht heute im Zentrum der Debatte über die Rolle des Bankensektors bei der Finanzierung der sogenannten «Realwirtschaft». Denn der Unterschied in den Bilanzen beider Unternehmensgruppen hat auch einen Einfluss auf ihre Produktivität.

Produktivität der Produktionsfaktoren


Der dritte Teil unserer Analyse widmet sich der «Bruttoproduktivität» (einschliesslich Abschreibungen) der Unternehmen, 
genauer:

  • der Arbeitsproduktivität (Wertschöpfung pro VZÄ);
  • der Produktivität des Finanzkapitals (Wertschöpfung pro Bilanzfranken);
  • der Produktivität des Sachkapitals (Wertschöpfung pro Franken Sachanlagen).


Die Arbeitsproduktivität der KMU hat zwischen 1997 und 2010 von 97 000 Franken auf 112 000 Franken sowie bei den nicht-kotierten Grossunternehmen von 109 000 auf 130 000 Franken zugenommen. In den kotierten Unternehmen ist die Arbeitsproduktivität im gesamten Beobachtungszeitraum relativ stabil geblieben, betrug sie doch 107 000 Franken im Jahr 1997 und 106 000 Franken im Jahr 2010 bei einem Höchstwert von 113 000 Franken.Bei der Kapitalproduktivität liegen die absoluten Werte weit auseinander. 1997 benötigten nicht-kotierte Unternehmen (KMU und Grossunternehmen) 1800 Bilanzfranken, um 1 Franken Wertschöpfung zu erzielen. Bei den nicht-kotierten Grossunternehmen hat sich dies nicht geändert, während die KMU 2010 nur noch 1600 Bilanzfranken benötigten. Bei den kotierten Unternehmen wiederum stieg der Einsatz von Finanzkapital pro Wertschöpfungseinheit von 2700 auf fast 3000 Franken. Dies bedeutet, dass die Kapitalproduktivität in den KMU leicht zugenommen und in den nicht-kotierten Grossunternehmen stagniert hat, während sie bei den kotierten Unternehmen zurückgegangen ist.Die Produktivität des Sachkapitals ist in allen Unternehmensgruppen gestiegen, wobei die Niveauunterschiede bestehen blieben. Die KMU benötigen 330 Franken Sachkapital für eine Wertschöpfungseinheit (1997: 500); in den nicht-kotierten Grossunternehmen sank der Sachkapitalbedarf von 430 auf 400 Franken und in den kotierten Unternehmen von 1800 auf 1500 Franken. Daraus ergeben sich zwei allgemeine Feststellungen:

  • Die Arbeitsproduktivität ist in nicht-kotierten Grossunternehmen deutlich höher als in kotierten Unternehmen wie auch in KMU. Am geringsten ist die Arbeitsproduktivität derzeit in den kotierten Unternehmen.
  • Die Produktivität des (Finanz- und Sach-)Kapitals ist in kotierten Unternehmen ebenfalls geringer. Besonders gross ist der Unterschied bei der Produktivität des Sachkapitals, was die bereits diskutierte Bedeutung der Sachanlagen in der Bilanz unterstreicht.


Wie lassen sich die Produktivitätsunterschiede erklären, die aus den Buchhaltungsdaten der Schweiz Unternehmen hervorgehen? Allgemein werden Diskussionen über Produktivität problematisch, sobald diese über die Betrachtung eines einzelnen Faktors (Arbeit bzw. Sach- und Finanzkapital) hinausgehen. Allerdings steht die Komplementarität der Faktoren im Zentrum der Produktionsprozesse der Unternehmen. Eine Möglichkeit, die Unterschiede in den Anteilen der Faktoren (Factor Mix) abzubilden, besteht in einem Vergleich der Kapitalmenge, die notwendig ist, um die Wertschöpfung eines VZÄ zu erwirtschaften. Bei einer solchen Berechnung treten klare Unterschiede zwischen den drei untersuchten Unternehmensgruppen zutage.Die Ergebnisse dieser Berechnung sind in Grafik 4 dargestellt. Kotierte Unternehmen benötigen zur Produktion der Wertschöpfung von 106 000 Franken pro Arbeitsplatz durchschnittlich 311 000 Bilanzfranken und 160 000 Franken Sachkapital. Eine Arbeitskraft in einem KMU erzielt mit 170 000 Bilanzfranken und 37 000 Franken Sachkapital eine Wertschöpfung von 112 000 Franken. Mitarbeitende in nicht-kotierten Grossunternehmen schliesslich benötigen für die 130 000 Franken, die der Produktivität eines Arbeitsplatzes entsprechen, 236 000 Bilanzfranken und 51 000 Franken Sachkapital. Die Grafik zeigt, dass die Kehrseite einer hohen Kapitalintensität in einer geringen Kapitalproduktivität besteht, namentlich bei den kotierten Unternehmen. Dies könnte – unter Vorbehalt der Hypothesen zur Produktionsfunktion – darauf hinweisen, dass sich die kotierten Unternehmen in jenem Bereich befinden, in dem die Kapitalproduktivität und die realen Kapitalrenditen abnehmen. Somit stellt sich die für das Verständnis der aktuellen Krise zentrale Frage: Wie wirksam sind die Mechanismen, die regeln, zu welchen Akteuren das Sparkapital fliesst?

Fazit


Die Analyse zeigt, dass kotierte Unternehmen pro eingesetzten Franken wesentlich weniger Wertschöpfung erzielen als nicht-kotierte, dass sie aber für das bereitgestellte Kapital gleich hohe Entschädigungen bezahlen. Wie ist dieses Paradox zu erklären? Und woher rühren solche Produktivitätsunterschiede bei gleichen Kapitalrenditen? Denkbar sind zwei Hypothesen: Einerseits könnten die kotierten Unternehmen Güter, Leistungen und Technologien anbieten, die besonders viel Sach- und Finanzkapital erfordern. Die Kapitalrenditen wären dann zwar nicht durch die Produktivität zu rechtfertigen, aber im Preis berücksichtigt, den die Käufer für die entsprechenden Endprodukte bezahlen. In diesem Fall wäre die Erklärung für das Paradox eher beim Absatzmarkt für die Endgüter – und einem schwachen Wettbewerb – als auf der Seite des Kapitalmarkts zu suchen. Gewisse Merkmale der kotierten Unternehmen, wie der Besitz von Marken oder eine Marktdominanz im Zusammenhang mit den Rechten für geistiges Eigentum, könnten Hinweise in diese Richtung liefern. Bei dieser Hypothese hätten wir es jedoch mit einer Verzerrung im Warenmarkt zu tun, die zu einer suboptimalen Verteilung des Kapitals mit negativen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum führen könnte.Die zweite Hypothese geht von unterschiedlichen Buchhaltungspraktiken in kotierten und nicht-kotierten Unternehmen aus. Demnach wären die «effektiven» Sachanlagen in den nicht-kotierten Unternehmen in der Buchhaltung systematisch unterbewertet, weil die Unternehmen diese aus steuerlichen Überlegungen schnell amortisieren oder weil sie auf periodische Neubewertungen der Sachanlagen verzichten. Dies würde bedeuten, dass die im ersten Teil ausgewiesene Kapitalrentabilität der nicht-kotierten Unternehmen zu hoch beziffert wäre. Die «effektive» Rentabilität des Kapitals wäre somit in nicht-kotierten Unternehmen geringer, als es die Buchhaltungsdaten nahelegen. Für die Allokationseffizienz des Kapitalmarkts wäre diese Erklärung beruhigend. Sie würde aber Zweifel daran aufkommen lassen, dass die betriebswirtschaftlichen Buchhaltungskennzahlen die wirtschaftliche Realität widerspiegeln. Wie aber sollen sich Personen, die ein Unternehmen leiten oder Wirtschaftsforschung betreiben, ein repräsentatives Bild von der Realität machen, wenn nicht anhand von Buchhaltungsdaten? Solange kein zuverlässigeres Instrument vorliegt, bieten die Buchhaltungsergebnisse der schweizerischen Unternehmen sehr wohl eine reichhaltige Informationsquelle zu den Mechanismen unserer Wirtschaft. Die Auswertung dieses Materials steht indes noch am Anfang. Vertiefte Analysen dieser Daten – insbesondere nach Wirtschaftszweigen – dürften auch das hier aufgezeigte Paradox von Rentabilität und Produktivität auflösen.

Grafik 1: «Rentabilität der Aktiven, Aktienkursverlauf, langfristige «risikolose» Zinssätze und Wachstum»

Grafik 2: «Rentabilität von Eigenkapital und Fremdkapital»

Grafik 3: «Finanzierung der Sachanlagen»

Grafik 4: «Arbeitsproduktivität und benötigtes Kapital»

Kasten 1: Quellen und Methoden

Quellen und Methoden


Das Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlicht jährlich die Buchhaltungsergebnisse schweizerischer Unternehmen. Diese Publikation enthält die wichtigsten Buchhaltungskennzahlen, die für den Geschäftsgang in den verschiedenen Sektoren und Branchen der Schweizer Wirtschaft repräsentativ sind. Somit präsentiert sie eine Zusammenfassung der Ergebnisse einer Befragung, an der bis 2008 jährlich über 4000 Unternehmen und seither über 10 000 Unternehmen jährlich teilgenommen haben.

Für die vorliegende Studie, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in Auftrag gab, konnten die individuellen Daten der Unternehmen aus der Stichprobe des BFS, die seit 1997 elektronisch verfügbar sind, beigezogen werden. Ein Teil der Ergebnisse der Studie wird in diesem Artikel vorgestellt. Die Studie wurde aus einem anderen Blickwinkel durchgeführt als die Publikation des BFS. Es ging darum, die bereitgestellte Fülle an Informationen so zu nutzen, dass gewisse statistische Reihen entstehen, die Anhaltspunkte dazu geben, wie die schweizerischen Unternehmen ihre Finanzmittel einsetzen und entschädigen. Für die Datenanalysen der Studie wurden wenn möglich nicht Durchschnittswerte verwendet, weil diese zu stark von Extremwerten und ihrer Verteilung abhängig sind. Die Analysen stützen sich im Wesentlich auf den Medianwert, der in der Mitte dieser Verteilung liegt und die Daten in zwei gleich grosse Beobachtungsgruppen teilt.

Die methodischen Schwierigkeiten, die sich bei der Verarbeitung einer solchen Masse von Daten stellen, sind beträchtlich, aber lösbar. Die hier beschriebenen Ergebnisse erheben deshalb nicht den Anspruch, für alle Unternehmen oder gar die gesamte Schweizer Wirtschaft repräsentativ zu sein, sondern lediglich für die häufigsten Fälle.

Die für diese Analyse verwendeten Buchhaltungsergebnisse der Unternehmen des BFS beziehen sich auf 85 000 Beobachtungen (Unternehmen/Jahr) und den Zeitraum 1997 bis 2010. Die Daten zu den Jahren 2009 und 2010 wurden vom BFS mit einer neuen Stichprobenmethode erhoben, was gewisse Brüche in den Datenreihen erklärt. Diese Fülle von Beobachtungen wurde folgendermassen strukturiert:

  • nach der Zahl der Arbeitsplätze (Vollzeitäquivalente, VZÄ): Kleinstunternehmen mit 0 bis 20 Beschäftigten (22% der Beobachtungen), kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit 20 bis 250 Mitarbeitenden (67%) und Grossunternehmen mit über 250 VZÄ (11%). In der vorliegenden Studie wurden nur die beiden letzten Kategorien berücksichtigt, d.h. 78% der verfügbaren Beobachtungen;
  • nach sechs Wirtschaftszweigen: Herstellung von Waren (40% der Beobachtungen), Baugewerbe (10), Handel (17%), Beherbergung und Gastronomie (6%), Dienstleistungen (17%) und übrige Industriebranchen (10%).


Um ihre Aussagekraft zu erhöhen, wurden die Daten des BFS, die sich auf nicht-kotierte Unternehmen beziehen, soweit möglich den Daten von nicht-finanziellen Unternehmen gegenübergestellt, die an der Schweizer Börse kotiert sind.

Zitiervorschlag: Paul Dembinski, Evelyn Kohler, (2013). Rentabilität und Produktivität des Sach- und Finanzkapitals in Schweizer Unternehmen. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.