Ausländische Mitarbeitende sind aus der hiesigen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Heute stellen sie nahezu 29% des Arbeitskräfteangebots. Die schweizerische Wirtschaft ist schon seit Jahrzehnten auf den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte angewiesen. Die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU trägt dieser Notwendigkeit auf marktwirtschaftliche Weise Rechnung und zählt heute zu den unverzichtbaren Standortvorteilen unseres Landes. Tatsächlich wird der Zugriff auf den europäischen Arbeitsmarkt von den meisten Arbeitgebern als wichtig für die Rekrutierung ihres Personals bezeichnet, wobei die Anstellung gut ausgebildeter Arbeitskräfte im Fokus steht. Die Begleiterscheinungen der Zuwanderung müssen mit gezielten Massnahmen abgefedert werden.
Offensichtlich ist die Verfügbarkeit genügend qualifizierter Arbeitskräfte für unser Land zu einem entscheidenden Standortfaktor geworden. Seine Bedeutung ist mit dem markanten Wandel der Wirtschafts- und Beschäftigungsstrukturen noch gewachsen: Während hoch anspruchsvolle und selbständige Funktionen stark zunehmen, gehen die einfachen und repetitiven Tätigkeiten zurück. Auch wenn wir das einheimische Potenzial mit Ausbildungs- und anderen Massnahmen bestmöglich ausschöpfen, fehlt es an Forschenden, Kaderleuten und Fachkräften. Wir brauchen also die ergänzende Rekrutierung im europäischen – sowie selektiv im globalen – Arbeitsmarkt. Die demografische Entwicklung wird diese Abhängigkeit in den kommenden Jahren zusätzlich verstärken.
Nachfragegesteuerter Zuzug von Arbeitskräften
Das Regime der Personenfreizügigkeit – d.h. die weitgehende Arbeitsmarktöffnung zur EU – ist die marktwirtschaftliche Antwort auf dieses Bedürfnis. Sie stellt sicher, dass in erster Linie jene Arbeitskräfte in die Schweiz kommen, welche hier gebraucht werden. Ausdruck dieser Nachfragesteuerung ist die auffallende Veränderung der Qualifikationsstruktur der Migranten: Verfügten unter den zwischen 1986 und 1994 zugewanderten Ausländern 51% über einen Abschluss auf Sekundarstufe II, so lag der entsprechende Anteil bei den zwischen 2002 und 2010 Zugewanderten bei 83%. Die Quote der Tertiärabschlüsse nahm zwischen den beiden Immigrationsperioden sogar von 15% auf 51% zu! Dass nach wie vor auch wenig qualifizierte EU-Arbeitskräfte in die Schweiz kommen, stellt den starken Strukturwandel der Immigration nicht in Frage, denn sie ersetzen zu einem erheblichen Teil die früheren Migranten aus Drittstaaten. Die Gegner der Personenfreizügigkeit wollen die Zuwanderung aus den EU-Staaten seitens der Schweiz wieder autonom steuern können. Aber einseitige Zugangsregeln sind keine valable Alternative zur Personenfreizügigkeit. Die Rückkehr zum Kontingentsregime, wie wir es für die Zuwanderung aus den Drittstaaten kennen, würde zu einem immensen bürokratischen Aufwand und einer erhöhten Entscheidungsunsicherheit sowohl für die Unternehmen als auch für die ausländischen Arbeitskräfte führen. Die Allokation der ausländischen Arbeitskräfte würde (wieder) durch behördliche Entscheidungen statt durch die Nachfrage der Unternehmen gesteuert, womit die schweizerische Arbeitsmarktpolitik in die wenig erfolgreichen Jahre vor Einführung des freien Personenverkehrs zurückgeworfen würde.
Nebenwirkungen gezielt bekämpfen
Auch wenn diese Erwägungen klar für die arbeitsmarktpolitische Notwendigkeit der Personenfreizügigkeit sprechen, dürfen ihre Nebenwirkungen nicht ausser Acht gelassen werden. Deshalb wurden zusammen mit der Personenfreizügigkeit die flankierenden Massnahmen zur Verhinderung von Missbräuchen im Arbeitsmarkt eingeführt und in der Folge ausgebaut. Dieses Dispositiv wirkt. Aufgrund der jährlichen Berichte über die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit und den Vollzug der flankierenden Massnahmen lässt sich feststellen, dass die Personenfreizügigkeit weder auf dem Arbeitsmarkt noch im Sozialversicherungsbereich zu grösseren Verwerfungen geführt hat.Diese positive Gesamtbilanz der Personenfreizügigkeit wird auch durch die Begleiterscheinungen der Zuwanderung auf dem Immobilienmarkt, bei der Belastung der Infrastruktur oder im gesellschaftlichen Bereich nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Die Zuwanderung ist nämlich nicht Hauptursache der wachsenden Probleme in den genannten Bereichen, sondern hat nur bereits laufende kritische Entwicklungen verstärkt und beschleunigt. Deshalb müssen sie auch mit gezielten Massnahmen in den entsprechenden Politikfeldern angegangen werden. Die Angriffe auf die Personenfreizügigkeit, wie sie mit den Zuwanderungsinitiativen von SVP und Ecopop vorgetragen werden, sind jedenfalls der falsche Ansatz.