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Ein Gesamtpaket für die Reform der Altersvorsorge als Ausweg aus der Sackgasse

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Nach dem Scheitern der 11. AHV-Revision und der Vorlage zur Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes nimmt der Bundesrat einen neuen Anlauf zur Reform der Altersvorsorge. Er hat sich dabei für einen neuen strategischen Ansatz entschieden. An Stelle der bisher üblichen sektoriellen Revisionen legt er eine umfassende Reform der Altersvorsorge vor. Die erste und die zweite Säule sollen in einer gemeinsamen Vorlage an die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft angepasst werden.

Foto: Keystone


Das schweizerische Drei-Säulen-System wurde 1972 in der Bundesverfassung verankert. Es besteht aus der staatlichen Vorsorge für die gesamte Wohnbevölkerung als erster Säule, der beruflichen Vorsorge für Arbeitnehmende als zweiter Säule und der steuerbegünstigten Selbstvorsorge für erwerbstätige Personen als dritter Säule (siehe Kasten 1

Unterschiedliche Stossrichtungen der drei Säulen


Die drei Säulen unterscheiden sich nicht nur in Bezug auf die versicherten Personen, sondern auch auf die Leistungsziele und die Finanzierung. Aufgabe der ersten Säule ist die Sicherung des Existenzbedarfs, worunter nach der Botschaft des Bundesrates vom 10. November 1971 zur Einführung der Verfassungsgrundlage des Drei-Säulen-Prinzips ein einfacher aber menschenwürdiger Lebensstandard verstanden wird. Die berufliche Vorsorge hat die Aufgabe in einem angemessenen Rahmen die Weiterführung der bisherigen Lebenshaltung zu gewährleisten. Die dritte Säule steht für weitergehende Bedürfnis zur Verfügung. Gleichzeitig ist sie eine wichtige Form der beruflichen Vorsorge für selbständig erwerbende Personen.

). Die Leistungen der ersten und der zweiten Säule sollen zusammen 60% des letzten Bruttoeinkommens bis zu 84 240 Franken (Stand 2013) abdecken.
BBl 1971 II 1619.Heute werden die in der Verfassung vorgesehenen Leistungsziele nur sehr knapp erreicht. Für Personen, deren Renten nicht zur Sicherung des Existenzbedarfs ausreichen, stehen zwar steuerfinanzierte Ergänzungsleistungen zur Verfügung. Sie kommen aber bereits nach dem Wortlaut von Artikel 112a der Bundesverfassung nur subsidiär zu Anwendung. Daraus ergibt sich die zentrale Erkenntnis für den Reformprozess: Im Bereich der gesetzlich geregelten ersten und zweiten Säule besteht kein Platz für Leistungsabbau. Es gilt, das Leistungsniveau zu erhalten.

Demografische Entwicklung als Herausforderung für die AHV


Die Herausforderungen, welche die erste und die zweite Säule zu bewältigen haben, sind mit den jeweiligen Finanzierungssystemen verknüpft. Die erste Säule beruht auf dem Umlageverfahren. Dies bedeutet, dass die Leistungen der AHV im wesentlichen aus den laufenden Einnahmen finanziert werden. Für die Finanzierung der Leistungen der AHV sind daher zwei Faktoren entscheidend: die demografische Entwicklung und die Entwicklung der beitragspflichtigen Lohnsumme.Die demografische Entwicklung zeichnet sich durch eine Alterung der Bevölkerung aus. Diese wird zwar durch Einwanderung gemildert, kann aber nicht vollständig korrigiert werden. Das Referenzszenario für die  Reform der Altersvorsorge beruht auf einem positiven Einwanderungssaldo von durchschnittlich 40 000 Personen pro Jahr. Diese Zahlen hängen von der wirtschaftlichen Entwicklung und von politischen Entscheidungen ab, nicht zuletzt aber auch vom Ergebnis der bevorstehenden Volksabstimmungen über Einwanderungsinitiativen.
Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung», eingereicht am 14.2.2012 mit 135557 gültigen Unterschriften (BBl 2012 3869); Volksinitiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen», eingereicht am 2.11.2012 mit 119816 gültigen Unterschriften (BBl 2012 9786). Neben dem Referenzszenario stehen dem Bundesrat daher auch ein Szenario mit einem kleineren und ein Szenario mit einem grösseren Migrationssaldo zur Verfügung. Mittlerweile ist jedoch unbestritten, dass jedes Szenario eine zunehmende Alterung der schweizerischen Wohnbevölkerung ergibt (siehe Grafik 1). Noch grösser sind die Unsicherheiten in Bezug auf das Wachstum der Lohnsumme. Das Referenzszenario basiert auf einem Reallohnwachstum von 1,0% pro Jahr. Das BSV arbeitet jedoch auch mit Szenarien, welche ein schwächeres oder ein stärkeres Reallohnwachstum ausweisen. Jedes Szenario ergibt einen Handlungsbedarf für die AHV. Die Umlageergebnisse (Einnahmen der AHV ohne Vermögenserträge abzüglich der Ausgaben) der AHV werden in den nächsten Jahren negativ (siehe Grafik 2). In einer ersten Zeit können diese negativen Umlageergebnisse noch durch den Ertrag auf den Anlagen des AHV-Ausgleichsfonds aufgefangen werden. Spätestens nach dem Jahr 2020 ist jedoch mit negativen Jahresabschlüssen der AHV zu rechnen, die bis zum Jahr 2030 einen rasch steigenden erheblichen Finanzierungsbedarf bewirken. Nach dem Referenzszenario beläuft sich der Finanzierungsbedarf im Jahr 2020 auf 1,6 Mrd. Franken. Er wird jährlich zunehmen und im Jahr 2030 voraussichtlich bei 8,9 Mrd. Franken liegen.

Ungenügende Kapitalerträge belasten die berufliche Vorsorge


Die berufliche Vorsorge beruht auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Für die versicherten Personen wird ein Altersguthaben gebildet. Dieses wird mit dem Umwandlungssatz in eine jährlich Altersrente umgewandelt. Für dessen Höhe ist die Lebenserwartung (inkl. Hinterlassenenkomponente) der leistungsberechtigten Personen sowie der Ertrag auf den Deckungskapitalien, der sogenannte technische Zinssatz, massgebend. In Bezug auf die Lebenserwartung stellen sich für die berufliche Vorsorge die gleichen Herausforderungen wie für die AHV. Wesentlich wichtiger ist jedoch, dass zahlreiche Vorsorgeeinrichtungen seit mindestens zehn Jahren nicht mehr in der Lage sind, den gemäss BVG geltenden Umwandlungssatz von 6,8% zu finanzieren. Dafür wäre nämlich, je nach Struktur der Vorsorgeeinrichtung, ein Ertrag auf den Anlagen zwischen 4,5% und 5,0% notwendig. Der zu hohe Umwandlungssatz hat zwei negative Auswirkungen:

  • Erstens wird in der beruflichen Vorsorge ein an und für sich systemfremdes Umlageelement eingeführt. Weniger technisch ausgedrückt bedeutet dies, dass gute Anlagejahre nicht für die Verbesserung der Vorsorge der aktiven Versicherten eingesetzt werden können, sondern der Finanzierung der bereits laufenden Renten dienen müssen.
  • Zweitens ist die Systemstabilität gefährdet. So verfügen zahlreiche Vorsorgeeinrichtungen nicht über die Wertschwankungsreserven, die sie für ihre Anlagestrategie benötigen würden.


In den letzten 15 Jahren sind – mit Ausnahme der 1. BVG-Revision – sämtliche Reformversuche in der AHV und der beruflichen Vorsorge, welche die finanzielle Stabilität der Vorsorgesysteme zum Ziel hatten, mit massiven Nein-Mehrheiten abgelehnt worden (siehe Kasten 2

Gescheiterte Reformversuche der Vergangenheit


Die 11. AHV-Revision wurde die in der Volksabstimmung vom 16. Mai 2004 mit einem Nein-Stimmenanteil von 67,9% abgelehnt. Gleichzeitig lehnte der Souverän auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten von AHV und IV mit 68,6% ab. Kein einziger Kanton stimmte der Verfassungsänderung zu.

Mit Botschaften vom 21. Dezember 2005 legte der Bundesrat dem Parlament eine neue Version der 11. Revision mit den vermeintlich unbestrittenen Punkten vor. Diese wurde vom Nationalrat in der Schlussabstimmung am 1. Oktober 2010 mit 118 gegen 72 Stimmen abgelehnt.

Mit der 1. BVG-Revision wurde der Mindestumwandlungssatz von 7,2% auf 6,8% gesenkt. Dabei wurde aber mit einer gleichzeitigen Reduktion des Koordinationsabzuges sichergestellt, dass das Leistungsniveau im BVG gehalten werden konnte. Am 22. November 2006 legte der Bundesrat dem Parlament eine weitere Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8% auf 6,4% vor. Anders als in der 1. BVG-Revision sollte diese Senkung nicht durch korrigierende Massnahmen kompensiert werden. In der Volksabstimmung vom 7. März 2010 wurde die Senkung jedoch mit 72,7% abgelehnt.

). Der gemeinsame Nenner der drei gescheiterten Revisionsversuche liegt darin, dass die finanzielle Konsolidierung der Vorsorgewerke im Wesentlichen durch Leistungskorrekturen realisiert werden sollte. Dies im Gegensatz zu früheren Revisionen, in welchen immer auf eine Ausgewogenheit zwischen Leistungen und Finanzierung geachtet wurde.

Eckwerte der Reform der Altersvorsorge


Angesichts des Verfassungsauftrages, welcher für die AHV und das BVG gilt, kann die Sicherung des Leistungsniveaus sowie die Erhaltung gesunder Finanzierungsgrundlagen der Vorsorgewerke kein Gegensatz sein. Vielmehr geht es heute darum, die Leistungen zu erhalten und ihre Finanzierung zu sichern. Dieses Ziel soll mit einem neuen strategischen Ansatz für die Reform der Altersvorsorge erreicht werden. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat am 21. Juni 2013 seine Eckwerte zur Reform Altersvorsorge 2020 festgelegt. Im Zentrum der Reform steht die Erhaltung des Leistungsniveaus. Dieses Ziel steckt den Rahmen für die verschiedenen Massnahmen ab.

Erhöhung des Referenzrentenalters für Frauen


Mit der Reform soll das Referenzrentenalter für Frauen auf 65 Jahre erhöht werden. Mit dem Begriff des «Referenzrentenalters» wird zum Ausdruck gebracht, dass die heutige beschränkte Flexibilisierung des Altersrücktritts erweitert werden soll. Wie heute wird es möglich sein, die Altersrente vorzubeziehen oder bis zum 70. Altersjahr aufzuschieben. Vorbezug und Aufschub sind mit einem versicherungstechnisch berechneten Abzug bzw. Zuschlag zur Rente verbunden. Neu ist die Möglichkeit eines gleitenden Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Für Personen mit langer Beitragsdauer und tiefen Einkommen soll ausserdem eine erleichterte vorzeitige Pensionierung möglich gemacht werden. Referenzrentenalter bedeutet weiter, dass auch im BVG die Vorsorgeeinrichtungen verpflichtet werden, den flexiblen Altersrücktritt einzuführen, dies mindestens im gleichen Umfang wie die AHV. Darin ist jedoch keine generelle Erhöhung des Rentenalters über 65 hinaus versteckt. Eine Studie, die im Auftrag des BSV im Vorfeld der Reformarbeiten erstellt wurde, hat aufgezeigt, dass für eine solche Erhöhung derzeit die Grundlagen auf dem Arbeitsmarkt fehlen würden. Der Bundesrat will in der vorliegenden Reform aber die Anreize so setzen, dass die Versicherten wenn immer möglich bis zum gesetzlichen Rentenalter erwerbstätig bleiben oder sogar darüber hinaus. In diesem Zusammenhang ist auch die geplante Erhöhung des Mindestrücktrittsalters von 58 auf 62 Jahre in der beruflichen Vorsorge zu verstehen.

Sicherung des Leistungsniveaus in der obligatorischen beruflichen Vorsorge


In der beruflichen Vorsorge muss der Umwandlungssatz an die längere Lebenserwartung und die schlechteren Anlagemöglichkeiten angepasst werden. Er soll innerhalb einer Frist von vier Jahren jedes Jahr um 0,2 Prozentpunkte sinken, bis er den Satz von 6,0% erreicht. Selbstverständlich betrifft diese Senkung nur Renten, auf die der Anspruch nach dem Inkrafttreten der Reform entsteht.Damit das Leistungsniveau im Rahmen des BVG erhalten werden kann, muss die Kapitalisierung verstärkt werden. Der Bundesrat sieht dafür drei Massnahmen vor:

  • Erstens soll der Koordinationsabzug
    Der Koordinationsabzug legt den Teil des Lohnes fest, der im BVG nicht versichert ist, da er bereits durch die AHV abgedeckt wird. Der Koordinationsabzug entsprach vor der 1. BVG-Revision der maximalen jährlichen Altersrente der AHV; seit der Revision liegt er bei 7/8 dieser Rente. gesenkt und gleichzeitig neu definiert werden. Neu soll er im BVG-Bereich 25% des AHV-Lohns betragen, was eine Verbesserung der Vorsorge von teilzeitbeschäftigten Personen und Personen mit mehreren Arbeitgebern zur Folge haben wird. Dadurch dürfte sich in erster Linie die berufliche Vorsorge der Frauen verbessern.
  • Zweitens sollen die Altersgutschriften erhöht werden. Wobei sie mit zunehmendem Alter weniger stark ansteigen sollen, was einer immer wieder erhobenen Forderung entspricht, die berufliche Vorsorge älterer gegenüber jüngeren Personen eher zu verbilligen. Für ältere Personen werden diese Massnahmen alleine aber nicht zum Erhalt des Leistungsniveaus ausreichen, da für sie die Zeit zum Aufbau des zusätzlichen Altersguthabens zu kurz ist.
  • Für Personen, deren Renten im BVG-Bereich liegen, ist daher drittens eine Übergangsregelung mit Einmalzahlungen des Sicherheitsfonds BVG vorgesehen.


Voraussetzung dafür, dass eine Senkung des Umwandlungssatzes akzeptiert wird, ist aber nicht nur der Erhalt des Leistungsniveaus, sondern auch eine Verbesserung der Transparenz, insbesondere im Bereich der Sammelstiftungen. Auch die Höhe der Risikoprämien soll überprüft werden. Schliesslich soll mit einer Studie abgeklärt werden, ob das heutige System der Mindestquote, wonach den Kapitalgebern der Versicherungsgesellschaften 10% des Umsatzes aus dem Geschäft der beruflichen Vorsorge zustehen, im Interesse der Vorsorgeeinrichtungen und damit der Versicherten korrigiert werden kann.Der Bundesrat will überdies mit einer weiteren Massnahme die Leistungen der beruflichen Vorsorge besser in Übereinstimmung mit den wirtschaftlichen Verhältnissen bringen. Der Mindestzins, der für die Verzinsung der BVG-Altersguthaben der aktiven Versicherten massgebend ist, soll nicht mehr im Voraus, sondern ex post, in Kenntnis der effektiven Renditemöglichkeiten der Vorsorgeeinrichtungen, festgesetzt werden.

Neuregelung der Hinterlassenenrenten in der AHV


In der AHV wird eine Neuregelung der Hinterlassenenrenten für Witwen und Waisen, deren Anspruch nach dem Inkrafttreten der Reform entsteht, vorgeschlagen. Kinderlose Witwen sollen keine Witwenrente mehr beanspruchen können. Selbstverständlich muss diese Regelung mit einer angemessenen Übergangsregelung verbunden werden. Die Witwenrente für Witwen mit Kindern soll von 80% auf 60% der Altersrente reduziert werden. Im Gegenzug soll die Waisenrente von 40% auf 50% der Altersrente erhöht werden.

Zusatzfinanzierung und Stabilisierung der AHV


Mit den vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen im Bereich der Leistungen und der Beiträge der AHV kann rund ein Sechstel der absehbaren Finanzierungslücke gedeckt werden. Die verbleibende Lücke will der Bundesrat mit einer gestaffelten Erhöhung der Mehrwertsteuer um maximal 2 Prozentpunkte decken. Ein erstes zusätzliches Mehrwertsteuerprozent soll beim Inkrafttreten der Reform erhoben werden. Wann das zweite Prozent benötigt wird, hängt nicht zuletzt von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Aufgrund des Referenzszenarios dürfte dies zwischen 2027 und 2030 der Fall sein.Zur Sicherung der finanziellen Stabilität der AHV schlägt der Bundesrat ausserdem einen sogenannten Interventionsmechanismus vor.
Vgl. dazu den Beitrag von Simon Luck auf S. 12 ff in dieser Ausgabe. Das Primat liegt auch hier bei der Politik. Sobald sich abzeichnet, dass der Ausgleichsfonds unter den Stand von 70% einer Jahresausgabe sinken wird, ist der Bundesrat verpflichtet, dem Parlament Stabilisierungsmassnahmen vorzuschlagen. Lassen sich diese nicht rechtzeitig in Kraft setzen und sinkt der Ausgleichsfonds der AHV tatsächlich unter den Stand von 70% einer Jahresausgabe, so setzt der Bundesrat eine Erhöhung der AHV-Beiträge um höchstens 1 Prozentpunkt in Kraft und friert die Renten ein, und zwar so lange, bis sie unter einen Wert von 95% der normal indexierten Rente fallen. Ziel des Bundesrates ist es dabei, die zweite Stufe des Interventionsmechanismus gar nie auslösen zu müssen, weil es rechtzeitig gelingt, die notwendigen Massnahmen umzusetzen. Die im Interventionsmechanismus vorgesehenen Massnahmen können eine Reform der AHV denn auch nicht ersetzen. Sie ermöglichen aber eine gewisse Stabilisierung und schaffen einen zusätzlichen zeitlichen Spielraum für die Umsetzung einer Reform.Schliesslich soll auch der Bundesbeitrag an die AHV neu definiert werden. Der Bund deckt 19,55% der Ausgaben der AHV. Die heutige Regelung des Bundesbeitrags verschafft der AHV eine konjunkturunabhängige Finanzierungsquelle. Dabei steigen die Ausgaben des Bundes zur Finanzierung des Bundesbeitrages an die AHV stärker an als seine Einnahmen. Der daraus resultierende Zielkonflikt soll so behoben werden, dass sich nur noch die Hälfte des Bundesbeitrages an die AHV entsprechend den Ausgaben der AHV entwickelt, die andere Hälfte dagegen im Einklang mit der Entwicklung der Mehrwertsteuereinnahmen.

Ausblick und weiteres Vorgehen


Die Reaktionen auf die Eckwerte des Bundesrates zur Reform Altersvorsorge 2020 haben aufgezeigt, dass diese Reform kein Spaziergang sein wird. Es gibt aber keine Alternative, wenn die Leistungen auf der Basis einer gesunden Finanzierung von AHV und beruflicher Vorsorge gesichert werden sollen. Die auf einer Gesamtkonzeption beruhende Strategie des Bundesrates ist daher die richtige Antwort auf das Scheitern der vorherigen sektoriellen Vorlagen. Die derzeitige finanzielle Lage der Altersvorsorge ergibt einen zeitlichen Spielraum, welcher für die Vorbereitung einer kohärenten Vorlage genutzt werden muss. Der Bundesrat will die Reform der Altersvorsorge dem Parlament daher in einer einzigen Botschaft unterbreiten. Die gesetzlichen Änderungen werden Teil eines Mantelerlasses sein, mit welchem das AHV-Gesetz, das BVG und weitere Erlasse abgeändert werden. Entsprechend hat der Bundesrat das Eidg. Departement des Innern (EDI) beauftragt, bis Ende 2013 eine Vernehmlassungsvorlage zur Reform der Altersvorsorge 2020 vorzubereiten. Das Vernehmlassungsverfahren soll im ersten Quartal 2014 durchgeführt werden. Ende 2014 soll die Botschaft zur Reform der Altersvorsorge verabschiedet werden können.

Grafik 1: «Veränderung der Altersstruktur der schweizerischen Wohnbevölkerung, 2013–2035»

Grafik 2: «Entwicklung der Umlageergebnisse der AHV, 2013–2035»

Kasten 1: Unterschiedliche Stossrichtungen der drei Säulen

Unterschiedliche Stossrichtungen der drei Säulen


Die drei Säulen unterscheiden sich nicht nur in Bezug auf die versicherten Personen, sondern auch auf die Leistungsziele und die Finanzierung. Aufgabe der ersten Säule ist die Sicherung des Existenzbedarfs, worunter nach der Botschaft des Bundesrates vom 10. November 1971 zur Einführung der Verfassungsgrundlage des Drei-Säulen-Prinzips ein einfacher aber menschenwürdiger Lebensstandard verstanden wird. Die berufliche Vorsorge hat die Aufgabe in einem angemessenen Rahmen die Weiterführung der bisherigen Lebenshaltung zu gewährleisten. Die dritte Säule steht für weitergehende Bedürfnis zur Verfügung. Gleichzeitig ist sie eine wichtige Form der beruflichen Vorsorge für selbständig erwerbende Personen.

Kasten 2: Gescheiterte Reformversuche der Vergangenheit

Gescheiterte Reformversuche der Vergangenheit


Die 11. AHV-Revision wurde die in der Volksabstimmung vom 16. Mai 2004 mit einem Nein-Stimmenanteil von 67,9% abgelehnt. Gleichzeitig lehnte der Souverän auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten von AHV und IV mit 68,6% ab. Kein einziger Kanton stimmte der Verfassungsänderung zu.

Mit Botschaften vom 21. Dezember 2005 legte der Bundesrat dem Parlament eine neue Version der 11. Revision mit den vermeintlich unbestrittenen Punkten vor. Diese wurde vom Nationalrat in der Schlussabstimmung am 1. Oktober 2010 mit 118 gegen 72 Stimmen abgelehnt.

Mit der 1. BVG-Revision wurde der Mindestumwandlungssatz von 7,2% auf 6,8% gesenkt. Dabei wurde aber mit einer gleichzeitigen Reduktion des Koordinationsabzuges sichergestellt, dass das Leistungsniveau im BVG gehalten werden konnte. Am 22. November 2006 legte der Bundesrat dem Parlament eine weitere Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8% auf 6,4% vor. Anders als in der 1. BVG-Revision sollte diese Senkung nicht durch korrigierende Massnahmen kompensiert werden. In der Volksabstimmung vom 7. März 2010 wurde die Senkung jedoch mit 72,7% abgelehnt.

Zitiervorschlag: Brechbuehl, Juerg (2013). Ein Gesamtpaket für die Reform der Altersvorsorge als Ausweg aus der Sackgasse. Die Volkswirtschaft, 01. September.