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Zurück an den Absender

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Ausgewogen sollen sie angeblich sein, die Reformvorschläge zur Sicherung unserer Altersvorsorge, die Bundesrat Berset Mitte Juni 2013 vorgestellt hat. Wie er zu dieser gewagten Einschätzung kommt, ist rätselhaft. Analysiert man das Reformprojekt etwas genauer, stellt man rasch fest, dass völlig einseitig auf die Karte Mehreinnahmen gesetzt wird. Gespart werden soll bloss in homöopathischen Dosen, bei den Steuern und Lohnbeiträgen will man dagegen mit der ganz grossen Kelle abschöpfen.

Konkret werden Einsparungen von knapp 1,5 Mrd. Franken vorgeschlagen. Fast die Hälfte davon soll gleich wieder für Leistungsverbesserungen ausgegeben werden. So bleiben unter dem Strich Nettoeinsparungen von deutlich unter 1 Mrd. Franken. Einkommensseitig sollen demgegenüber via Mehrwertsteuer- und Lohnbeitragserhöhungen Mehreinnahmen von 8,5 Mrd. Franken abgeschöpft werden. Doch es kann auch noch deutlich schlimmer kommen: Sinken die Mittel der AHV unter eine bestimmte Schwelle, soll automatisch ein zusätzliches Lohnprozent eingefordert werden können, was uns abermals über 3 Mrd. Franken kosten würde.Eine finanzielle Mehrbelastung der Erwerbstätigen, der Steuerzahler, der Konsumenten und der Betriebe im Umfang von bis zu 11,5 Mrd. Franken pro Jahr allein zur Sicherung der Altersvorsorge würde der Wirtschaft enorm schaden. Die Kaufkraft der privaten Haushalte würde erheblich geschwächt, der Konsum spürbar gedrosselt. Den Betrieben würden Mittel entzogen, die sie dringend für Investitionen in die Zukunft benötigen. Die Solidarität unter den Generationen würde massiv überstrapaziert. Für die Wirtschaft stellen die Vorschläge des Departements Berset eine reine Provokation dar, die es kategorisch zurückzuweisen gilt. Der Bundesrat tut gut daran, die Reform der Altersvorsorge von Grund auf neu zu konzipieren, da der jetzige Ansatz spätestens an der Urne kläglich scheitern wird.

Stufenweise Anhebung des Rentenalters ist unausweichlich …


Aus Sicht der Wirtschaft führt zur finanziellen Sicherung der Altersvorsorge kein Weg an einer stufenweisen Erhöhung des Rentenalters vorbei. Idealerweise baut man in die AHV im Sinne einer Schuldenbremse einen Mechanismus ein, mit dem das Rentenalter automatisch den finanziellen Möglichkeiten der staatlichen Altersvorsorge entsprechend angepasst wird. Hierzu wird ein Zielband festgelegt, innerhalb dessen sich die Kapitalreserven der AHV inskünftig einzupendeln haben. Der Bundesrat hat dann jährlich einmal zu überprüfen, ob sich die Fondsreserven der AHV gemäss seinen Finanzprognosen weiterhin innerhalb dieses Zielbands bewegen. Droht ein Unterschreiten des unteren Grenzbereichs, muss das Rentenalter in Monatsschritten nach oben angepasst werden. Möglich ist aber auch, dass das ordentliche Rücktrittsalter während längerer Zeit stabil bleibt oder gar gesenkt werden kann. Damit sich sowohl die Versicherten als auch die Betriebe mit ausreichend grosser Vorlaufzeit auf das definitiv gültige Pensionierungszeitalter einstellen können, sind die jeweiligen Anpassungsschritte zwei Jahre im Voraus festzulegen, was angesichts der hohen Zuverlässigkeit der mittelfristigen Finanzierungsperspektiven der AHV problemlos möglich ist. Um auf mittlere Frist zu einem geschlechtsneutralen Pensionierungsalter zu gelangen, ist das Rentenalter der Frauen bei jedem Anpassungsschritt um mindestens einen Monat an jenes der Männer anzunähern, bis die heutige Differenz ganz beseitigt ist. Glücklicherweise gibt es in der Schweiz mehr als genug Arbeit, um es den Beschäftigten zu ermöglichen, etwas länger im Erwerbsprozess zu verbleiben. Dies zeigen sowohl die starke Zuwanderung der letzten Jahre als auch der Fachkräftemangel, über den sich praktisch alle Branchen beklagen. Dass dem so ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass 35% der Erwerbstätigen bereits heute über das ordentliche Rentenalter hinaus erwerbstätig sind. Auch die Arbeitslosenquote der Altersgruppe 60 + liegt deutlich unter dem schweizerischen Durchschnitt.

… und hilft, den Wohlstand zu sichern


Isoliert betrachtet mag eine Erhöhung des Rentenalters nicht sehr populär sein. Sie ist aber weitaus weniger schlimm als Rentenkürzungen oder eine massive finanzielle Mehrbelastung der Steuer- und Beitragszahler. Und vor allem hilft sie, unseren Wohlstand zu sichern. Denn das abschreckende Beispiel vieler europäischer Krisenstaaten illustriert in aller Deutlichkeit, dass überrissene Lohnnebenkosten gekoppelt mit leistungshemmenden Sozialversicherungsangeboten die Wirtschaft abwürgen und zu hoher Arbeitslosigkeit, weit verbreiteter Armut und sozialem Elend führen. Davor gilt es die Schweiz zu bewahren.

Zitiervorschlag: Kurt Gfeller (2013). Zurück an den Absender. Die Volkswirtschaft, 01. September.