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Vertrauen in die Lebensversicherungen in der 2. Säule stärken

Private Lebensversicherer übernehmen in der beruflichen Vorsorge eine wichtige Funktion, indem sie Rückversicherungslösungen für Vorsorgeeinrichtungen anbieten. Die Palette reicht von der Versicherung einzelner Spitzenrisiken bis zur Übernahme sämtlicher Risiken. Im letztgenannten Fall führt die Lebensversicherung somit die berufliche Vorsorge faktisch selber durch. Deshalb müssen die Anforderungen bezüglich der Transparenz und des fairen Interessenausgleichs in diesem Geschäftsbereich der Privatversicherer entsprechend hoch sein. Diese Zielsetzung verfolgt der Bundesrat im Bereich der beruflichen Vorsorge im Rahmen des Projekts Altersvorsorge 2020.

Foto: Keystone


In der Schweiz sind die Arbeitnehmenden grundsätzlich obligatorisch in einer Vorsorgeeinrichtung für die berufliche Vorsorge versichert. Nach der Form können die Vorsorgeeinrichtungen in Pensionskassen, Sammel-, Gemeinschafts- oder Verbandseinrichtungen unterteilt werden. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) können oder wollen keine eigene Pensionskasse führen, weshalb sie sich oft mittels eines Anschlussvertrages als eigenständiges Vorsorgewerk einer Sammeleinrichtung anschliessen. Dabei wird je nach Ausprägung der Autonomie zwischen autonomen, teilautonomen und kollektiven Sammeleinrichtungen unterschieden. Autonome Einrichtungen tragen sämtliche Risiken selber und teilautonome einen Teil der Risiken (so genannte «autonome Welt»). Kollektive Sammeleinrichtungen tragen selbst keine Risiken: Diese Aufgabe übertragen sie den Lebensversicherern («Vollversicherung»). Die Übernahme der Risiken erfolgt durch einen Kollektivlebensversicherungsvertrag im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zwischen der Sammeleinrichtung und dem Lebensversicherer. Im Gegensatz zu den Vorsorgeeinrichtungen, welche den BVG-Aufsichtsbehörden unterstehen, fallen die Lebensversicherer unter das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und sind damit von der Eidg. Finanzmarktaufsicht (Finma) zu beaufsichtigen.

Segen oder Fluch?


Die gegenwärtige unsichere Wirtschaftslage führt dazu, dass die Nachfrage von KMU nach einer Vollversicherungslösung stetig zunimmt. Der Grund hierfür ist in erster Linie in der Planungssicherheit für KMU zu sehen. Die Lebensversicherer garantieren – im Gegensatz zur autonomen Welt – jederzeit ihre Versicherungsleistungen, weshalb sich die angeschlossenen Unternehmen nie an allfälligen Sanierungsmassnahmen beteiligen müssen. In dieser Hinsicht sind die Lebensversicherer in der beruflichen Vorsorge ein Segen, da sie ein wichtiges Bedürfnis der Unternehmen befriedigen. Trotz dieser Entwicklung führt die Geschäftstätigkeit der Lebensversicherer in der beruflichen Vorsorge sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Politik immer wieder zu kontroversen Diskussionen. So ergab eine VOX-Analyse im Nachgang zur abgelehnten Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes beispielsweise, dass die Nein-Stimmenden ihre Motivation unter anderem mit dem «Rentenklau» der Pensionskassen und Lebensversicherer begründeten. Als Folge dieses offensichtlichen Vertrauensverlusts im Publikum wurden die Ausführungsbestimmungen zur Strukturreform BVG verschärft. Damit konnte die Pensionskassen-Governance verbessert werden. Dennoch gehen die politischen Diskussionen weiter, weshalb der Bundesrat im Bereich der teilautonomen und kollektiven Vorsorgeeinrichtungen weitere Massnahmen prüfen lässt.

Eckpunkte der Altersvorsorgereform 2020


Der Bundesrat veröffentlichte am 21. Juni 2013 die Eckwerte der Reform Altersvorsorge 2020 und beauftragte das Eidg. Finanzdepartement (EFD) zusammen mit dem Departement des Innern (EDI), bis Ende 2013 institutionelle Massnahmen im Bereich der beruflichen Vorsorge auszuarbeiten und für die vorgesehene Vernehmlassungsvorlage zu konkretisieren. Die Eckpunkte zu den institutionellen Massnahmen in der beruflichen Vorsorge sehen die Überprüfung der Höhe der Mindestquote, Transparenzvorschriften sowie die Verhinderung von Quersubventionierungen zwischen den Versicherungsprozessen vor. Diese Aspekte werden im Folgenden kurz beleuchtet.

Mindestquote


Unter der Mindestquote – oder Legal Quote – wird der Anteil an den Erträgen verstanden, der den Versicherten aus den Lebensversicherungsverträgen im Minimum gutgeschrieben werden muss. Das VAG legt die Höhe dieser Mindestbeteiligung der Versicherten an den Überschüssen auf mindestens 90% fest. Dem Bundesrat wird überlassen, wie die Berechnung der Mindestquote zu erfolgen hat. Er hat sich grundsätzlich für die sogenannte ertragsbasierte Methode und nur in sehr guten Anlagejahren für die ergebnisbasierte Methode entschieden. Der Bundesrat will gemäss den Eckwerten zur Altersvorsorgereform an der Methodik zur Ermittlung der Mindestquote nichts ändern. Für die Akzeptanz der Regelung ist für den Bundesrat weniger die Methode als die faire Aufteilung der erwirtschafteten Erträge zwischen Versicherten und den Versicherern entscheidend. Er will mit anderen Worten die Höhe der Mindestquote überprüfen lassen und hat dafür ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Die Erarbeitung von wissenschaftlichen Grundlagen zu dieser Frage ist zu begrüssen, da das Gutachten einen gewissen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion leisten kann. Denn ein allfälliger Änderungsvorschlag oder die Beibehaltung der Höhe der Mindestquote birgt viel politischen Zündstoff.

Transparenz


Im Bereich der beruflichen Vorsorge ist der Grundsatz der Transparenz in Artikel 65a BVG festgelegt. Das VAG und die AVO übernehmen dieses Prinzip und präzisieren es für die Lebensversicherer. Namentlich müssen die Versicherer den Versicherten die Betriebsrechnung und die Angaben zur Ermittlung der Überschusszuweisung und -zuteilung zur Verfügung stellen. Die Finma publiziert zudem jährlich den Offenlegungsbericht, mit dem die Ergebnisse der Betriebsrechnungen den interessierten Kreisen zugänglich gemacht werden. Das Zielpublikum dieses sehr guten und informativen Berichts sind in erster Linie die Versicherungsunternehmen oder die Fachjournalisten. Damit auch die Versicherten leichter Zugang zu den Informationen erhalten, sind neu geeignete Vereinfachungen in der Darstellung im Offenlegungsbericht vorgesehen. Darüber hinaus soll bei vergleichbaren Situationen in der autonomen Welt – wie offene Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen mit verschiedenen, unabhängigen Arbeitgebern – eine analoge Berichterstattung erfolgen. Dies erhöht die Vergleichbarkeit der Resultate über den gesamten Markt und leistet einen weiteren Beitrag zur Erhöhung der Transparenz. Das gleiche Ziel verfolgt die vorgesehene Untersuchung zu den Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten in der Kollektivlebensversicherung.

Quersubventionierungen


Aus Gründen der Transparenz muss in der Betriebsrechnung die Prämie in einen Spar-, einen Risiko- und einen Kostenteil aufgeschlüsselt werden. Unter der Berücksichtigung von Solvenzaspekten und des Vorsichtsprinzips sollte grundsätzlich jeder diese Prämienteile ausgeglichen sein. Der Risikoanteil weist aber in den letzten sieben Jahren regelmässig einen grossen Überschuss aus, welcher zum Teil für die Quersubventionierung des Sparprozesses verwendet wurde. Solche Quersubventionierungen führen zu Intransparenzen, welche die Offenlegung der Prämienteile eigentlich vermeiden will. Ziel der kommenden Arbeiten muss es deshalb sein, ein Instrumentarium für die Versicherer zu schaffen, damit der notwendige Mittelbedarf transparent auf die Prämienzahler überwälzt werden kann und Quersubventionierungen somit nur noch in Ausnahmefällen vorkommen. Es gilt nun die Vernehmlassungsvorlage abzuwarten, um sich ein erstes vollständiges Bild von den Reformen in der beruflichen Vorsorge machen zu können.

Zitiervorschlag: Marcel Wendelspiess (2013). Vertrauen in die Lebensversicherungen in der 2. Säule stärken. Die Volkswirtschaft, 01. September.