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Private Finanzierung von Innovationen

Vor allem kleinere Unternehmen stossen bei der Suche nach Finanzierungslösungen für ihre Innovationsvorhaben schnell an Grenzen. Eine Reihe von Initiativen haben sich diesem Problem angenommen und bieten Unterstützung auf verschiedenen Ebenen. Zwei solche in der Westschweiz beheimatete Organisationen schildern aus ihrer Sicht, welches die neuralgischen Punkte bei der Finanzierung von Innovationsvorhaben sind. Im Artikel kommt auch ein Firmenchef zu Wort, der mitten in einem Innovationsprozess steht.

Foto: Keystone


Die beiden Westschweizer Organisationen Platinn und Capitalproximité engagieren sich bei der Planung, Umsetzung und Finanzierung von Innovationsvorhaben (siehe Kasten 1

Zwei Westschweizer Initiativen zur Innovationsförderung


Platinn a unterstützt Jungunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in ihren Geschäftsinnovationsvorhaben. Damit soll deren Innovationskapazität und Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Die Unterstützung erfolgt durch ein Netzwerk akkreditierter Coaches. Platinn ist als privatrechtlicher Verein konstituiert Mitglieder sind die sechs Trägerkantone Freiburg, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura.

Capitalproximité b ist eine Matchingplattform, welche Unternehmen auf der Suche nach Kapital zur Finanzierung von Expansions- oder Transformationsvorhaben mit potenziellen Investoren zusammenbringen will. Die Ausrichtung ist vor allem regional und lokal, um den engen Bezug der Aktivitäten zum lokalen Wirtschaftsgeflecht zu gewährleisten. Capitalproximité ist eine Initiative der Kantone Freiburg, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura und wird ebenfalls vom Seco unterstützt.

a http://www.platinn.ch.

b http://www.capitalproximite.ch.

). Seit 2009 haben über 750 Unternehmen entsprechende Dienstleistungen in Anspruch genommen. Knapp 90% der Innovationsträger sind Mikrounternehmen und Kleinunternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden. Deren Probleme, Lösungsansätze und Engpässe variieren systematisch über die verschiedenen Phasen der Innovationsentwicklung hinweg. Die Finanzierung spielt in dieser Dynamik eine besondere Rolle.

Kleine Unternehmen tun sich besonders schwer


Eine Analyse der Innovationstätigkeiten von 279 Westschweizer Unternehmen
Quelle: RIS-II, Platinn (2012), http://www.platinn.ch, Strategische Projekte. weist darauf hin, dass etwa 12% der Firmen bei der Innovationsfinanzierung einen bedeutenden Handlungsbedarf sehen. Es besteht ein enger Zusammenhang mit der Unternehmensgrösse. Grössere Unternehmen nennen Finanzierungsaspekte eher selten (ca. 3%) als kritisch für deren Innovationsvorhaben. Der Anteil steigt bei Kleinunternehmen auf 8% und erreicht bei Mikrounternehmen 13%. Die Umsetzung von Innovationsvorhaben bei Mikro- und Kleinunternehmen hängt somit sehr viel stärker vom Zugang zu Kapital und Finanzierungsmitteln ab, als jene von grösseren Unternehmen.Gerade kleinere Firmen mit vergleichbar hohem Finanzierungsbedarf tun sich schwer bei der Suche von Finanzierungslösungen. 67% der Kleinunternehmen mit Finanzierungsbedarf sehen sich diesbezüglich mit grossen Schwierigkeiten konfrontiert. Bei Mikrounternehmen wächst dieser Anteil auf 78%. Dies bedeutet, dass drei Viertel jener Mikrounternehmen, für welche die Innovationsfinanzierung ein wichtiges Thema ist, bei der Mittelbeschaffung anstehen oder zumindest grosse Probleme bekunden. Die Ergebnisse weisen somit auf eine akute Problematik der Innovationsfinanzierung von kleineren Firmen mit hohem Innovationspotenzial hin. Volkswirtschaftlich wiegt diese Situation umso schwerer, als sich auch grössere Firmen in ihrer Open-Innovation-Strategie mehr und mehr auf die Innovationskraft von kleineren Firmen abstützen.Die Finanzierungsproblematik ist nicht der einzige und schon gar nicht der dominante Innovationsengpass bei jungen und kleineren Unternehmen. Kleinere Firmen haben wesentlich mehr kritische Baustellen in ihren Innovationsvorhaben als grössere Firmen. Diese Schwachstellen sind besonders ausgeprägt in den Bereichen Strategie, Marktkenntnisse, Organisation, Qualifikation, Innovationsentwicklung und Partnerschaften. Mehr als die Hälfte der Mikro- und Kleinunternehmen geben an, dass sie unzureichend vorbereitet sind auf diese Problemstellungen. Zusätzliche Herausforderungen stellen sich beim Übergang zwischen den einzelnen Innovationsphasen. Jungfirmen stossen vor allem beim Aufbau von Marktbeziehungen und bei der Konzeption von marktfähigen Angeboten an Grenzen. Bei technologiebasierten Firmen ist diese Problematik besonders ausgeprägt. Jene Unternehmen, welche den Übergang in die Industrialisierungs- und später in die Expansionsphase anstreben, sind regelmässig mit Problemen in der Distribution, bei Geschäftsmodellen sowie in der Prozess- und Organisationsentwicklung konfrontiert. Die Finanzierungsproblematik darf daher nicht isoliert betrachtet werden. Sie ist Teil und teilweise Konsequenz dieser Schwachstellen.

Verändertes Investitionsverhalten


Die Häufung von kritischen Baustellen, welche das Managementteam in vielen Fällen überfordern, erhöht naturgemäss die Risiken von Investitionen. Das «Schöntünchen» dieser Komplexität mit modellbasierten Geschäftsplänen – inklusive deren exponentiellen Verkaufs- und Ertragskurven – hat bei Investoren stark an Glaubwürdigkeit eingebüsst. Viele private Investoren, welche unter diesen Prämissen investierten, erfahren heute die Realität eines Innovationsverlaufs, der nur schrittweise und mit vielen Rückschlägen zum Erfolg führt. Konsequenterweise wird ein Exit aus ihrer Investition schwierig und dauert vor allem viel länger. Es scheint, dass private und institutionelle Investoren auf diese Erfahrung reagieren und Investitionsoptionen in frühen Innovationsphasen zunehmend kritisch bewerten.Diese Verhaltensänderung im Umfeld von Venture Capital oder Business Angels widerspiegelt sich auch in den Erfahrungen von Capitalproximité. 54% der 145 Unternehmen, welche die Matchingplattform nutzen, suchen Investoren für die Finanzierung der ersten Innovationsphasen. Seitens der 167 Investoren zeigen demgegenüber nur 16% Interesse an diesen Phasen. Aber auch bei ihnen steigt die Vorsicht. So sank der durchschnittliche Investitionsbetrag von 300 000 Franken im Jahr 2010 auf 200 000 Franken im Jahr 2012. Im gleichen Zeitraum verlängerte sich die Verhandlungsdauer zwischen Unternehmen und Investor von 4,5 auf 6,5 Monate.

Neue Finanzierungsstrategien


In frühen Innovationsphasen müssen kleinere Unternehmen daher neue Finanzierungstrategien verfolgen. Ein Weg, der sich abzeichnet, ist die vernetzte Co-Finanzierung von Innovationsvorhaben mit Schlüsselpartnern entlang der Wertschöpfungskette. Mit Ausnahme gewisser Life-Science-Vorhaben ist diese Tendenz in den meisten Sektoren erkennbar. Pilotkunden, Lieferanten, Erstausrüster, Distributoren, Entwicklungspartner usw. bilden dabei eine Art Ökosystem und engagieren sich gemeinsam für das Gelingen des Innovationsvorhabens. Sie tun dies sowohl mit Arbeits- und Sachbeiträgen als auch in Form von finanziellen Investitionen (Smart Money). Die Kooperationsformen reichen von Projekten bis hin zu Joint Ventures. Wo sinnvoll und möglich, werden lokale, nationale oder internationale Mittel der öffentlichen Innovationsfinanzierung eingebunden. Allerdings beschränken sich solche Finanzierungslösungen auf die Phasen bis hin zur Pilotanwendung oder Vorindustrialisierung. Ab dann jedoch stehen in der Regel grössere Investitionen an. Die Grössenordnung von 1 Mio. Franken für Vorserie und Industrialisierung wird in vielen Vorhaben erreicht.

Strukturproblem in der Industrialisierungsphase


Viele Unternehmen, welche die ersten Hürden erfolgreich überwunden haben, stehen an diesem Punkt an. Die bisherigen Finanzierungsinstrumente reichen nicht mehr aus, und viele der privaten Investoren haben sich in die späteren und weniger risikobehafteten Innovationsphasen zurückgezogen. Erschwerend kommt dazu, dass die öffentlichen Innovationsförderinstrumente, welche grossmehrheitlich die Forschung ins Zentrum stellen, in dieser Phase kaum mehr zum Tragen kommen. Hier zeichnet sich tatsächlich ein Strukturproblem der Innovationsfinanzierung ab. Dabei steht sehr viel Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotenzial auf dem Spiel. Getätigte Investitionen in Forschung und Entwicklung, Prototypen, Demonstrationsanlagen und Pilotanwendungen riskieren, obsolet zu werden.Eine Innovationspolitik, welche nebst der Forschung auch neue Wertschöpfung mit entsprechenden Arbeitsplätzen zum Ziel hat, muss sich dieser Problematik annehmen. Die Hürde der Industrialisierungsfinanzierung ist für Mikro- und Kleinfirmen zu hoch. Gewisse Schritte in diese Richtung sind bei Kreditbürgschaften seitens der Kantone erkennbar. Zu überlegen wäre die Schaffung eines «Industrialisierungsfonds», welcher eine möglichst hohe Multiplikatorwirkung bei privaten Investoren zur Folge haben müsste.Diese differenzierte Einschätzung der privaten Innovationsfinanzierung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor Kapital für Innovationsvorhaben fliesst. Die von Platinn unterstützten Unternehmen hatten im Jahre 2012 einen Mittelzufluss im Umfang von 57,7 Mio. Franken. Davon stammen 75% aus privaten, 19% aus öffentlichen und 6% aus privat-öffentlichen Quellen. Der Finanzierungsmix dieser Unternehmen unterstreicht die relativ hohe Bedeutung öffentlicher und öffentlich-privater Finanzierungsquellen für Innovationsvorhaben. Er weist zudem auf einen bedeutenden Multiplikatoreffekt bei privaten Finanzierungsmitteln hin.

Grafik 1: «Je kleiner das Unternehmen, desto akuter die Finanzierungsproblematik»

Kasten 1: Zwei Westschweizer Initiativen zur Innovationsförderung

Zwei Westschweizer Initiativen zur Innovationsförderung


Platinn a unterstützt Jungunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in ihren Geschäftsinnovationsvorhaben. Damit soll deren Innovationskapazität und Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Die Unterstützung erfolgt durch ein Netzwerk akkreditierter Coaches. Platinn ist als privatrechtlicher Verein konstituiert Mitglieder sind die sechs Trägerkantone Freiburg, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura.

Capitalproximité b ist eine Matchingplattform, welche Unternehmen auf der Suche nach Kapital zur Finanzierung von Expansions- oder Transformationsvorhaben mit potenziellen Investoren zusammenbringen will. Die Ausrichtung ist vor allem regional und lokal, um den engen Bezug der Aktivitäten zum lokalen Wirtschaftsgeflecht zu gewährleisten. Capitalproximité ist eine Initiative der Kantone Freiburg, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura und wird ebenfalls vom Seco unterstützt.

a http://www.platinn.ch.

b http://www.capitalproximite.ch.

Kasten 2: «Ohne interne Vorfinanzierung wäre es bei einer Schubladenidee geblieben»

«Ohne interne Vorfinanzierung wäre es bei einer Schubladenidee geblieben»


Michael Schrag ist Gründer und Inhaber der Firma Cadese. Als interdisziplinärer Leistungserbringer für innovative Produktentwicklung und deren Umsetzung ist die Firma seit bald sieben Jahren erfolgreich am Markt. Das stetige Wachstum in kleinen Schritten erfolgte bisher aus eigener Kraft und ohne Finanzierungshilfen. In den letzten Jahren hat die Firma u.a. an einer eigenen Produktentwicklung gearbeitet.

C. Meier: Wie weit ist das Innovationsvorhaben?

M. Schrag: Die Entwicklung läuft seit bald drei Jahren. Wir haben bisher ein Funktionsmuster und zwei Prototypen aufgebaut und basierend darauf ein internationales Patent (PCT) angemeldet. Wir haben in dieser ersten Phase viel Wert auf die Erfassung und Einschätzung der Kundenbedürfnisse gelegt. Es war mir persönlich sehr wichtig, dass die technische Umsetzung und Machbarkeit zu 100% nachgewiesen ist, bevor wir uns im Detail mit dem Geschäftsmodell beschäftigen.

C. Meier: Wie wurde die bisherige Entwicklung finanziert?

M. Schrag: Bisher wurde das Projekt von der Firma Cadese vorfinanziert. Da die Firma mir gehört, habe ich keine Zeit verloren, um eine Drittfinanzierung auf die Beine zu stellen. Dies wäre auch kaum möglich gewesen. Ohne den technischen Nachweis in Form der Prototypen hätte uns kaum jemand unterstützt. Ohne Möglichkeit der internen Vorfinanzierung wäre es wohl bei einer Schubladenidee geblieben.

C. Meier: Was ist die nächste Etappe und wie hoch ist der Finanzbedarf?

M. Schrag: Es geht nun um die Industrialisierung und den Aufbau vom gesamten Geschäftsmodell. Bis zur Lancierung rechne ich mit einem zusätzlichen Kapitalbedarf von etwa 1 Mio. Franken. Mindestens ²⁄³ davon müssen durch Drittmittel sichergestellt werden. Ich werde jetzt so schnell wie möglich ein Spin-off gründen. Um das Vorhaben umzusetzen brauchen wir nicht nur Geld, sondern auch kompetente Konsortialpartner aus den betroffenen Märkten. So werden wir in der Lage sein, schneller und gleichzeitig risikominimierter voran zu kommen. Dies auf die Beine zu stellen, bedeutet viel Aufwand. Persönlich ist es natürlich eine Herausforderung, die notwendige Zeit aufzubringen, ohne dabei das bestehende Geschäft zu vernachlässigen.

Zitiervorschlag: Christoph Meier, Pierre Bordry, (2013). Private Finanzierung von Innovationen. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.