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Der Beitrag der Forschung zu vernetzten Energiesystemen

Der Bundesrat hat die Botschaft zur Energiestrategie 2050 verabschiedet und darin ein umfangreiches Paket von Massnahmen vorgeschlagen, um die Ziele hinsichtlich Endenergie und Elektrizitätsverbrauch gemäss dem mittleren Szenario «Politische Massnahmen» zu erreichen. Dem Thema der Energiespeicherung ist darin ein vergleichsweise kurzer Abschnitt gewidmet. Das Faktenblatt hält fest: «Die Entwicklung von Energiespeichern wird durch verstärkte Forschung und durch die Anreizwirkung der Vergütung von steuerbarer Produktion gefördert.» Worin besteht der Beitrag der Forschung zur Erreichung dieser Ziele?
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Im Prozess der Methanisierung, die in Anlagen wie der abgebildeten stattfindet, wird CO2 mit Wasserstoff zu Methan umgesetzt, das nach geeigneter Konditionierung ins Erdgasnetz eingespeist werden kann.  PSI


Strom macht gegenwärtig rund 25% des Endenergieverbrauchs der Schweiz aus. Während die Diskussion auf zukünftige Optionen der Elektrizitätsbereitstellung fokussiert, wird mit Recht darauf hingewiesen, dass 65% der Endenergie in Form von fossilen Brenn- und Treibstoffen bezogen wird. Deren Einsatz gilt es nicht nur im Hinblick auf die energiebezogenen, sondern insbesondere für die Erreichung der Klimaschutzziele zu reduzieren. Nur rund 2% der Energie wird als Fernwärme bezogen. Das ist charakteristisch für die geringe Verfügbarkeit von Wärmenetzen. Unser sehr zuverlässiges Stromnetz, das Gasnetz, die Verteilinfrastruktur für Treibstoffe und die wenigen Wärmenetze werden unabhängig voneinander betrieben und entwickelt. Dabei liegt gerade in der Vernetzung der Systeme für die Verteilung von Elektrizität, flüssigen und gasförmigen chemischen Energieträgern sowie Wärme und Kühlflüssigkeiten eine grosse Chance, die ambitiösen Ziele der Energiestrategie in Anbetracht des erhofften Wirtschaftswachstums und des erwarteten Bevölkerungswachstums zu erreichen.Die zweite grosse Herausforderung ist die Speicherung der fluktuierenden und nur unvollständig prognostizierbaren Einspeisung von Strom aus Photovoltaik und Windenergie. Es fehlt an geeigneten Optionen, deren Zeitskala sich von Sekunden bis zur saisonalen Speicherung über mehrere Monate erstreckt. Für die Frequenzstabilisierung – die sogenannte primäre und sekundäre Regelung – muss moderne Leistungselektronik zum Einsatz kommen. Bei der tertiären Regelung mit einer Antwortzeit von 15 Minuten werden die Kapazitätsmärkte eine wichtige Rolle zu spielen haben – in den Versorgungsgebieten deutscher Netzbetreiber wurden Änderungen der eingespeisten Leistung aus Windturbinen von bis zu 8000 Megawatt innerhalb einer Stunde registriert.

Trumpfkarte Pumpspeicherwerke


Die am wenigsten wünschbare Kapazitätsreserve sind fossile Kraftwerke, die mit schlechtem Wirkungsgrad bei wenigen Prozent ihrer Nennleistung im Standby betrieben werden. Mit ihren Pumpspeicherkraftwerken verfügt die Schweiz hier über eine alternative Trumpfkarte, deren Ausbau unbedingt vorangetrieben werden sollte. Es müssen Mechanismen gefunden werden, um die Sicherheit und Rentabilität dieser grossen und langfristigen Investitionen sicherzustellen.Die Pumpspeicherung erfolgt überregional mit Elektrizitätsübertragung auf der höchsten oder zweithöchsten Spannungsebene. In einem System mit einer grossen Zahl kleiner, dezentraler Produzenten ist es wünschenswert, Speicheroptionen auch auf der Verteilnetzebene vorzusehen, um die Regelbarkeit des Gesamtsystems zu erleichtern und Verluste durch mehrfache Spannungstransformation zu vermeiden. Mit dem Zeithorizont des Ausgleichs zwischen Tag und Nacht, also zwischen Zeiten hoher und niedriger Last im Netz, richtet sich die Hoffnung auf Fortschritte der Forschung bei stationären Batteriesystemen, wo weniger die Energiedichte als die Zyklenfestigkeit und die Kosten pro Speicherkapazität relevant sind. Eine Reihe innovativer Ansätze, die von Redox-Flussbatterien bis zu Flüssigmetallbatterien reichen, werden an den Forschungsinstitutionen der Schweiz als Alternative zu den festen Elektrodenmaterialien untersucht.

Kopplung von Elektrizität und Wärme


Die folgenden Abschnitte en auf die notwendige Kopplung zwischen den Netzen der verschiedenen Energieträger. Eine erste Möglichkeit der Koordination zwischen den Energieträgern Strom und Wärme ist die in der Praxis noch wenig genutzte Wärmespeicherung. So kann eine mit Biomasse betriebene Wärme-Kraft-Koppelungsanlage Strom nach Bedarf produzieren und die Wärme in einem Speicher deponieren. Umgekehrt werden zu Zeiten hoher Elektrizitätseinspeisung und niedrigen Verbrauchs bevorzugt Wärmepumpen betrieben oder grosse Kühlzentren in ihrer Temperatur tiefer abgesenkt, um dadurch zum Peak Shaving beizutragen. Eine entsprechende Pilotanlage wurde kürzlich in Betrieb genommen. Als physikalische Speicher bieten sich – neben Wassertanks und Sorptionssystemen, an denen die Empa arbeitet – für grössere Überbauungen vor allem Erdsondenfelder an, in welchen Wärme im Erdreich deponiert und mittels Wärmepumpen wieder entnommen werden kann. Sie sind in einem Klima mit steigenden Temperaturen zusätzlich für die Kühlung nützlich. Im Energieversorgungssystem des Science City Campus der ETH Zürich wird ein solcher Speicherring aufgebaut.

Energiespeicherung mit Wasserstoff und Sauerstoff…


Die zweite innovative Kopplung ist jene zwischen Elektrizität und chemischen Energieträgern, welche den grossen Vorteil der Speicher- und Lagerfähigkeit aufweisen. Durch Elektrolyse wird mit Strom aus Photovoltaik oder Windkraftwerken Wasserstoff und Sauerstoff produziert, welche als Gase gespeichert und bei Bedarf wieder elektrifiziert werden können. Das Paul Scherrer Institut (PSI) arbeitet an Elektrolyseuren der zweiten Generation, welche leistungsmässig für dezentrale Anwendungen optimiert sind, dank neuer Elektrodenmaterialien kostengünstiger produziert werden können und die Gase Wasserstoff und Sauerstoff in komprimierter Form erzeugen. In Kombination mit den hier entwickelten Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzellensystemen lassen sich Roundtrip-Wirkungsgrade von über 50% erreichen. Das bedeutet, dass die Hälfte der ursprünglich produzierten Elektrizität auf Abruf im Netz wieder zur Verfügung steht. Diese Option erlaubt eine Speicherung über mehrere Monate und ergänzt die effiziente Pumpspeicherung sinnvoll hinsichtlich der Zeitskala und der Kapazität.

…oder im Erdgasnetz


In einer Periode, in welcher die Infrastruktur zur Handhabung und Verteilung von Wasserstoff noch nicht aufgebaut ist, bietet das Konzept Power to Gas eine interessante Alternative. Der mittels Elektrolyse produzierte Wasserstoff wird mit CO2 zu Methan umgesetzt und dieses nach geeigneter Konditionierung ins Erdgasnetz eingespeist. Das grosse Volumen des verlegten Röhrensystems ermöglicht die Speicherung über mehrere Monate und die Entnahme des regenerativen Gases für Wärme-Kraft-Koppelungsanlagen oder allenfalls als Teilstrom für Gas-Kombikraftwerke. Forschungsplattformen und Pilotanlagen, welche dieses Konzept demonstrieren und weiterentwickeln, entstehen am PSI in Zusammenarbeit mit industriellen Partnern. Die Methanisierung stellt zudem eine der wenigen Möglichkeiten der «Nutzung» von CO2 in grösserem Massstab dar (siehe Kasten 1)

Methanisierung – eine Möglichkeit der Nutzung von CO2


Unter den Massnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstosses wird neben der Vermeidung (Mitigation) und der geologischen Lagerung (Carbon Capture and Storage, CCS) neuerdings auch die Nutzung (Utilization, CCSU) diskutiert. Analysiert man global gesehen die Möglichkeiten der Nutzung, so kommt man schnell zum Schluss, dass die Synthese von Chemikalien – selbst bei optimistischsten Annahmen – nur einen Bruchteil (weniger als 10%) des emittierten CO2 binden könnte.

Einzig der Energiesektor könnte in der tertiären Erdölförderung und in der Synthese von Brenn- und Treibstoffen grössere CO2-Ströme umsetzen und verwerten. In der Schweiz könnte diese Option zur Diskussion kommen, falls im Energiesystem Gaskraftwerke benötigt werden und die Emissionen im Inland kompensiert werden sollen. Die Option Power to Gas und die Technologie der Methanisierung in der Forschung voranzutreiben, ist also auch unter diesem Aspekt unbedingt empfehlenswert.

Kopplung zwischen Haushalten, Prozessen und Mobilität


Eine neue Dimension der Speicherung erschliesst sich, wenn wir die Sektoren gemeinsam mit der Mobilität betrachten. Mit geeigneten Ladealgorithmen kann Überschusselektrizität in Elektro- oder Plug-in-Hybridfahrzeugen gespeichert werden. Dazu laufen Pilotversuche in verschiedenen Schweizer Städten und Gemeinden.Mit der beschriebenen Umwandlung der intermittierenden regenerativen Elektrizität in Wasserstoff und Methan eröffnet sich eine neue Dimension der Nutzung von erneuerbaren Energien in der Mobilität. Der Verkauf von Gasfahrzeugen stagnierte in Europa – mit Ausnahme weniger Länder – auf niedrigen Stückzahlen, könnte aber aufgrund der Schiefergas-Revolution in den USA neuen Aufschwung gewinnen; und mit der Verfügbarkeit von regenerativem Gas aus Elektrolyse und Methanisierung eröffnet sich eine Möglichkeit zur Substitution von fossilem Treibstoff. Die Empa untersucht alternativ dazu die Nutzung einer Bemischung von Wasserstoff zum Methan (Hythan). Ziel ist es, die Effizienz von Gas-Hybridantrieben nochmals zu steigern und die CO2-Emissionen weiter zu senken. Schliesslich wird in den Entwicklungsabteilungen der Fahrzeugkonzerne – in enger Zusammenarbeit mit Forschungslabors wie denjenigen des PSI – intensiv die Markteinführung von serientauglichen Brennstoffzellen-Hybridfahrzeugen vorbereitet.

Das energetisch selbstregulierende Quartier


Die Kombination der genannten Optionen gipfelt in der Vision eines Quartiers, welches seine Energieflüsse auf der lokalen Ebene selbständig verwaltet und optimiert. Als erster Schritt wird die Lastaufnahme durch aktives Management so weit wie möglich an das Profil der verfügbaren Leistung aus der lokalen regenerativen Erzeugung angepasst. Die zentrale Energiedrehscheibe kontrolliert nicht nur das Elektrizitätsverteilnetz, das Wärmenetz, die Kühlmittelverteilung und das Gasnetz, sondern verfügt auch über die Wandler zwischen den Energiespeichern. Wärme- und Kältespeicher, stationäre Batterien und Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Elektrolyseure, Methanisierungsanlagen und Tankstellen für Wasserstoff sowie Methan/Hythan sind installiert. Bei Gemeinden im ländlichen Umfeld wird die regionale Biomassenutzung in verschiedenen Varianten in das Konzept einbezogen. Die Institutionen des ETH-Bereichs stehen mit mehreren Schweizer Städten und Gemeinden im Kontakt, um Elemente dieser Vision in die Stadtplanung aufzunehmen und schrittweise zu realisieren.All diese Steuerungsaufgaben benötigen innovative elektronische Komponenten, welche sich durch geringen Eigenenergieverbrauch und tiefe Kosten auszeichnen. Bei den zentralen Schalteinheiten sowie auf den höheren Netzebenen kommt moderne Leistungselektronik zum Einsatz. Es erübrigt sich zu ergänzen, dass der Informations- und Kommunikationstechnologie und der Regelungstechnik bei der Realisierung eine essenzielle Bedeutung zukommt. Diesen Aufgaben sollen im Rahmen des Energieforschungs-Kompetenzzentrums «Netze» intensive Forschungsanstrengungen gewidmet werden.

Der Weg in die gesellschaftliche Realität


Einige kürzlich abgeschlossene, umfangreiche Feldversuche mit Smart Metering haben interessante Einsichten gebracht. Die Visualisierung des eigenen Verbrauchs resultierte bei den teilnehmenden – mutmasslich für das Konzept aufgeschlossenen – Haushaltungen in einer Stromeinsparung von 1%–2%. Eine Wirkung des sozialen Vergleichs oder der Stromberatung konnte noch nicht signifikant erhärtet werden. Der Weg über Verordnungen erscheint in einem freiheitlichen Gesellschaftssystem schwierig. Wie kann man sich unter diesen Umständen die Transformation einer ganzen Gemeinde, einer kleinen Stadt oder eines Quartiers zur energetisch selbstregulierenden Einheit vorstellen?Hier mag ein Vergleich mit der Informations- und Kommunikationstechnik hilfreich sein. Der grosse Durchbruch der «intelligenten» Mobiltelefonie und der privaten Computernutzung beruht auf der Fähigkeit der Endgeräte, über drahtlose Kommunikation die Möglichkeiten der Vernetzung mit anderen Einheiten quasi selbständig zu identifizieren und aufzubauen. Diese «bessere» Lösung setzte sich auf dem Markt ohne die Notwendigkeit einer Förderung durch und verdrängte mehrere ältere Technologien. Zugegebenermassen arbeitet der Energiesektor mit (teilweise viel) längeren Zeitskalen und wesentlich höheren, langfristigen Investitionen. Trotzdem ist zu erwarten, dass sich die vernetzte Einbindung in das Energiesystem dann durchsetzen wird, wenn sie sich für ihn eindeutig als die überlegene, günstigere Lösung darstellt und seitens der Versorger als Standardlösung angeboten wird.

Grundlagen schaffen für eine Gesamtsicht des Energiesystems


Die Gesamtsicht auf das Energiesystem mit seinen vernetzten Elementen ist eine notwendige Voraussetzung für das Gelingen der «Energiestrategie 2050». Die Botschaft zur Energiestrategie stellt richtig fest, dass zur Erreichung dieser Ziele verstärkte Forschung erforderlich ist und gefördert werden soll. Die Forschenden greifen im Rahmen der Swiss Competence Centers for Energy Research, über welche diesen Herbst entschieden wird, die Herausforderung auf, damit dank koordinierter Energieforschung wesentliche Grundlagen für die Realisierung der Vision geschaffen werden können.

 

Zitiervorschlag: Wokaun, Alexander (2013). Der Beitrag der Forschung zu vernetzten Energiesystemen. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.

Kasten 1:

Methanisierung – eine Möglichkeit der Nutzung von CO2

Unter den Massnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstosses wird neben der Vermeidung (Mitigation) und der geologischen Lagerung (Carbon Capture and Storage, CCS) neuerdings auch die Nutzung (Utilization, CCSU) diskutiert. Analysiert man global gesehen die Möglichkeiten der Nutzung, so kommt man schnell zum Schluss, dass die Synthese von Chemikalien – selbst bei optimistischsten Annahmen – nur einen Bruchteil (weniger als 10%) des emittierten CO2 binden könnte.

Einzig der Energiesektor könnte in der tertiären Erdölförderung und in der Synthese von Brenn- und Treibstoffen grössere CO2-Ströme umsetzen und verwerten. In der Schweiz könnte diese Option zur Diskussion kommen, falls im Energiesystem Gaskraftwerke benötigt werden und die Emissionen im Inland kompensiert werden sollen. Die Option Power to Gas und die Technologie der Methanisierung in der Forschung voranzutreiben, ist also auch unter diesem Aspekt unbedingt empfehlenswert.