Der Immobilienboom in der Deutschschweiz ist ZZZ-getrieben: Es wirken die Zuwanderung, das Zinsniveau und der Sog von Zürich. Der Metropolitanraum Zürich, zu dem auch Zug gehört, hat an Attraktivität gewonnen. In der Westschweiz geht von Genf und Lausanne eine ähnliche Anziehung aus. Ein eigener Metropolitanraum bildet Basel. Das Gewicht der Metropolitanräume steigt. Diese Tendenz wird dadurch verstärkt, dass sich die neuen Zuwanderer in den grossen Arbeitsplatzzentren niederlassen. In den letzten Jahren wurde bei tiefen Zinsen massiv ins Wohnungsangebot dieser Räume investiert. Der Nachfrageüberhang konnte jedoch bislang nicht vollständig abgebaut werden.
Die skizzierte Entwicklung hin zu den Metropolitanräumen ist augenfällig. Gleichzeitig wird deutlich, wie stark segmentiert der Schweizer Immobilienmarkt ist. Diese Segmentierung hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Richtigerweise muss von den Schweizer Immobilienmärkten im Plural gesprochen werden, denn es gibt eine Vielzahl verschiedener Teilmärkte. Diese unterteilen sich nicht nur nach Regionen, sondern auch nach Lagen, nach Wohnungstypen und Eigentumsform sowie nach Ausbaustandard und Preissegment.
Abwanderung aus den Randregionen
Die Segmentierung des Schweizer Wohnungsmarktes zeigt sich besonders stark in Regionen, die nicht zu den Metropolitanräumen gehören. An ihnen ist die Preisentwicklung beinahe unbemerkt vorbeigegangen. Dies geht in der wohnungspolitischen Diskussion, die sich vorab auf die Boomregionen konzentriert, meist vergessen. Schon jetzt sind Immobilien in weiten Teilen des Jura, der Voralpen und im Alpenbogen nur schwer verkäuflich. Aber auch gewisse Regionen und Gemeinden des Schweizer Mittellands haben mit einem Bevölkerungsrückgang zu kämpfen. In einzelnen Gemeinden der Kantone Bern, Solothurn und Neuenburg gibt es Quartiere, die bis zu 10% Wohnungsleerstand aufweisen. Für die Vermieter sind Leerstände eine finanzielle Belastung. Es gibt Kreditinstitute, die in solchen Regionen keine Hypotheken gewähren wollen oder, falls sie sich doch von einem Bauprojekt überzeugen lassen, Risikozuschläge verlangen. Sind in einer Gemeinde verschiedene Liegenschaften von Leerständen betroffen, wird die Abwanderung zum Problem für die ganze Gemeinde. In manchem Dorfkern im ländlichen Raum verlottern Liegenschaften, weil sich eine Investition schlicht nicht rentiert.
Dezentrale Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur erhalten
Bei allen Unterschieden war und ist es ein Ziel der Schweizer Politik, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Landesregionen zu schaffen. Hierfür braucht es einen vernünftigen Interessenausgleich. Das hat aber nichts mit Gleichmacherei zu tun. Das Leben auf dem Land ist verschieden und soll sich von demjenigen in der Stadt unterscheiden. Gleichwertige Lebensverhältnisse heisst, dass in Stadt und Land eine der jeweiligen Grösse angemessene Versorgung besteht. Dazu gehören Schulen, Läden und Gesundheitseinrichtungen. Dazu gehört aber vor allem auch ein attraktives Angebot an Arbeitsplätzen und Wohnraum.
Zitiervorschlag: Gmuer, Ansgar (2013). Der Stadt-Land-Graben vertieft sich. Die Volkswirtschaft, 01. November.