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Schweizer Immobilienmärkte: Hohe Transparenz setzt hohe Kompetenz voraus

Seit der Immobilienkrise in den 1990er-Jahren hat sich die Transparenz auf den Märkten stark erhöht. Zahlreiche Indizes messen unterschiedliche Zustände und Befindlichkeiten. Diese Vielfalt scheint paradoxerweise die Sicht vieler Akteure zu beeinträchtigen. Durchblick auf den Märkten erhält aber nur, wer sich die differenzierten Aussagen der Indizes zu Nutze machen kann.

Die Entwicklung der Schweizer Immobilienpreise verlief in den letzten Jahren rasant. Angetrieben von einer hohen Zuwanderung und rekordtiefen Zinsen lag das nominale Preisniveau für Eigenheime Mitte dieses Jahres um 54% höher als vor zehn Jahren. Auch Renditeliegenschaften haben mit 47% kräftig zugelegt und nominal die Höchstwerte von 1990 überschritten. Mit der Attraktivität der Märkte stiegen auch die Bedürfnisse nach Messgrössen und Indikatoren. So gibt es heute Indizes, welche das Risiko einer Blasenbildung bewerten oder die Stimmung der Investoren messen. Seit einem Jahr können mit dem ImmoScout24 IAZI Immobilienindex die Wohneigentumsmärkte sogar in Echtzeit mitverfolgt werden, was weltweit einmalig ist.

Transparenz dank hedonischer Indizes


Die Transparenz auf den Schweizer Immobilienmärkten hat sich vor allem dank der hedonischen Preis- und Performance-Indizes stark verbessert. So erlauben z.B. die SWX IAZI Real Estate Indices die Wertentwicklung von Einfamilienhäusern, Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäusern rückwirkend bis 1981 exakt und unverzerrt aufzuzeigen. Zudem tragen sie der Unterschiedlichkeit der Objekte Rechnung .Im Gegensatz zur Schweizer Immobilienkrise von 1990 ist die Ausgangslage heute wesentlich komfortabler. Sowohl finanzierende Banken und Versicherungen als auch Investoren verfügen damit nicht nur über Daten, sondern auch über moderne Risiko- und Bewertungstools, um sich fortlaufend über die aktuelle Situation auf den Märkten zu informieren. Mehrere private Beratungsfirmen betreiben hierzulande Immobiliendatenpools und berechnen über zwanzig verschiedene Indizes mit unterschiedlichen statistischen Verfahren basierend auf mannigfachen Datenquellen. Umfassende Benchmarks liefern zudem detaillierte Daten für Renditeobjekte und deren Bewertungen. Online stehen Inseratedaten zu Preisen und Mieten als ergänzende Informationen zu den effektiven Transaktionsdaten zur Verfügung.Der Nutzen für die Praxis von statistisch genauen Immobilienindizes ist gross. So dienen hedonische Indizes nicht nur zur Analyse der Märkte als Basis für die Fortschreibung von Immobilienwerten und als Grundlage für die Berechnung von Kapitalgewinnen und Total Returns, sondern auch, um optimale Immobilien-Anteile im Rahmen einer Portfolio-Optimierung zu ermitteln und Korrelationen mit anderen Anlagekategorien zu berechnen. Mittelfristig werden sie auch die Basis für weitere derivative Produkte bilden.

Kein Objekt ist gleich wie das andere


Die Berechnung von Immobilienindizes ist im Vergleich zur Berechnung von Preis- und Performanceindizes für andere Anlageformen wie Aktien oder Obligationen komplex. Der Heterogenität der Immobilie muss Rechnung getragen werden. Keine Immobilie ist gleich wie die andere. Auch ist die Liquidität der Märkte relativ gering, die regionalen Unterschiede hingegen bedeutend. Bei der Konstruktion eines Indexes gilt es zudem eine Vielzahl von Vorentscheiden zu treffen, die primär durch die Verfügbarkeit und die Art der Daten bestimmt werden. Dazu zählen beispielsweise folgende Fragen:– Welchen Geltungsbereich soll der Index bezüglich Region und Objektkategorien haben?– Soll er die Preisentwicklung, den Netto-Cashflow-Return oder gar den Total Return messen?– Wie werden die Beobachtungen im Index gewichtet?– Welche Arten von Daten werden verwendet: Transaktionen, Inserate, Bewertungen?– Wie sieht die regionale Abdeckung aus?– Soll der Index nur bestehende Objekte oder auch Neubauten abdecken?– Wie gross muss die Stichprobe sein? Und messen wir pro Gebäude oder pro Kubikmeter?Die Antworten liefern hedonische Bewertungsmodelle, welche in der Lage sind, die beschriebene Komplexität aufzuschlüsseln.Transparenz ist Voraussetzung für fairen Handel auf den Immobilienmärkten. Doch hohe Transparenz setzt auch hohe Kompetenz der Akteure voraus. Gefordert ist ein erhöhtes Verständnis bezüglich der bestehenden Indizes und ihrer unterschiedlichen Aussagen.

Zitiervorschlag: Donato Scognamiglio (2013). Schweizer Immobilienmärkte: Hohe Transparenz setzt hohe Kompetenz voraus. Die Volkswirtschaft, 01. November.