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Alle Karten auf den Tisch legen

Der Verkehr in unserem Land wächst stetig. Dies liegt vor allem daran, dass Mobilität heute sehr günstig ist. Eine Besserung ist nur möglich, wenn wir alle Karten auf den Tisch legen und für mehr Kostenwahrheit sorgen – beginnend beim Strassenverkehr. Denn der Strassenverkehr verursacht externe Kosten in Milliardenhöhe, welche nicht durch die Verursachenden getragen werden. Besonders stark zu Buche schlagen Unfälle, Luftverschmutzung, Klimaschäden, Lärm sowie Schäden an Landschaft und Natur.

Die externen Kosten des Strassenverkehrs beliefen sich 2009 gemäss Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) auf 8,459 Mrd. Franken. Dass sie nicht in den Verkehrspreis einbezogen sind, wirkt sich in doppelter Hinsicht negativ aus. Zum einen muss jemand anderes als der autofahrende Konsument für diese ungedeckten Kosten aufkommen. Und das ist die Allgemeinheit. Was den Klimawandel und den Bodenverschleiss betrifft, belasten wir sogar künftige Generationen.

Zum anderen heizen zu billige Produkte die Nachfrage über Gebühr an. Die Folge ist ein übermässiger Konsum. Kein Wunder also, wenn die Schweizerinnen und Schweizer – alle Verkehrsträger zusammengerechnet – jährlich im Durchschnitt 20 500 Kilometer zurücklegen. Ob dies volkswirtschaftlich nützlich ist, kann man mit gutem Grund bezweifeln. Nachhaltig ist es ganz bestimmt nicht.

Eine Verkehrsabgabe für alle Strassenfahrzeuge


Eine CO2-Abgabe auf Treibstoffen wäre ein möglicher Weg, um mehr Kostenwahrheit zu schaffen und den Konsum in vertretbare Bahnen zu lenken. Denkbar wäre auch, die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) auf alle Strassenfahrzeuge auszuweiten. Beide Wege sind erfolgsversprechend: Die CO2-Abgabe auf Heizöl hatte zur Folge, dass die Emissionen aus Heizungen deutlich sanken. Die LSVA führte beim Güterverkehr auf der Strasse zu spürbaren Produktivitätssteigerungen.

Im Strassenverkehr deckt heute – dank der LSVA – einzig der Schwerverkehr seine externen Kosten. Die Schwerverkehrsabgabe erstreckt sich jedoch bloss auf jene Fahrzeuge, die mehr als 3,5 Tonnen wiegen. Autos, Kleinlaster, Motorräder oder Roller verursachen aber ebenfalls Lärm und Unfallkosten und belasten Umwelt sowie Klima. Eine «Leistungsabhängige Individualverkehrsabgabe (LIVA)» für den gesamten motorisierten Individualverkehr ist deshalb überfällig.

Mit mehr Kostenwahrheit gingen die Konsumentinnen und Konsumenten einen Autokauf rationaler an. Autofahrende erhielten einen Anreiz, unnötige Fahrten zu vermeiden und ihr Auto mit Carpooling besser auszulasten. Im Lieferverkehr würde es wieder interessanter, das Lager in der Nähe der Verkaufsstelle zu haben. Manche Boutiquen im städtischen Raum werden bis zu drei Mal täglich von «rollenden Lagerhäusern» beliefert. Der Strassenverkehr ginge dadurch spürbar zurück.

Weniger Verkehr hiesse weniger Unfälle, weniger Staus und eine geringere Belastung der Umwelt. Dies würde mehr Lebensqualität und geringere Kosten für die Volkswirtschaft bedeuten. Auch müssten weniger Steuergelder für die Beseitigung von Engpässen auf unseren Strassen eingesetzt werden. Diese könnten anders verwendet werden.

Erst die Strasse, dann die Bahn


Auch die Bahn verursacht externe Kosten. Diese lagen 2009 bei 494 Mio. Franken. Die elektrifizierte Schweizer Eisenbahn ist und bleibt der Strasse punkto Umweltverträglichkeit also bei weitem überlegen.

Es ist deshalb unverständlich, wenn der Strassenverkehr indirekt subventioniert wird, indem sich seine relevanten externen Kosten nicht im Preis fürs Autofahren niederschlagen. Doch hier blockt die bürgerliche Mehrheit im Parlament: Die Mineralölsteuer wurde seit 1993 nie mehr erhöht, der Mineralölsteuerzuschlag gar seit 1974. Das zuständige Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) stuft eine CO2-Abgabe auf Treibstoffen als derzeit politisch nicht durchsetzbar ein.

Demgegenüber können Preiserhöhungen bei der Bahn relativ einfach realisiert werden. Solange aber bei der Strasse nicht entscheidende Schritte in die richtige Richtung unternommen werden, besteht überhaupt kein Grund, bei der weitaus umweltgerechteren Bahn vorzupreschen. Eine zu teure Eisenbahn würde die Reisenden dazu animieren, wieder häufiger das Auto zu benutzen. Diese Rückverlagerung von der Schiene auf die Strasse wäre volkswirtschaftlich wie umweltpolitisch falsch.

Wenn von Vollkosten die Rede ist, sind Luft- und Schienenverkehr natürlich mitgemeint. Volkswirtschaftlich ist die flächendeckende Integration der externen Kosten bei allen Verkehrsträgern das einzig Richtige. Im Flugverkehr stösst man sich an den nationalen Regelungen. Dennoch besteht auch dort Handlungsbedarf.

Zitiervorschlag: Caroline Beglinger, Gerhard Tubandt, (2013). Alle Karten auf den Tisch legen. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.