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Wo die Herausforderungen des Strassenverkehrs liegen – und wie sie der Bund bewältigen will

Die Strasse ist ein Erfolgsprodukt. Es zeigt sich jedoch immer deutlicher, dass die bedarfsgerechte Entwicklung ohne wirkungsvolle Massnahmen schwierig sein wird. In Bezug auf Sicherheit und Verträglichkeit sind beachtliche Erfolge zu verzeichnen, während in Bezug auf Funktionalität, Verkehrsfluss und Finanzierung erheblicher Handlungsbedarf besteht.
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Rund 85% der in der Schweiz auf dem Land zurückgelegten Wege werden auf der Strasse abgewickelt. Seit dem Jahr 1990 hat sich die Verkehrsleistung auf dem gesamten, rund 70 000 km langen Strassennetz um etwa 20% erhöht. Während der Verkehr auf dem Gemeinde- und Kantonsstrassennetz leicht rückläufig war, verdoppelte er sich auf dem nur gut 1800 km langen Nationalstrassennetz. Im Jahre 2012 wurden schon 43% der Verkehrsleistung des gesamten Strassennetzes auf dem Nationalstrassennetz abgewickelt. Dessen Auslastung hat an vielen Orten die Kapazitätsgrenze erreicht, und die Verkehrsteilnehmenden stehen zunehmend im Stau. Die Verbesserung und bestmögliche Aufrechterhaltung des Verkehrsflusses ist für eine gute Entwicklung unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft essenziell und geniesst deshalb beim Bundesamt für Strassen (Astra) hohe Priorität.

Verkehrsfluss: Wirksamste Massnahmen sind zeitintensiv

Die stark wirksamen Massnahmen zur Verbesserung des Verkehrsflusses – namentlich Fahrstreifenergänzungen und neue Netzerweiterungselemente – weisen eine lange, meist mehr als 10 Jahre dauernde Vorbereitungs- und Realisierungszeit auf. Auch Pannenstreifenumnutzungen benötigen mehrere Jahre, bis sie Wirkung entfalten können. Sie sind allerdings ohnehin in den meisten Fällen nur eine Übergangslösung und kommen an vielen Orten aus baulichen Gründen gar nicht in Frage. Kurzfristiger umsetzbare Massnahmen – wie die Homogenisierung des Verkehrs mittels Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit oder Lastwagenüberholverbote – haben zwar eine gewisse Wirkung, lösen aber nicht die Ursache des Problems.

Die Nachfrage nach Strassenmobilität ist nicht zuletzt deshalb gewachsen, weil der Preis der Mobilität – und hier vor allem der Preis der Infrastrukturbenützung – im Vergleich zu den verfügbaren Einkommen gesunken ist. Es stellt sich angesichts der erwähnten Fakten deshalb die Frage, ob die Nachfrage nicht auch über die Preise beeinflusst werden sollte. Auch aus Gründen der absehbaren strukturellen Probleme bei der heutigen Verkehrsinfrastrukturfinanzierung hat der Bundesrat deshalb das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) beauftragt, als Entscheidungsgrundlage eine Konzeptstudie für Mobility Pricing auszuarbeiten.[1]

Verfügbarkeit: Ausweichmöglichkeiten fehlen zunehmend

Der Verkehr wird tendenziell immer direkter der Nationalstrasse zugeführt, um Siedlungen von Verkehr entlasten zu können. Ausreichende Kapazitäten vorausgesetzt, ist dies ein guter Trend, da die Nationalstrassen den Verkehr flüssiger, sicherer und verträglicher bewältigen können. Es ist aber auch festzustellen, dass im Falle von Überlastungen oder Störungen auf dem Nationalstrassennetz auf dem übrigen Netz kaum noch Ausweichmöglichkeiten und Alternativrouten vorhanden sind, da die übrigen Strassen nach erfolgter Entlastung oft zurückgebaut oder für andere Zwecke eingesetzt werden. Die Nationalstrasse muss deshalb zunehmend selber mit Überlastungen und Störungen fertig werden.

Sicherheit: Fortschritte, aber noch nicht am Ziel

Die bei der Strassenverkehrssicherheit erzielten Fortschritte sind beachtlich. Die Anzahl der im Strassenverkehr Getöteten konnte seit dem traurigen Höhepunkt Anfang der 1970er-Jahre auf rund einen Fünftel gesenkt werden, dies bei verdoppelter Verkehrsleistung. Das Risiko, auf der Strasse zu Tode zu kommen, konnte somit um Faktor 10 gesenkt werden. Allerdings sterben auf unseren Strassen jährlich immer noch mehr als 300 Menschen. Ein grosser Teil davon sind Fussgänger und Zweiradfahrende und somit Personen, welche im Verkehr schwach geschützt sind. Es sind weitere Anstrengungen nötig, um namentlich für diese Zielgruppen die Sicherheit weiter zu verbessern – auch aufgrund der Tatsache, dass der Trend nicht nur in die positive Richtung zeigt.

Verträglichkeit: Lärm- und CO2-Emissionen senken

Auch in Bezug auf die Schadstoffemissionen des Strassenverkehrs wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten grosse Fortschritte erzielt. Neue Strassenfahrzeuge, Personen- und Lastkraftwagen, stossen dank grosser Fortschritte bei den Verbrennungsmotoren kaum noch Schadstoffe aus. Die Durchdringung der Fahrzeugflotte mit sauberen Fahrzeugen geht relativ rasch, so dass diese Thematik an Bedeutung verliert. Allerdings kann nicht generell eine Entwarnung gegeben werden: Die Reduktion der Strassenlärmemissionen stellt trotz erheblicher laufender Anstrengungen zur Verbesserung des Lärmverhaltens von Fahrzeugen, Reifen und Belägen sowie zur Reduktion der Schallimmissionen durch Massnahmen auf dem Ausbreitungsweg eine enorme Herausforderung dar.

Zur Thematik Verträglichkeit gehört auch der Energieverbrauch. Ein grosser Teil des Energiebedarfs unserer Volkswirtschaft geht auf den Strassenverkehr zurück, und dies zudem fast ausschliesslich in Form von fossilen Treibstoffen. Aufgrund der Endlichkeit dieser Energieträger, der Abhängigkeiten von den Lieferanten dieser Primärenergie sowie der Notwendigkeit, den CO2-Ausstoss zu senken, sind grosse Anstrengungen nötig, um die Energieeffizienz des Strassenverkehrs zu verbessern und den Ausstoss von CO2 zu reduzieren.

Finanzierung: Wegfallende Einnahmen kompensieren

Dank zweckgebundener und mit steigender Fahrleistung zunehmender Einnahmen stand die Finanzierung der Strasseninfrastruktur bisher auf einer soliden Grundlage. Wohl nimmt die Fahrleistung noch weiter zu; die Energieeffizienz der Fahrzeuge wurde aber so verbessert, dass die spezifischen Verbräuche an fossiler Energie stark zurückgehen. Dieser Trend wird sich aufgrund der neuen Verbrauchsvorschriften in Zukunft noch verstärken. Als Folge davon sowie wegen der erwarteten Zunahme von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben ist damit zu rechnen, dass der Gesamtverbrauch an fossilen Treibstoffen deutlich zurückgehen wird. Parallel dazu werden die Einnahmen aus der Mineralölsteuer zurückgehen.

Der Bundesrat beabsichtigt, die Finanzierungslücke durch eine Kombination von mehreren Massnahmen zu schliessen, so dass die höhere finanzielle Belastung auf mehrere Schultern verteilt werden kann. Seine Hauptvariante sieht vor:

  • Erhöhung des Mineralölsteuerzuschlags von derzeit 30 auf neu 45 Rappen pro Liter Treibstoff (ab ca. 2017);– Zweckbindung eines Teils der Einnahmen aus der Automobilsteuer, welche heute in den allgemeinen Bundeshaushalt fliessen, für den geplanten Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF);
  • Einführung einer jährlichen Pauschalabgabe auf Fahrzeuge mit alternativen Antriebsmitteln wie z.B. Elektro-Automobile, welche heute von der Automobilsteuer befreit sind und keine zu den Mineralölsteuern auf Treibstoffen äquivalenten Abgaben bezahlen (ab ca. 2020);
  • Möglichkeit zur periodischen Anpassung der Steuertarife auf Treibstoffen an die Teuerungsentwicklung.

Neue Finanzarchitektur für die Strasse

Gleichzeitig beabsichtigt der Bundesrat, die heutige Finanzarchitektur (Spezialfinanzierung Strassenverkehr und Infrastrukturfonds) umzugestalten. Die heute auf zwei Rechnungen aufgeteilte Finanzierung der Nationalstrassen soll – in Analogie zum Bahninfrastrukturfonds – neu in einem einzigen unbefristeten Fonds zusammengefasst werden. Im NAF werden Betrieb, Unterhalt, Fertigstellung und Kapazitätsausbauten der Nationalstrassen zusammengeführt (siehe Grafik 1). Der neue Fonds ersetzt den heute befristeten Infrastrukturfonds und übernimmt auch dessen Aufgabe zur Finanzierung der Beiträge an die Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastrukturen in Städten und Agglomerationen. Dem Fonds sollen auf Verfassungsstufe mehrere Einnahmequellen direkt zugewiesen werden: Mineralölsteuerzuschlag, Nationalstrassenabgabe (Autobahnvignette), ein Teil der Automobilsteuer und die neu geplante pauschale Abgabe für Automobile mit alternativen Antriebsmitteln.

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  1. Vgl. dazu den Artikel von Sarah Bochud auf S. 14 f. in dieser Ausgabe. []

Zitiervorschlag: Dieterle, Rudolf (2013). Wo die Herausforderungen des Strassenverkehrs liegen – und wie sie der Bund bewältigen will. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.

Wie weiter nach der Ablehnung der Vignetten-Vorlage?

Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben am 24. November 2013 die Preiserhöhung bei der Autobahnvignette von 40 auf 100 Franken und die Schaffung einer Zwei-Monats-Vignette für 40 Franken mit einem Nein-Stimmen-Anteil von 60, 5% deutlich abgelehnt. Mit diesem Entscheid werden knapp 400 Kilometer Hauptstrassen nicht zum Bund transferiert, sondern bleiben bei den Kantonen.

Damit gilt unser Augenmerk jetzt dem vom Bundesrat vorgeschlagenen Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF). Der NAF muss klar von der Vignetten-Vorlage getrennt werden, wenngleich es hier ebenfalls um eine Finanzierungsvorlage geht. Wie im Hauptartikel dargelegt, hat die absehbare Finanzierungslücke in der Spezialfinanzierung Strassenverkehr strukturelle Gründe: Leicht steigenden Ausgaben stehen stark sinkendende Einnahmen gegenüber. Die NAF-Vorlage enthält eine neue Finanzarchitektur, bringt neue Einnahmen und enthält das strategische Entwicklungsprogramm Nationalstrassen.

Die grossen Verkehrsprobleme, die es zu lösen gilt, bestehen in den städtischen Agglomerationen mit ihren täglichen, kilometerlangen Staus. Die zweite Programmbotschaft für die Beseitigung der Engpässe auf dem Nationalstrassennetz dürfte im ersten Halbjahr 2014 vom Bundesrat ans Parlament verabschiedet werden. Mit dem NAF soll auch die Finanzierung der wichtigsten Engpassbeseitigungsprojekte sichergestellt werden.