Eisenbahninfrastruktur: Rollende Planung und langfristige Finanzierung als neue Ansätze
Mit der im Herbst 2010 eingereichten Volksinitiative «Für den öffentlichen Verkehr» wollten der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) und weitere Organisationen die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs mit zusätzlichen Mineralölsteuer-Mitteln sicherstellen. Dabei hätte es sich um Gelder gehandelt, welche heute dem Strassenverkehr zukommen. Hintergrund ist, dass die derzeitige Finanzierung nicht genügt, um in Zukunft einen sicheren und zuverlässigen Bahnbetrieb zu garantieren. Die notwendigen Ausbauten können nicht realisiert werden, da die Finanzierung des Bahnausbaus zeitlich befristet ist.[1]
Zwei Probleme liegen dieser Situation zugrunde:
- Der Substanzerhalt der technisch komplexen und intensiv genutzten Eisenbahninfrastruktur wird laufend teurer.
- Die Nachfrage im öffentlichen Verkehr ist in den vergangenen Jahren stärker als prognostiziert gestiegen.Damit stösst die Bahn an Kapazitätsgrenzen. Notwendig sind mehr und längere Züge, was zusätzliche Kapazitäten auf dem Schienennetz voraussetzt.
Der Bundesrat lehnte die Volksinitiative ab, da er die Finanzierungsprobleme des Verkehrsträgers Schiene nicht zulasten des Verkehrsträgers Strasse lösen will. Auch im Strassenverkehr werden sich die Finanzierungsprobleme zuspitzen. Deshalb beschloss der Bundesrat mit der Vorlage Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (Fabi) einen direkten Gegenentwurf zur Initiative. Dieser umfasst einerseits ein langfristiges Strategisches Entwicklungsprogramm Bahninfrastruktur (Step) mit einem ersten Ausbauschritt bis 2025. Andererseits wird mit einem neuen Bahninfrastrukturfonds (BIF) die Finanzierung von Betrieb, Substanzerhalt und Ausbau der Bahninfrastruktur sichergestellt.
Die Fabi-Vorlage wurde Anfang 2012 vom Bundesrat verabschiedet, vom Parlament beraten und 2013 mit grosser Mehrheit beschlossen. Die Volksinitiative wurde daraufhin im Sommer 2013 zurückgezogen. Die Volksabstimmung folgt am 9. Februar 2014.
Lösungen für die Zukunft
Die Fabi-Vorlage umfasst wichtige Weiterentwicklungen in mehreren Bereichen. Sie erfüllt den parlamentarischen Auftrag für eine Folge-Vorlage zur Weiterentwicklung des Bahnnetzes und umfasst Lösungsvorschläge für die langfristige Finanzierung der Bahninfrastruktur. Basis für die Vorlage ist ein Grundlagenbericht, den das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) sowie das Finanzdepartement (EFD) im Jahr 2010 in enger Zusammenarbeit erstellt haben. Dieser schlug die Schaffung eines Bahninfrastrukturfonds vor und bewertete zahlreiche mögliche Finanzierungsquellen.[2]
Auf dieser Basis konnten die grundsätzlichen Entscheide für die Fabi-Vorlage vorbereitet und getroffen werden. Auch wurden Vorarbeiten aus dem Projekt Bahn 2030 übernommen und zu einem strategischen Entwicklungsprogramm weiter entwickelt. Mit Fabi wird gegenüber früheren Vorlagen in verschiedener Hinsicht Neuland beschritten. In folgenden Bereichen richtet Fabi den Fokus neu aus.
Kapazität statt Geschwindigkeit
Während frühere Ausbauprojekte den Aspekt «höhere Geschwindigkeit» stark gewichteten, fehlt dieser im Ausbauschritt 2025 fast vollständig. Das Step setzt schwergewichtig auf den Kapazitätsausbau: lange Doppelstockzüge, Ausbau der Perronanlagen, gesicherte Trassen für den Güterverkehr. [3]Mit der Fabi-Vorlage soll die Standort-Attraktivität der Schweiz insgesamt verbessert werden. Deshalb hat die Kapazitätssteigerung gegenüber der Geschwindigkeitserhöhung Vorrang (siehe Kasten 1). Mit dem Ausbauschritt 2025 werden Kapazitätsengpässe des Personen- und Güterverkehrs beseitigt.[4]
Rollende Planung mit Ausbauschritten
Im Gegensatz zu früheren Ausbaukonzepten wird mit der Fabi-Vorlage ein etappiertes Vorgehen gewählt. Es ist nicht zweckmässig, Jahrzehnte vor Projektierung und Baubeginn Ausbauprojekte verpflichtend festzulegen. Selbstverständlich bleibt im Bereich der langlebigen Verkehrsinfrastrukturen Weitsicht notwendig. Dem wird mit der entwickelten Langfristperspektive für die Bahn Rechnung getragen. Das schrittweise Vorgehen hat den Vorteil, dass nur reife, aufeinander abgestimmte und finanzierbare Projekte ausgeführt werden.
Die Botschaft sah einen ersten Ausbauschritt 2025 im Umfang von 3,5 Mrd. Franken vor. Das Parlament hat das Paket aufgrund der Vielzahl an Engpässen im Netz auf 6,4 Mrd. Franken aufgestockt. Gleichzeitig setzte das Parlament Eckpunkte für den nächsten Ausbauschritt.
Fondsfinanzierung
Eine weitere Neuerung ist die Fondsfinanzierung: In Zukunft sollen alle Kosten – also auch jene für Betrieb und Substanzerhalt der Bahninfrastruktur – über einen unbefristeten Fonds finanziert werden. Sowohl die Mittel, die bisher über die Leistungsvereinbarungen in die Bahninfrastruktur flossen, als auch die Gelder, die für vier definierte Grossprojekte [5]befristet in den FinöV-Fonds [6] gelangten, fliessen neu unbefristet in den BIF. Die Finanzierung über einen einzigen Fonds schafft gleiche Voraussetzungen für Betrieb und Substanzerhalt auf der einen und für den Ausbau der Infrastruktur auf der anderen Seite.
Der BIF ist auch aus finanzpolitischer Sicht zu begrüssen: Er erhöht nicht nur die Planungssicherheit der Infrastrukturbetreiber, sondern hält auch Risiken vom Bundeshaushalt fern. Allfällige Mehrkosten grosser Bauwerke können durch eine Anpassung des Ausbauprogramms aufgefangen werden.[7]
Der BIF übernimmt im Weiteren die Verpflichtungen aus der Bevorschussung des derzeitigen FinöV-Fonds. Der BIF selbst kann sich nicht verschulden. Die Grafik 2 zeigt die Einlagen und Entnahmen des Fonds.
Einbezug von Investitionsfolgekosten
Der BIF dient im Gegensatz zum heutigen FinöV-Fonds nicht allein der Finanzierung von Ausbauten. Diese kosten bis 2030 jährlich durchschnittlich 1,3 Mrd. Franken. Sie beinhalten auch die Fertigstellung der beschlossenen Bauwerke wie die Neat, die Lärmsanierung oder die Anschlüsse an das ausländische Hochgeschwindigkeitsnetz. Die Kosten von Betrieb und Substanzerhalt sind mit jährlich rund 2,5 Mrd. Franken wesentlich bedeutender. Eingerechnet sind auch die Folgekosten aus den Ausbauinvestitionen. Für die Jahre ab 2030 wird mit jährlichen Folgekosten von 1 Mrd. Franken gerechnet.[8]
Finanzierungsquellen
Die Finanzierungsquellen bleiben die allgemeinen Bundesmittel sowie die Einnahmequellen des FinöV-Fonds, nämlich zwei Drittel der Erlöse der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA), ein Mehrwertsteuerpromille und – bis zur Tilgung der FinöV-Bevorschussung befristet – auch Mineralölsteuer-Mittel.
Um eine ausgewogene Finanzierung zu erhalten, werden die bestehenden Finanzierungsquellen wie folgt ergänzt:– Erhöhte Trassenpreise für die Benützung der Bahninfrastruktur, die sich in höheren Preisen für die Bahnkunden niederschlagen. Eine erste Erhöhung um 200 Mio. Franken erfolgte per 2013, eine weitere Erhöhung um 100 Mio. Franken folgt per 2017.– Begrenzung des Fahrkostenabzuges bei der direkten Bundessteuer. Damit erwartet der Bund zusätzliche Steuereinnahmen von 200 Mio. Franken pro Jahr.
- Erhöhte Mitfinanzierung der Bahninfrastruktur durch die Kantone im Umfang von 200 Mio. Franken.
- Ein von 2018 bis 2030 befristetes Mehrwertsteuerpromille, was rund 360 Mio. Franken entspricht.
Finanzielle Anreize
Die Fabi-Vorlage setzt bewusst neue Anreize. Einem erwarteten Nachfragewachstum im öffentlichen Verkehr soll nicht nur mit einem Infrastruktur- und Angebotsausbau entsprochen werden. Vielmehr sind auch Massnahmen vorgesehen, die das Nachfragewachstum etwas dämpfen sollen.
Nutzerfinanzierung stärken
Die zusätzlichen Investitionen sollen nicht allein von der Allgemeinheit über Steuern finanziert werden, sondern zumindest teilweise direkt von den Nutzern. Zu diesem Zweck werden wie erwähnt die Trassenpreise angehoben. Von dieser Erhöhung sind hauptsächlich die Personenzüge betroffen. Die Bahnen müssen die Mehrkosten mit Preiserhöhungen auf die Nutzer überwälzen. Von den Erhöhungen sind alle Fahrgäste des öffentlichen Verkehrs betroffen, da viele Fahrausweise – wie etwa das Generalabonnement und die Verbundabonnemente – nicht streckenspezifisch sind, sondern alle Verkehrsmittel in ganzen Gebieten umfassen. Das erwartete Nachfragewachstum im öffentlichen Verkehr wird damit etwas weniger stark ausfallen.
Pendlerverkehr steuerlich weniger begünstigen
Trotz des wachsenden Freizeitverkehrs ist nach wie vor der Pendlerverkehr für die Verkehrsspitzen verantwortlich. Die Pendlerdistanzen sind in der Vergangenheit stetig gestiegen. Mit ein Grund ist die Möglichkeit für Erwerbstätige, die Fahrkosten steuerlich unlimitiert abzuziehen. Der Bund will diesen Trend nicht weiter fördern. Bei der direkten Bundessteuer soll der Fahrkostenabzug für unselbständig Erwerbstätige deshalb auf jährlich 3000 Franken begrenzt werden.
Entflechtung der Finanzierung
Die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Kantonen. Derzeit ist der Bund für die Finanzierung der SBB-Bahninfrastruktur alleine verantwortlich, wobei oftmals die direkt interessierten Kantone und/oder Gemeinden projektspezifisch mitfinanzieren. Bei den meisten Privatbahnen wird die Infrastruktur heute von Bund und betroffenen Kantonen gemeinsam finanziert. Da die Kantone einen grossen Nutzen aus einer leistungsfähigen Bahninfrastruktur ziehen, ist es angemessen, dass sie einen zusätzlichen Beitrag leisten. Dies eröffnet die Möglichkeit, die Infrastrukturfinanzierung aller Bahnen zu harmonisieren und die bestehenden Finanzierungsmodelle zu entflechten. Neu finanziert der Bund die gesamte Bahninfrastruktur sämtlicher Bahnen. Im Gegenzug leisten die Kantone einen Beitrag an den BIF, der sich nach den bestellten Personen- und Zugkilometern im Regionalverkehr bemisst.
Fazit: Ein geeignetes Instrumentarium steht bereit
Die Fabi-Vorlage ist ein entscheidender Schritt, damit die Schweiz weiterhin mit einem attraktiven öffentlichen Verkehr das Verkehrsaufkommen bewältigen kann. Zusammen mit dem in Diskussion stehenden Fonds für den Strassenbereich sichert die Schweiz die Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen langfristig und kann sie entsprechend der steigenden Nachfrage ausbauen. Dem Bund steht mit dem Bahninfrastruktur-Fonds und dem Strategischen Entwicklungsprogramm ein ökonomisch effizientes, langfristig ausgerichtetes Instrumentarium für die Finanzierung und die bedürfnisgerechte Weiterentwicklung der Bahninfrastruktur zur Verfügung.
- Bundesrätliche Botschaft zur Volksinitiative «Für den öffentlichen Verkehr» und zum direkten Gegenentwurf vom 18. Januar 2012, S. 1578. []
- Bundesamt für Verkehr BAV / Eidgenössische Finanzverwaltung EFV (2010): Projekt Finanzierung Bahninfrastruktur (Fibi) – Bericht an die Departementschefinnen Uvek und EFD, Bern. []
- Dieser Ansatz wird in der öffentlichen Debatte nicht durchwegs unterstützt: So plädiert beispielsweise Prof. em. Daniel Mange in «Plan Rail 2050 – Plaidoyer pour la vitesse, Lausanne, Presses polytechniques et universitaires romandes» (2010) für die Geschwindigkeit mit der Forderung einer Neubaustrecke auf der West-Ost-Achse und anschliessend auf der Nord-Süd-Achse. Ein weiteres Beispiel ist das Konzept «Bahn 2000 plus» von langjährigen technischen Fachleuten mit einer Neubaustrecke im Mittelland. []
- Botschaft vom 18. Januar 2012, S.1668f und 1630. []
- Neue Eisenbahn-Alpentransversalen (Neat), Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEB), Anschluss ans ausländische Hochgeschwindigkeitsnetz (HGV) und Lärmsanierung der Eisenbahn. []
- Fonds für Bau und Finanzierung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs. []
- BAV/EFV (2010), S. 10. []
- Botschaft vom 18. Januar 2012, Tabelle 3, Seite 1624. []
Zitiervorschlag: Füglistaler, Peter (2013). Eisenbahninfrastruktur: Rollende Planung und langfristige Finanzierung als neue Ansätze. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.
Ein Ausbau des Hochgeschwindigkeitsverkehrs ist aus folgenden Gründen nicht zweckmässig:
- Der Investitionsbedarf für solche neuen Infrastrukturen wäre sehr hoch.
- Hochgeschwindigkeitszüge wären in der Schweiz ineffizient eingesetzt, da sie die hohe Geschwindigkeit nur auf vergleichsweise kurzen Strecken ausnützen könnten.
- Die Energiebilanz solcher Züge ist ungenügend.
- Das Prinzip des Mischverkehrs (Fern-, Regional- und Güterverkehr auf der gleichen Strecke) würde in Frage gestellt.
- Fahrzeitverkürzungen schaffen neue Mobilitätsbedürfnisse und damit zusätzliche Pendlerbewegungen
- Hochgeschwindigkeitszüge zwischen den Zentren widersprechen dem Raumkonzept Schweiz, das eine dezentrale Entwicklung der Schweiz vorsieht.