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Wie gut hält die Schweiz bezüglich E-Economy mit?

Verfügbarkeit und effiziente Nutzung modernster Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind für die Schweiz Schlüsselfaktoren im globalen Standortwettbewerb. Ein Streifzug durch die hiesige IKT-Landschaft und internationale Vergleiche zeigen auf, dass die Schweiz insgesamt gut bis sehr gut positioniert ist.

Als hochentwickelte, kleine und offene Volkswirtschaft muss sich die Schweiz bei den IKT-Anwendungen mit den weltweit besten Ländern messen können. Schweizer Haushalten, Unternehmen und Behörden sollten die modernsten IKT-Anwendungen erstens möglichst ohne zeitlichen Verzug und zu weltmarktkompatiblen Preisen und Konditionen zur Verfügung stehen. Haushalte, Unternehmen und Behörden müssen diese Anwendungen aber auch effektiv in effizientem Ausmass in Anspruch nehmen und umsetzen. Wichtigste Grundlage dazu sind hervorragende IKT-Infrastrukturen und Infrastrukturleistungen vor Ort.

Beseitigung von Engpässen bei der Infrastruktur


Diese Grundlage war – zumindest seit der Liberalisierung der Telekommunikation 1998 bis heute – weitestgehend gegeben. Allerdings kam es in jüngster Zeit in der Mobilkommunikation vermehrt zu störenden Leistungsschwankungen, weil die dritte Netzgeneration in Spitzenbelastungsphasen an ihre Kapazitätsgrenzen stösst. Diese Störungen werden aber so schnell verschwinden, wie sie als Folge des geradezu explosiv angewachsenen Datenvolumens gekommen sind. Denn derzeit werden von allen Mobilfunkanbietern Netze der vierten Generation (4G) in Betrieb genommen, welche Übertragungsraten von 100 und mehr Megabit pro Sekunde (Mbps) erreichen und Kapazitätsengpässe auf lange Zeit beseitigen werden.

Parallel dazu wird die Glasfaser im Festnetzbereich immer näher zum Kunden geführt: zum Quartierverteilkasten, in die Strasse, ins Gebäude. Dadurch erhalten immer mehr Kunden Anschlüsse mit Übertragungsraten von 100 Mbps und mehr. Wird auch der letzte Teil Kupfer- oder Koaxialkabel noch durch Glasfaser ersetzt (bis zum Modem oder Router in der Wohnung des Kunden), ergeben sich Übertragungsraten im Gigabitbereich (Gbps). Zwar sind die Glasfaserausbauten in vielen Gegenden noch nicht abgeschlossen, doch bieten die Kabelfernsehnetze heute schon in grossen Teilen der Schweiz Übertragungsraten von 150 Mbps und mehr an. Heute und in absehbarer Zukunft ist somit keinesfalls mit limitierenden Wirkungen von mobilen oder fixen Netzen für die weitere IKT-Entwicklung zu rechnen.

Ebenfalls droht mit Sicherheit keinerlei limitierende Wirkung von Ausstattungen (IKT-Geräte, Software) oder von Diensten. Hierbei handelt es sich heutzutage um nahezu perfekt fungible und international gehandelte Güter, die von schweizerischen Haushalten, Unternehmen oder Behörden jederzeit im In- oder Ausland zu Weltmarktbedingungen beschafft werden können. Wer über einen leistungsfähigen Breitbandanschluss verfügt, hat sogar online Zugang zum Weltmarkt für Software oder Dienste, die gratis oder gegen eine Lizenzgebühr heruntergeladen oder direkt via Internet benutzt werden können (Cloud Computing).

Spürbar limitierend auf die IKT-Entwicklung in der Schweiz könnte sich auf Faktorseite allenfalls ein Mangel an Fachkräften ausgewirkt haben. In der Tat wird seit der Erholung von der Dotcom-Krise – also etwa seit 2004 – notorisch über einen solchen Mangel geklagt. Doch obwohl IKT-Fachkräfte effektiv seit längerem knapp sind, sind ihre Löhne nie über die Löhne vergleichbarer Tätigkeiten gestiegen. Sie sind zwar in den letzten Jahren leicht überdurchschnittlich angestiegen, was aber das Marktungleichgewicht nicht zu beseitigen vermochte. Zur Ergründung der Ursachen für dieses (scheinbare) Paradoxon sind spezifische Studien nötig, weshalb hier nicht weiter darüber spekuliert werden soll.

IKT-affine Haushalte und Unternehmen


Die schweizerischen Haushalte sind heute sowohl in Bezug auf ihre IKT-Ausstattung als auch auf ihre Inanspruchnahme moderner Dienste wie HDTV, Internetradio, soziale Medien, mobiles Internet, Cloud Computing weltweit führend. Es gibt natürlich auch in der Schweiz «IKT-Aussenseiter» (grösstenteils ältere Personen); doch sind diese im internationalen Vergleich wenig zahlreich und gelangen in der Regel mehr durch persönliche IKT-Abneigung oder persönliches IKT-Unvermögen als durch systematische sachliche oder finanzielle Zwänge in diese Position. Gerade unter der älteren Bevölkerungsgruppe hat die Quote der Internet-Nutzer in letzter Zeit deutlich zugenommen. Fehlende IKT-Affinität der Haushalte ist in der Schweiz aber gewiss kein nennenswertes Hemmnis für die Weiterentwicklung der E-Economy.

Gleiches lässt sich über die Unternehmen sagen. Der zeitlich und sachlich adäquate Einsatz neuer IKT-Lösungen ist heute im globalen Umfeld längst ein Schlüsselfaktor zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei lässt sich heute selbst mit optimierter IKT auf Unternehmensebene gegenüber den weltweit Besten kaum mehr viel gewinnen, jedoch mit suboptimaler IKT extrem viel verlieren. Das grösste Risiko liegt sozusagen darin, sich bietende IKT-Chancen zu verpassen. Mit offiziellen Statistiken lässt sich kaum erfassen, wie weit die Unternehmen ihren IKT-Einsatz optimieren. Studien und Umfragen zu ausgewählten IKT-Trends drängen aber den Indizienschluss auf, dass sich die meisten Schweizer Unternehmen neuer IKT-Trends jeweils bewusst sind und ihre eigene IKT-Entwicklung entsprechend steuern und im Griff haben. Aktuelle Entwicklungen – wie Social Media, E-Commerce, Mobile Solutions oder Cloud Computing – haben sie jedenfalls längst erfasst, auch wenn die konkrete Anwendung in manchen Fällen (vermutlich meist aus guten Gründen) nicht ohne Verzug umgesetzt wird.

Der eigentliche IKT-Sektor (Anbieter von IKT-Gütern und Diensten für Dritte nach offizieller Sektorabgrenzung) erscheint in der Schweiz mit einem Anteil von nur rund 5% des BIP im Jahr 2009 im internationalen Vergleich klein. Dabei nicht eingerechnet ist jedoch ein hoher IKT-Eigenversorgungsgrad der Schweizer Unternehmen. Im grossen Finanzsektor, aber auch in anderen wichtigen schweizerischen Branchen werden substanzielle IKT-Leistungen erbracht, die von den Statistiken gar nicht als solche erfasst werden. Mit Cloud Computing und Data Centers ergeben sich jetzt grosse Chancen für die stabile und rechtlich sichere Schweiz, welche auch den IKT-Sektor in offizieller enger Abgrenzung an Bedeutung wachsen lassen könnten. Diese Chancen werden von privater Seite bereits ergriffen und können sicher weiter genutzt und erweitert werden, sofern auf ordnungspolitischer Ebene für den Fortbestand international kompetitiver Rahmenbedingungen gesorgt wird.

E-Government entwickelt sich positiv, E-Health stagniert


Diese staatlichen oder parastaatlichen Teilbereiche der E-Economy präsentieren sich uneinheitlich. Bereits im Monitoring 2012 wurde festgestellt, dass die «E-Government-Strategie Schweiz» von 2007 langsam messbare Fortschritte hervorgebracht habe; der Rückstand auf andere europäische Länder sei klein bis inexistent geworden. Gemessen an der Nutzung von E-Government-Diensten durch die Bevölkerung scheint die Schweiz mittlerweile sogar überdurchschnittlich positioniert zu sein. Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt betrifft die Nutzung des IKT-Potenzials für Interaktionen innerhalb und zwischen Behörden. Cloud Computing bietet dazu neue effiziente Möglichkeiten. Mit der «Cloud-Computing-Strategie der Schweizer Behörden 2012–2020» dürfte eine gute Grundlage für Effizienzsteigerungen bei inner- und zwischenbehördlichen Transaktionen gelegt worden sein. Deren Ziele bestehen darin, die Risiken bei der Verwendung von Cloud-Services in den Behörden zu minimieren, uneinheitliche Vorgaben zu vermeiden und das Vorgehen der Involvierten zu koordinieren.

Die Entwicklung der Nutzung von IKT im Gesundheitswesen, gefördert durch die «Strategie eHealth Schweiz» von 2007, ist demgegenüber in den vergangenen Jahren weniger positiv verlaufen. Die Versichertenkarte mit Chip ist zwar mittlerweile verbreitet, allerdings wird ihr Potenzial noch kaum genutzt. Das nationale Gesundheitsportal ist bis auf weiteres auf Eis gelegt, und ob das elektronische Patientendossier wie geplant bis 2015 umgesetzt sein wird, ist derzeit ungewiss. Einzuräumen ist allerdings, dass die meisten anderen Länder bezüglich der Umsetzung von E-Health im Allgemeinen und der Implementierung von E-Patientendossiers im Speziellen mit vergleichbaren Schwierigkeiten konfrontiert sind.

Die Revolution geht weiter


Für die künftige IKT-Entwicklung sind technisch-ökonomisch nach wie vor folgende Megatrends taktgebend:

  • die weiterhin zunehmende Leistungsfähigkeit der leitungsgebundenen und funkbasierten Datenübertragung;
  • verbesserte Möglichkeiten der Kommunikation Mensch-Maschine und Maschine-Maschine;
  • die mittlerweile fast unbegrenzten Möglichkeiten zur Bearbeitung (Computing) und Speicherung von Daten.


Diese Trends werden zudem dank rascher internationaler Verbreitung und globalem Wettbewerb gestützt oder sogar verstärkt durch weiterhin abnehmende Durchschnittskosten und -preise für IKT-Geräte und -Dienste.

Erhebliche IKT-Effizienzpotenziale könnten künftig dadurch erschlossen werden, dass Mitarbeitende von Unternehmen oder Behörden ihre privaten IKT-Geräte auch bei der Arbeit verwenden (Bring Your Own Device) oder Arbeit zuhause oder unterwegs verrichten (Home Office, Smart Work). Solche Entwicklungen können durch Cloud Computing erleichtert werden; noch wichtiger dürften aber IKT-gestützte Identifikationssysteme (eID) und die Führung digitaler Dossiers in verschiedensten Anwendungsbereichen sein, wofür aber teilweise noch adäquate rechtlich-institutionelle Rahmenbedingungen zu schaffen sind. Bei den IKT-Anwendungen liegen sicher erhebliche Effizienzpotenziale im IKT-gestützten Management der Produktion, Übertragung, Verteilung und des Verbrauchs von Energie (Smart Generation, Smart Grids, Smart Buildings, Smart Homes). Auch im Verkehrsbereich liessen sich durch IKT-Einsatz Effizienzgewinne erzielen (Smart Transportation). Da IKT-Vorhaben im Energie- und im Transportsektor bis dato in der Schweiz bestenfalls in Pilotprojekten erprobt wurden, sind sie in den bisherigen Monitorings nur am Rande gestreift worden. Es ist zu hoffen, dass in weiteren Berichten erste handfeste Erfolge rapportiert werden können. Rasche Erfolge sind indes nur zu erwarten, wenn durch ökonomisch fundierte Preis-/Leistungsdifferenzierungen auch wirksame Anreize für «smartes Verhalten» geschaffen werden.

Zitiervorschlag: Dominik Hauri, Markus Saurer, (2013). Wie gut hält die Schweiz bezüglich E-Economy mit. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.

Hinweis

Dieser Artikel beruht auf dem vom Institut für Wirtschaftsstudien Basel AG im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) erstellten Bericht «eEconomy: Monitoring und Report 2013». Das jährliche Monitoring bezweckt die frühzeitige Erkennung von Fehlentwicklungen und Hemmnissen im Bereich des digitalen Wirtschaftens. Das nächste Update wird im Frühjahr 2014 erscheinen.

Begriffe

Die Begriffe «E-Economy», «Digital Economy» oder «Internet Economy» sprechen Volkswirtschaften an, welche die Potenziale bezüglich Wachstum, Innovation, nachhaltige Entwicklung, Standortvorteile und Zukunftsfähigkeit mit dem Einsatz und der Nutzung von Informations- und Kommunikations-Technologien bestmöglich ausschöpfen wollen (Definition Seco).