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Steuererleichterungen der Regionalpolitik unterstützen strukturschwache Regionen

Steuererleichterungen im Rahmen der Regionalpolitik haben dazu beigetragen, in strukturschwachen Regionen zahlreiche Arbeitsplätze zu schaffen und Wertschöpfung zu generieren. Dies hat eine externe Evaluation ergeben. Sie empfiehlt, eine betragsmässige Obergrenze einzuführen, um übermässige Steuererleichterungen zu vermeiden. Zudem sollten die Anwendungsgebiete im Sinne der Raumordnungspolitik angepasst werden. Der Bundesrat hat eine Reform der Steuererleichterungen mit diesen hauptsächlichen Stossrichtungen in Auftrag gegeben.

Mit der Regionalpolitik will der Bund die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere für ländliche Regionen stärken. In 30 Regionen mit rund 10% der Schweizer Bevölkerung können jene Unternehmen Steuererleichterungen beantragen, die Arbeitsplätze schaffen oder erhalten und so die Wirtschaft stärken. Voraussetzung ist u.a., dass es sich um industrielle Unternehmen oder produktionsnahe Dienstleistungsbetriebe handelt.

Im Rahmen der Vorbereitungsarbeiten des Mehrjahresprogramms 2016–2023 hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Umsetzung des Bundesgesetzes über Regionalpolitik (BRP)[1]einer wissenschaftlichen Evaluation unterzogen. Die Firma B, S, S. Volkswirtschaftliche Beratung wurde beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Institut de recherches économiques der Universität Neuenburg die nach Artikel 12 gewährten Steuererleichterungen (siehe Kasten 1) zu evaluieren.

Die Evaluationsarbeiten wurden durch eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Seco begleitet. In der Arbeitsgruppe waren die Generalsekretariate der Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz (VDK), der Finanzdirektorenkonferenz (FDK) und der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), von der VDK nominierte kantonale Fachexperten aus den Steuerverwaltungen, den Volkswirtschaftsdirektionen und den Wirtschafts- und Standortförderungsstellen sowie die Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) vertreten.

Im Hinblick auf eine Optimierung des Instruments hat das Seco aufgrund gesammelter Erfahrungen seit Einführung des BRP parallel zur Evaluation zwei Prospektiv-Studien zur Erarbeitung der Grundlagen einer Reform in Auftrag gegeben (siehe Kasten 2).

 

Zwei Studien und deren Empfehlungen

Die Credit Suisse Economic Research überprüfte das Anwendungsgebiet im Lichte der Raumentwicklungspolitik des Bundes und der Kantone. Die Experten empfehlen eine stärkere Berücksichtigung der raumplanerischen Dimension und eine Orientierung an regionalen Zentren in strukturschwachen Regionen. Unter Beibehaltung des heutigen Bevölkerungsanteils von 10% soll sich das Anwendungsgebiet verstärkt auf strukturschwache Gebiete konzentrieren, die sich für die Arbeitsplatzschaffung eignen. Gemäss den Empfehlungen der Experten wurde ein Modell entwickelt, welches sich in Einklang mit den Raumentwicklungszielen des Bundes – d.h. dem Raumkonzept Schweiz und den kantonalen Richtplänen und strategischen Entwicklungsplänen – an regionalen Zentren in strukturschwachen Regionen orientiert.

Die KPMG analysierte bestehende Steuererleichterungsmodelle in der EU. Auch die EU-Kompatibilität des heutigen Schweizer Systems sowie mit der möglichen Einführung einer betragsmässigen Obergrenze wurde geprüft. Gemäss Empfehlung der Experten soll anstelle des heutigen Prozentsatzes zur Festlegung der Steuererleichterung in Zukunft ein Betrag festgelegt werden. Dieser soll im Verhältnis zu den geschaffenen Arbeitsplätzen stehen und vom Unternehmen über die Laufzeit von maximal 10 Jahren von den Steuern in Abzug gebracht werden können.

Evaluationsergebnisse und Empfehlungen

Die Evaluation[2] zeigt, dass die im Jahr 2010 laufenden Projekte über ihre bisherige Laufzeit rund 12 260 neue Arbeitsplätze im strukturschwachen ländlichen Raum geschaffen haben. Insgesamt arbeiteten 2010 in diesen Projekten knapp 24 650 Arbeitnehmende. Die im Jahr 2011 laufenden 231 Projekte haben über deren bisherige Laufzeit eine Wertschöpfung (d.h. Umsatz minus Vorleistungen) von insgesamt 6,5 Mrd. Franken und eine zusätzliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen in den entsprechenden Regionen von 2 Mrd. Franken generiert. Die insgesamt induzierte Wertschöpfung dürfte für diese Projekte in der genannten Periode bei etwa 10 Mrd. Franken liegen. Zwischen 2007 und 2010 bezahlten die steuererleichterten Firmen zumindest theoretisch jährlich rund 1,5 Mrd. Franken weniger direkte Bundessteuern als bei einer normalen Veranlagung. Dem stehen rund 253 Mio. Franken direkte Bundessteuern gegenüber, welche diese Firmen durchschnittlich pro Jahr bezahlten.

Volumenmässig konzentrieren sich die Steuererleichterungen auf wenige noch unter der Lex-Bonny (Verfügungen erlassen bis 31.12.2007) unterstützte Projekte. Rund 38% der Projekte wiesen keine Gewinne aus und konnten somit von der Steuererleichterung nicht profitieren. Für 57% der Unternehmen waren die Steuererleichterungen der bedeutendste Faktor beim Standortentscheid. 43% hätten das Projekt auch ohne Steuererleichterungen durchgeführt – allerdings nicht notwendigerweise am gleichen Ort, was für die Regionalpolitik von zentraler Bedeutung ist. Die Höhe des Mitnahmeeffektes und der Nettokosten für den Bund konnten die Evaluatoren aus methodischen Gründen nicht berechnen. Sie gehen jedoch davon aus, dass sich diejenigen Firmen, die sehr hohe Gewinne auswiesen, primär wegen den Steuererleichterungen in den strukturschwachen Regionen ansiedelten. Der betragsmässige Anteil jener Projekte, welche auch ohne Steuererleichterungen am gleichen Standort durchgeführt worden wären, an den zumindest theoretisch entgangenen Steuereinnahmen dürfte deshalb relativ gering ausfallen. Die Evaluatoren beurteilen die zeitliche Nachhaltigkeit der geförderten Projekte positiv. Wegzüge nach Beendigung der Steuererleichterungen konnten im Untersuchungszeitraum nicht festgestellt werden.

Auf gesamtschweizerischer Ebene darf die Wirkung des Instruments nicht überschätzt werden. Da die quantitative Bedeutung der Unternehmen mit Steuererleichterungen recht klein ist, kann eine empirische Analyse von makroökonomischen Daten auf gesamtschweizerischer Ebene keine positiven Effekte nachweisen. Auf Ebene der betroffenen strukturschwachen Regionen zeigt die Evaluation auf, dass die Steuererleichterungen dazu beigetragen haben, zahlreiche Arbeitsplätze zu schaffen. Für diese Regionen sind die unterstützten Arbeitsplätze sowie die induzierte Wertschöpfung bedeutsam.

Die Evaluatoren empfehlen, eine betragsmässige Obergrenze festzulegen zur Vermeidung übermässiger Steuererleichterungen pro Arbeitsplatz und die Anwendungsgebiete im Lichte der Raumentwicklungspolitik anzupassen. Weiter empfiehlt B, S, S., die Einschränkung der Steuererleichterungen auf industrielle und produktionsnahe Dienstleistungsbetriebe aufzuheben und somit Steuererleichterungen für alle Wirtschaftssektoren unter Ausnahme des Agrarsektors zu ermöglichen.

Haltung der Kantone

Die wissenschaftlichen Grundlagenarbeiten wurden im Frühling 2013 mit Vorlegen der Schlussberichte abgeschlossen. Das Seco hat die Empfehlungen eingehend geprüft und die VDK als federführende Konferenz konsultiert. Im Namen der Kantone begrüsste die VDK eine Reform und somit eine Weiterführung der Steuererleichterungen im Rahmen der Regionalpolitik. In ihrer Stellungnahme unterstützte sie die Einführung einer Obergrenze sowie die Neudefinition der Anwendungsgebiete und lehnte den Status quo ebenso deutlich ab. Die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf alle wirtschaftlichen Tätigkeiten wurde ebenfalls abgelehnt.

Entscheid des Bundesrates und weiteres Vorgehen

Der Bundesrat hat die Ergebnisse der Evaluation zur Kenntnis genommen und beauftragte das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), einen Revisionsentwurf der Verordnung über die Gewährung von Steuererleichterungen im Rahmen der Regionalpolitik[3] sowie der Verordnung des WBF über die Festlegung der Anwendungsgebiete für Steuererleichterungen[4] vorzubereiten. Im Vordergrund stehen die folgenden Reformpunkte:

  • Einführung einer betragsmässigen Obergrenze ex ante, um sicherzustellen, dass die gewährte Steuererleichterung stets in einem Verhältnis zu den geschaffenen Arbeitsplätzen steht;
  • Neudefinition der Anwendungsgebiete, d.h. Beibehaltung des Bevölkerungsanteils von 10%, abgestimmt mit dem Raumkonzept und den kantonalen Richtplänen orientiert auf strukturschwache regionale Zentren;
  • diverse Anpassungen der Verordnung (z.B. Präzisierung der Kriterien);
  • keine Ausweitung des Anwendungsbereichs über die industriellen Unternehmen und produktionsnahen Dienstleistungsbetriebe hinaus.

Eine Expertengruppe unter der Leitung des Seco mit den Kantonen und den interessierten Bundesstellen[5] wird die Reform begleiten. Die Verordnungsänderungen sollen dem Bundesrat bis Ende 2014 zur Eröffnung der Vernehmlassung unterbreitet werden und spätestens Anfang 2016 in Kraft treten.

  1. SR 901.0. []
  2. Die Evaluationsergebnisse sind auf der Webseite des Seco publiziert: http://www.seco.admin.ch, Themen, Standortförderung, KMU-Politik, Steuererleichterungen im Rahmen der Regionalpolitik, Berichte. []
  3. SR 901.022. []
  4. SR 901.022.1. []
  5. Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF), Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV), Direktion für europäische Angelegenheiten (DEA) sowie Bundesamt für Justiz (BJ). []

Zitiervorschlag: Marianne Neuhaus, Martin Godel, (2013). Steuererleichterungen der Regionalpolitik unterstützen strukturschwache Regionen. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.

Das Instrument der Steuererleichterungen (Art. 12 BRP)

1 Soweit ein Kanton Steuererleichterungen nach Artikel 23 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1993 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden gewährt, kann der Bund für die direkte Bundessteuer ebenfalls Steuererleichterungen gewähren.

2 Steuererleichterungen bei der direkten Bundessteuer werden nur gewährt, soweit:

a.  ein industrielles Unternehmen oder ein produktionsnaher Dienstleistungsbetrieb neue Arbeitsplätze schafft oder bestehende neu ausrichtet;

b. das Vorhaben die regionalwirtschaftlichen Anforderungen dieses Gesetzes erfüllt;

c. der Kanton die Nachzahlung von missbräuchlich beanspruchten Steuererleichterungen verlangt.

3 Der Bundesrat legt, nach Konsultation der Kantone, die Gebiete fest, in denen Unternehmen von diesen Erleichterungen profitieren können, und regelt die Modalitäten der Finanzaufsicht, insbesondere die Pflicht, Informationen über die Wirkung der gewährten Steuererleichterungen einzuholen und weiterzuleiten.

Zwei Studien und deren Empfehlungen

Die Credit Suisse Economic Research überprüfte das Anwendungsgebiet im Lichte der Raumentwicklungspolitik des Bundes und der Kantone. Die Experten empfehlen eine stärkere Berücksichtigung der raumplanerischen Dimension und eine Orientierung an regionalen Zentren in strukturschwachen Regionen. Unter Beibehaltung des heutigen Bevölkerungsanteils von 10% soll sich das Anwendungsgebiet verstärkt auf strukturschwache Gebiete konzentrieren, die sich für die Arbeitsplatzschaffung eignen. Gemäss den Empfehlungen der Experten wurde ein Modell entwickelt, welches sich in Einklang mit den Raumentwicklungszielen des Bundes – d.h. dem Raumkonzept Schweiz und den kantonalen Richtplänen und strategischen Entwicklungsplänen – an regionalen Zentren in strukturschwachen Regionen orientiert.

Die KPMG analysierte bestehende Steuererleichterungsmodelle in der EU. Auch die EU-Kompatibilität des heutigen Schweizer Systems sowie mit der möglichen Einführung einer betragsmässigen Obergrenze wurde geprüft. Gemäss Empfehlung der Experten soll anstelle des heutigen Prozentsatzes zur Festlegung der Steuererleichterung in Zukunft ein Betrag festgelegt werden. Dieser soll im Verhältnis zu den geschaffenen Arbeitsplätzen stehen und vom Unternehmen über die Laufzeit von maximal 10 Jahren von den Steuern in Abzug gebracht werden können.