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Administrative Erleichterungen: Eine nationale Priorität

Die Schweiz, an erster Stelle der kürzlich vom World Economic ­Forum veröffentlichten Weltrangliste der Wettbewerbsfähigkeit stehend, ist ein Land, wo es sich gut unternehmerisch tätig sein lässt. Die Flexibilität des Arbeitsmarktes, das ausgezeichnete ­Bildungswesen und die Attraktivität des Steuersystems erklären den Erfolg. Doch aus dem Hinterhalt droht ein Schatten diese ­Idylle zu verdüstern: das zunehmende Gewicht der Bürokratie, die in sämtliche Bereiche der Wirtschaftstätigkeit eindringt.

Administrative Erleichterungen: Eine nationale Priorität

Das Anfang 2013 publizierte Bürokratie­barometer des Seco bestätigt: Die administrative Last für die Unternehmen hat in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen. Im Durchschnitt müssen KMU 40 Stunden pro Monat für Arbeiten administrativer Art aufwenden. Um die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten, gibt fast die Hälfte aller Mikro-Unternehmen (3 bis 9 Mitarbeitende) monatlich bis zu 1000 Franken für externe Administrativkosten aus. Diese Belastungen schränken die Handlungsfreiheit und die Innovationskapazität der Unternehmer ein. Das wiederum dämpft den Unternehmergeist, bremst das Wirtschaftswachstum und schadet der Beschäftigung.

Darum: Weg mit der Bürokratie!


Die bürokratische Ausuferung hat drei Gründe. An erster Stelle stehen die Regulierungsexzesse: Über 4000 Rechtsakte sind in der systematischen Sammlung des Bundesrechts erfasst. Das ist zu viel, wie das berühmte Tacitus-Zitat besagt: «Je schlechter der Staat, desto mehr Gesetze». Eine derartige Fülle von Normen lässt die administrativen Verpflichtungen der Unternehmen geradezu explodieren.

An zweiter Stelle folgen die föderalistischen Überbordungen: Durch die Respektierung der Diversität tendiert unser föderalistischer Staat mit seinen drei Ebenen zu einer Vervielfachung reglementarischer Leerläufe und administrativer Formalitäten. Ein Beispiel von Hunderten: Das im Wesentlichen kantonale und kommunale Baurecht beruht auf über 140 000 Gesetzes- und Verordnungsartikeln. Die administrativen Kosten dieser normativen Heterogenität belaufen sich jährlich auf mehrere Mrd. Franken. Und schliesslich ist da noch der Übereifer der Behörden: Der legendäre helvetische Perfektionismus äussert sich im Eifer der Funktionäre, alles und jedes bis ins kleinste Detail regulieren zu wollen. Das abstrahierende Allgemeinrecht wird so in seiner Anwendung zu einer pedantischen Regulierung. Die 1500 Seiten offizieller Publikationen zum Thema Mehrwertsteuer illustrieren schon fast karikaturistisch, bis zu welchem Grad die Demokratie – zu oft – der bürokratischen Bevormundung unterworfen ist.

Am schlimmsten trifft es die KMU


Alle Unternehmen sind vom staatlichen Regulierungswahn betroffen. Doch am schwersten treffen die daraus entstehenden administrativen Verpflichtungen die KMU: je kleiner ein Unternehmen, umso höher die Administrativkosten je Mitarbeitenden. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die administrative Erleichterung von jeher ­zuoberst auf der Prioritätenliste des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) steht. Im Mai 2010 verabschiedete der KMU-Dachverband eine Resolution, die bis 2018 eine Reduktion der Regulierungskosten um 10 Mrd. Franken fordert.

Um das zu erreichen, verlangte der SGV vorgängig eine Messung der Regulierungskosten, die durch die schweizerische Gesetzgebung entstehen. Doch – welch eine Überraschung – trotz der Veröffentlichung mehrerer Berichte des Bundesrats zu diesem Thema (seit 1999 deren sechs!) und der Überweisung zahlreicher parlamentarischer Vorstösse kennt niemand mit Genauigkeit die administrative Last, welche die Unternehmen heute zu tragen haben.

Angesichts des Fehlens verlässlicher Daten reichte Ständerat Jean-René Fournier, Mitglied des SGV-Vorstands, im Juni 2010 ein Postulat ein, das den Bundesrat be­auftragte, die Regulierungskosten aller in der Schweiz in Kraft stehenden Gesetze zu messen. Die Exekutive nahm den Vorstoss ent­gegen und liess daraufhin 15 Bereiche dahingehend überprüfen.

Der bundesrätliche Bericht wurde im Dezember 2013 veröffentlicht. Er enthält konkrete Massnahmen für administrative Vereinfachungen in Bereichen, in denen die Belastung für Unternehmen besonders ins Gewicht fällt. Angesichts dieser Resultate muss eine nationale Strategie für admini­strative Erleichterungen aufgegleist werden, mit der sich prioritär die gesetzgeberische Inflation eindämmen und der Föderalismus dynamisieren lassen. An diesem Aktionsplan müssen nicht nur die Wirtschaftskreise beteiligt sein, sondern auch alle öffentlichen Akteure (Regierungen, Parlamente, Verwaltungen) auf eidgenössischer, kantonaler und kommunaler Ebene.

Zitiervorschlag: Marco Taddei (2014). Administrative Erleichterungen: Eine nationale Priorität. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.