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Tiefe Kosten sind gut, maximaler Nettonutzen ist besser

Es ist begrüssenswert, dass der Bund die Kosten seiner Regulierung untersucht. Damit daraus echte Entscheidungshilfen für die Politik resultieren, gilt es allerdings, die Gesamtregulierungskosten zu berücksichtigen – unabhängig davon, bei welcher Akteurgruppe sie anfallen – sowie Kosten der Regulierung konsequent im Zusammenhang mit ihrem Nutzen zu analysieren. Nur so lassen sich Lösungen mit optimalem Kosten-Nutzen-Verhältnis identifizieren. Aktuelle Beispiele aus der Energie- und Umweltpolitik zeigen die negativen Folgen, die eintreten, wenn Gesamtkosten und Regulierungsnutzen ausgeblendet werden.

Auf 1750 Mrd. US-Dollar pro Jahr oder knapp die Hälfte des US-Bundesbudgets schätzt der wirtschaftsnahe Think Tank Competitive Enterprise Institute die Kosten der Regulierung in den USA. Diese Regulierungen werden seit über 40 Jahren systematisch auf ihre Effizienz hin geprüft: Präsident Nixon hatte 1971 mit dem Prozess «Lebensqualität-Überprüfung» begonnen. Sie erfasst aber eben nicht nur die Kosten, sondern auch den Nutzen einer Regulierung.

Die nun vom Bundesrat veröffentlichte Analyse eines Teils der Regulierungskosten bringt für die Schweiz vergleichsweise beruhigende Resultate: Die Kosten für die Unternehmen sind zwar erheblich, aber doch nur wenig höher als nötig. Die vorgeschlagenen Massnahmen bringen denn auch kaum dramatische Einsparungen. Dieser Befund ist erfreulich, erstaunt aber auch ein wenig. Bei Gesetzesprojekten und bei deren Vollzug stehen selten die Gesamtkosten im Vordergrund, also alle Kosten (und der Nutzen) auf Ebene Bund, Kantone und Gemeinden sowie bei Unternehmen und privaten Haushalten.

Energiewende: ­Hauptnutzen ausgeblendet

Die Gesamtkosten im Blick zu haben, ist wichtig. Noch wichtiger und unerlässlich für eine effiziente Regulierung ist, dass auch deren Nutzen seriös abgeschätzt wird. Nur wenn man Kosten und Nutzen kennt, lässt sich der optimale Grad an Regulierung bestimmen.

Was selbstverständlich klingt, lässt sich in der klima- und energiepolitischen Praxis oft kaum erkennen. Nehmen wir das aktuelle Beispiel der Energiestrategie 2050 des Bundesrates. Der Ausstieg aus fossilen und nuklearen Energien soll die aktuellen und vor allem künftigen Nettokosten des Klimawandels und der Atomkraft minimieren. Man würde also annehmen, dass die Quantifizierung dieser beiden Hauptnutzen im Zentrum einer Regulierungsfolgenabschätzung steht. Die Realität ist, dass sie in der Kalkulation des Bundesrates unberücksichtigt bleiben. Selbst unter Ausklammerung des Hauptnutzens kommt der Bundesrat zum Schluss, dass die Energiewende bis 2050 keine nennenswerten volkswirtschaftlichen Nettokosten verursacht. Die Schweiz ist mit der Energiewende also in jedem Fall auf der volkswirtschaftlich sicheren Seite. Aber ist seine Vorlage damit auch volkswirtschaftlich optimal? Müsste nicht geprüft werden, ob ambitioniertere Ziele verfolgt und weitere Massnahmen ergriffen werden sollten, wenn der Nutzen umfassend eingerechnet und maximiert wird?

Ein zweites Beispiel liefert das Bundesamt für Energie (BFE) mit seinen Vorschlägen für Mindeststandards für Elektrogeräte. Eine Analyse im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) vom Oktober 2013 gelangt zwar zum Schluss, dass die BFE-Vorschläge volkswirtschaftlich lohnend sind. Sie jedoch das Effizienzpotenzial bei weitem nicht aus. Wäre es lohnenswert, die Standards ambitionierter zu setzen und auf weitere Gerätekategorien auszudehnen? Diese zentrale Frage wurde nicht untersucht. Somit bleibt auch ungeklärt, ob diese Regulierung volkswirtschaftlich optimal ausfällt. Stattdessen wird das Energie- und Geldsparpotenzial nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft.

Steuerpolitik: Weder Umwelt- noch ­Kosteneffizienz

Ein drittes Beispiel findet sich in der hier diskutierten Analyse der Regulierungskosten. Die Erhebung der Mehrwertsteuer (MWST) kostet alleine die Unternehmen jährlich ungeheure 1,8 Mrd. Franken – rund 8% der ­generierten Steuereinnahmen. Würde die MWST durch eine Energie- und/oder Ressourcenabgabe ersetzt, liessen sich die Regulierungskosten massiv reduzieren. Dies würde zusätzlich erlauben, sowohl die externen Kosten der Energieträger im Preis abzubilden (womit der Markt besser spielt), als auch den Verbrauch und die dadurch verursachten Umweltschäden zu minimieren. So kann das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Regulierung dreifach verbessert werden: bessere Markteffizienz, tiefere Regulierungskosten und höherer Umweltnutzen. Eine solche intelligente Weiterentwicklung des Steuersystems ist ebenso dringend wie zwingend, um die Ressourcenverschwendung zu minimieren.

Diese Beispiele illustrieren, warum in Zukunft neben den Regulierungskosten verstärkt der Regulierungsnutzen im Fokus stehen muss. Dann kann Regulierung so ausgestaltet werden, dass ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis resultiert.

Zitiervorschlag: Thomas Vellacott, Patrick Hofstetter (2014). Tiefe Kosten sind gut, maximaler Nettonutzen ist besser. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.