Die Bundeserbschaftssteuer ist ein schwerwiegender Eingriff in die kantonale Steuerhoheit
Diverse eidgenössische Volksinitiativen führen derzeit in Richtung Zentralisierung im Bereich der Steuern. Das aktuellste Beispiel ist die Volksinitiative, welche die Einführung einer Bundeserbschaftssteuer verlangt, deren Ertrag zu zwei Dritteln in den Ausgleichsfonds der AHV und zu einem Drittel an die Kantone fliessen soll. Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) lehnt diese Volksinitiative ab.
Die Kantone erheben die Erbschafts- und Schenkungssteuern
Die Initiative stellt einen fundamentalen Eingriff in die Steuerhoheit der Kantone dar und schafft eine neue Bundessteuer. Dabei ist es ein verbreitetes Missverständnis, dass die Kantone die Erbschaftssteuern abgeschafft hätten. Die – kantonal unterschiedlich ausgestalteten – Steuererleichterungen bei Erbanfällen bezogen sich im Wesentlichen auf die Besteuerung der Erbschaften von direkten Nachkommen. Aber auch da gibt es Ausnahmen: Die Kantone Appenzell Innerrhoden, Neuenburg, Waadt und teilweise Luzern erheben nach wie vor eine Erbschaftssteuer auch für direkte Nachkommen. Schwyz ist der einzige Kanton, der keine Erbschafts- und Schenkungssteuer kennt. Sehr oft geht vergessen, dass die kantonalen Erbschaftssteuern für die nicht nahen Verwandten in zahlreichen Kantonen sehr hoch sind und bei Erbanfällen von Nichtverwandten Steuerbelastungen von über 40% anfallen können. Insgesamt bringt die Erbschafts- und Schenkungssteuer den Kantonen und Gemeinden gemäss der aktuellsten Finanzstatistik des Jahres 2011 rund 862 Mio. Franken ein. Das zeigt mit aller Deutlichkeit, dass die Kantone diese Steuer nicht abgeschafft haben, sondern auf differenzierte Weise erheben.
Bei der Diskussion übr die kantonalen Erbschaftssteuern muss das gesamte Steuergefüge der Kantone beachtet werden. Dazu gehört die Belastung mit den Einkommenssteuern, besonders aber mit den Vermögenssteuern, die der Bund nicht kennt. Ganz offensichtlich sind beispielsweise im Kanton Waadt – trotz der Erbschaftssteuer auch für direkte Nachkommen – keine Abwanderungen von älteren Steuerpflichtigen zu beobachten. Es soll dem Waadtland deshalb ebenso unbenommen bleiben, die Erbschaften so zu besteuern, wie auch dem Kanton Schwyz, ganz auf diese Steuer zu verzichten. Dies ein Beispiel für den funktionierenden Schweizer Föderalismus, der auch nicht zu einem ruinösen Steuerwettbewerb führt. Die Stimmberechtigten der Kantone sollen selber über die Gesamtbelastung von Einkommen, Vermögen und Erbschaften oder Schenkungen entscheiden können. Eine weitere Aushöhlung des Föderalismus durch die Zentralisierung von Erbschafts- und Schenkungssteuern ist deshalb abzulehnen.
Verfassungsrechtliche Mängel und heikle Zweckbindung der Erträge
Die Erbschaftssteuerinitiative hat bereits vor dem offiziellen Zustandekommen hohe Wellen geschlagen. Im Falle einer Annahme führt sie zu verfassungsrechtlichen Problemen und Rechtsungleichheiten. Massgebend ist beispielsweise die Höhe des Nachlasses, nicht aber die Quote, die einem Erben anfällt: Bei einem Nachlass von 2 Mio. Franken und einem einzigen Erben fallen keine Steuern an, wohl aber bei einem Nachlass von 2,1 Mio. Franken und vier Erben, die je 525 000 Franken erhalten. Die in der Initiative vorgesehene Berücksichtigung bei einer Unternehmensnachfolge ist völlig offen. Die zeitliche Rückwirkung ist aufgrund der belastenden Auswirkungen und des langen Zeitraums verfassungswidrig. Ob und wie bereits bezahlte kantonale Erbschaftssteuern zurückerstattet werden müssen, ist völlig offen – abgesehen von den nicht abschätzbaren Folgen für die kantonalen Haushalte. Die Zweckbindung freier Steuereinnahmen ist zudem auch aus finanzpolitischen Gründen abzulehnen. Im Bereich der Altersvorsorge sind strukturelle Reformen notwendig. Eine Bundeserbschaftssteuer liegt auch in dieser Hinsicht quer in der Landschaft.
Zitiervorschlag: Hegglin, Peter (2014). Die Bundeserbschaftssteuer ist ein schwerwiegender Eingriff in die kantonale Steuerhoheit. Die Volkswirtschaft, 01. März.