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Wie steht es um die Konjunkturlage in den USA?

Die US-amerikanische Wirtschaftspolitik war in jüngster Vergangenheit von einer ultra­lockeren Geldpolitik und den dauernden Budgetstreitigkeiten in Washington geprägt. Der Government Shutdown vom ­letzten Herbst und die zwei in letzter ­Minute erfolgten Erhöhungen der Schuldenobergrenze sind noch allgegenwärtig. Ob dieser negativen Schlagzeilen ging ­beinahe unter, dass die enormen Budgetdefizite mittlerweile ­eine deutliche Korrektur erfahren ­haben. In Kombination mit dem stabilisierten ­Immobilienmarkt und einem im Vergleich zu Europa relativ gut ­kapitalisierten Bankensystem sind damit die Aussichten für die US-amerikanische Wirtschaft ­günstig.
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Dass die Entwicklung von Realwirtschaften stark mit derjenigen der Finanzmärkte verlinkt ist, haben die jüngsten Krisenjahre eindrucksvoll aufgezeigt. Im Anschluss an die Verwerfungen auf den Märkten im Jahre 2008 erlebte die US-amerikanische Volkswirtschaft die schwerste Rezession seit den 1930er-Jahren: Während die Arbeitslosenquote innerhalb von zwei Jahren von 4,7% auf 10% hochschnellte[1], schrumpfte das Bruttoinlandprodukt (BIP) im selben Zeitraum um über 4%[2]. Aus Angst vor den realwirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzkrise schnürte die US-Regierung neben dem 700 Mrd. US-Dollar schweren Hilfsprogramm zur Rettung des Finanzsystems (Troubled Asset Relief Program) im Februar 2009 zusätzlich ein 800 Mrd. US-Dollar umfassendes, über mehrere Jahre laufendes Stimulierungspaket (American Recovery and Reinvestment Act). Zusätzlich wurde der Staatshaushalt von noch aus der Ära Bush jr. stammenden Initiativen, namentlich den massiven Steuersenkungen (Bush Tax Cuts), der Ausweitung der Krankenversicherung für Rentner (Medicare) sowie den beiden Kriegen im Irak und in Afghanistan. Für das Fiskaljahr 2009 mussten die USA ein Rekorddefizit von rund 1,4 Bio. US-Dollar; das sind rund 10% des BIP.[3]

Haushaltsstreit im Kongress mit ­glimpflichem Ausgang


Seit 2010, als es den Republikanern gelang, die Mehrheit im Repräsentantenhaus für sich zu gewinnen, sind die gegensätzlichen Vorstellungen zum Thema Haushaltspolitik der beiden Parteien – Stimuluspolitik der Demokraten bzw. Austeritätspolitik der Republikaner – in einen regelrechten Dauerstreit ausgeartet. Wie in jedem Jahr seit Antritt der Administration Obama wurde der US-Staatshaushalt auch während des­ gesamten Fiskaljahres 2013 nicht durch ein ­ordentliches Budget, sondern durch sogenannte Continuing Resolutions finanziert. Im letzten Herbst fiel sodann auch das aktuelle Haushaltsbudget der Teilung des Kongresses – dem Senat mit demokratischer Mehrheit und dem Repräsentantenhaus mit republikanischer Mehrheit – zum Opfer. Im Anschluss an den dadurch ausgelösten, für die Republikaner eher unrühmlichen Government Shutdown einigten sich die beiden Parteien für die Fiskaljahre 2014 und 2015 auf einen Budgetrahmen, der die schlimmsten automatischen Ausgabenkürzungen (Sequester) aus dem Budget Control Act 2011 zu korrigieren vermochte. Damit ist für das laufende und das nächste Fiskaljahr der Rahmen für eine geordnete Haushaltspolitik grundsätzlich gegeben.

Trotz harscher Kritik konnte der Sequester im Zusammenspiel mit anderen anlässlich des Budget Control Act beschlossenen Kürzungen sowie der Nichtverlängerung der Steuererleichterungen für Jahreseinkommen über 400 000 US-Dollar die Haushaltslage merklich beruhigen. Gemäss Prognosen des Congressional Budget Office (CBO) liegt das Budgetdefizit im laufenden Jahr noch knapp über 3% des BIP und dürfte bis Ende des Jahrzehnts unter dieser Schwelle bleiben. Gleichzeitig ist von einer stabilisierenden Schuldenquote von rund 75% (bezogen auf öffentlich gehandelte Staatsanleihen)[4] bzw. 100% (bezogen auf die Gesamtschuld)[5] des BIP auszugehen. Diesem positiven Trend zum Trotz ist zu beachten, dass die bisherigen Ausgabenkürzungen ausschliesslich in jenem Drittel des Bundesbudgets vorgenommen wurden, über welches der Kongress frei verfügen kann. Damit sind neben der Verteidigung insbesondere die für die künftige Wirtschaftsentwicklung bedeutenden Bereiche Infrastruktur und Bildung von Kürzungen betroffen. Die tiefer greifende Problematik, dass die gesetzlich gebundenen Ausgaben im Gesundheitswesen und bei der Rentenversicherung eine langfristig nicht nachhaltige Entwicklung aufweisen, bleibt hingegen ungelöst.

Anfang vom Ende der expansiven ­Geldpolitik


Die in Grafik 1 dargestellte relative Stabilisierungsprognose impliziert ein beträchtliches reales Wirtschaftswachstum. Über die nächsten vier Jahre geht das CBO konkret von einem realen Wachstum von durchschnittlich über 3,1% pro Jahr aus. Die in diesem Zeitraum erwartete Inflation wird gemäss IWF bis 2018 geringfügig über das von der US-Notenbank Federal Reserve Board (Fed) angestrebte 2-Prozent-Ziel ansteigen. Auch aufgrund der sich entspannenden Arbeitsmarkterwartungen hat das Fed mit dem sogenannten Tapering den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik (Quantitative Easing) eingeläutet. Solange die Inflation unter 2% und die Arbeitslosenquote über 6,5% liegt, will es allerdings am tiefen Zielband der Federal Funds Rate – und damit an einer expansiven Geldpolitik – festhalten. Zwar können aktuell viele Unternehmen vom äusserst liquiden Umfeld profitieren. Dennoch gilt es für den US-amerikanischen Währungshüter, diese Überschussliquidität in der Höhe von 2,5 Bio. US-Dollar im Auge zu behalten. Sollte es dem Fed – beziehungsweise deren neuer Präsidentin Janet Yellen – nicht gelingen, den mittlerweile systemischen Liquiditätsüberschuss rechtzeitig abzuschöpfen, wäre spätestens mittelfristig mit einer unerwünscht hohen Teuerung zu rechnen.

201403_08D_Grafik01.eps[1]

Gleichzeitig sei insbesondere auf den Zielkonflikt verwiesen, dass ein allfällig ansteigendes Zinsniveau mit einer Verschärfung der Budgetproblematik im Bereich der Bedienung der eigenen Staatsanleihen einhergehen könnte. Das CBO stellt in diesem Zusammenhang in Aussicht, dass sich die Zinszahlungen auf den Treasuries bis 2024 vervierfachen werden. Der Schluss , dass die klassische Unterscheidung zwischen Geld- und Fiskalpolitik zunehmend schwieriger wird.

Demografische Entwicklung hinterlässt Spuren im Arbeitsmarkt


Die ab 2007 sprunghaft angestiegene ­Arbeitslosenquote fiel im Verlauf von 2013 von 7,9% auf ein Fünfjahrestief von 6,7%. Das Fed erwartet, dass dieser positive Trend auch in den kommenden Jahren Bestand haben und sich ab 2016 bei rund 5,5% einpendeln wird. Ein Erreichen des Vorkrisenniveaus von unter 5% ist in diesem Sinne auch mittelfristig nicht zu erwarten.

201403_08D_Grafik02.eps[1]

Im Dezember 2013 wurden im Vergleich zum Vormonat zwar rund 490 000 Amerikaner als arbeitslos registriert. Allerdings sind mit 347 000 über zwei Drittel dieses Rückgangs nicht auf die Schaffung neuer Stellen, sondern auf die statistische Ausgliederung aus der Erwerbsbevölkerung zurückzuführen.[6] Insbesondere aufgrund dieser 
Abhängigkeit vom Anteil der als aktiv eingestuften Bevölkerung sind die obigen Prognosen mit Vorsicht zu geniessen. So geht das Bureau of Labor Statistics (BLS) davon aus, dass der rückläufige Trend bei der Erwerbsquote – sprich der Anteil der im Arbeitsmarkt aktiven Erwachsenen – auch in Zukunft Bestand haben wird. Während 2002 noch 66,6% aller Erwachsenen als im Arbeitsmarkt aktiv eingestuft waren, rapportiert das BLS aktuell eine Quote von 62,8%. Als Folge eines erwarteten Rückgangs in der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen von über 5% sowie insbesondere der bevorstehenden Pensionierung der Baby-Boomer-Generation wird bis 2022 ein Rückgang der Quote bis auf 61,6% prognostiziert. In absoluten Zahlen wurden 2013 – wie im Vorjahr – pro Monat durchschnittlich gut 180 000 Arbeitsstellen geschaffen. Zukünftig ist gemäss BLS insbesondere im Gesundheitswesen sowie in der Bauindustrie das grösste Wachstumspotenzial zu orten. Im Gegensatz dazu rechnet das BLS im Landwirtschaftsbereich und im Staatswesen mit einem Rückgang. Eine weitere Herausforderung stellt das stetige Bevölkerungswachstum dar: Wuchs die Erwerbsbevölkerung während der vergangenen zehn Jahre um 9 Mio. Personen, so waren monatlich schon rund 75 000 neue Stellen nötig, um eine ­konstante Arbeitslosenquote ausweisen zu können.

201403_08D_Grafik03.eps[1]

Längerfristig stehen etliche ungelöste Probleme an


Obwohl die US-amerikanische Volkswirtschaft noch vor einigen Hindernissen steht, darf die unmittelbar bevorstehende Zukunft als positiv beurteilt werden. Mittelfristig ist von einer – zumindest relativ zum BIP – stabilen Schuldensituation, einer positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sowie einer Rückkehr zu gesundem Wirtschaftswachstum auszugehen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die aktuell im Finanzsystem schlafende Liquidität nicht ungehindert in den Kreis der Konsumenten gelangt, künftige Erhöhungen der Schuldenobergrenze im Kongress durchkommen und die US-Wirtschaft nicht einen externen Schock erfährt. Insbesondere in der langen Frist stehen die USA angesichts des ungebremsten Kostenanstiegs im Gesundheitswesen und der Altersvorsorge sowie des komplexen und investitionshindernden Steuersystems mit den weltweit höchsten Gewinnsteuersätzen vor erheblichen ungelösten Problemen.

  1. Bureau of Labor Statistics. []
  2. Bureau of Economic Analysis. []
  3. Office of Management and Budget. []
  4. Debt held by the public. []
  5. Total Debt. []
  6. Bureau of Labor Statistics. []

Zitiervorschlag: Renggli, Josef; Maeder, Nicolas (2014). Wie steht es um die Konjunkturlage in den USA? Die Volkswirtschaft, 01. März.