Die Volkswirtschaft: Herr Sturm, Sie sind Niederländer. Wie haben Sie die Abstimmung zur Zuwanderungsinitiative von Mitte Februar erlebt?
Jan-Egbert Sturm: Am selben Abend hat mich noch das niederländische Radio angefragt, um meinen Landsleuten zu erklären, was nun genau in der Schweiz passiert ist. Für die Niederländer ist der Ausgang der Abstimmung schwierig nachzuvollziehen, denn sie sind sehr pro-europäisch – und dies, obwohl das Land in den letzten Jahren wirtschaftliche Probleme hatte. Weil sie eine traditionelle Handelsnation sind, ist die Idee der Personen-, Güter- und Dienstleistungsfreiheit bei den Niederländern historisch stark verankert.
Die Volkswirtschaft: Hat Sie der Ausgang überrascht.
?Jan-Egbert Sturm: Ehrlich gesagt, habe ich mit dem Ergebnis nicht gerechnet. Im Vorfeld habe ich gedacht, dass die Schweizer Bevölkerung bei solchen wirtschaftlich wichtigen Themen letztendlich sehr rational entscheiden würde, so wie es bei früheren Abstimmungen der Fall war. Das war diesmal nicht mehr so, auch wenn das Ergebnis sehr eng war. In den vergangenen Jahren waren bei solchen Wirtschaftsthemen die potenziellen volkswirtschaftlichen Konsequenzen oft ausschlaggebend. Dieser Mechanismus hat nicht mehr so funktioniert wie in der Vergangenheit. Aus rein volkswirtschaftlicher Perspektive ist es schwierig, sich mit dem Abstimmungsergebnis gesamtwirtschaftlich positive Effekte vorzustellen.
Die Volkswirtschaft: Wird der Entscheid also der Schweizer Volkswirtschaft schaden?
Jan-Egbert Sturm: Langfristig dürfte das Wachstum der Schweiz wohl geringer sein als mit der Personenfreizügigkeit. Es hängt aber massgeblich davon ab, wie die Masseneinwanderungsinitiative genau ausgestaltet und wie die Europäische Union reagieren wird.
Die Volkswirtschaft: Die Argumente der Wirtschaft scheinen nicht mehr Gehör zu finden, wie die jüngsten Abstimmungen zeigen. Kann es sein, dass die Schweizer Bevölkerung der Wirtschaft nicht mehr traut?
Jan-Egbert Sturm: Ich kann mir schon vorstellen, dass das Vertrauen in Bezug auf alles, was mit Wirtschaft zu tun hat, in den letzten Jahren gesunken ist. Die Bankenkrise war für das Image der Wirtschaft sicherlich nicht förderlich – das hat sich ja auch bei der Diskussion um die Abzockerinitiative gezeigt. Zudem haben wir einige turbulente Jahre hinter uns. Wirft man einen Blick auf gewisse Länder, sehen wir immer noch zahlreiche akute Probleme: In den aufstrebenden Märkten schwanken die Wechselkurse stark, Japan und die USA verfolgen eine sehr expansive Geldpolitik, und mehrere europäische Länder tragen die Last einer hohen Staatsverschuldung. Die Schweiz ist eine Insel inmitten dieser Länder. Natürlich ging auch die Finanz- und Wirtschaftskrise nicht spurlos an uns vorbei, und auch wir stecken nicht mehr in der sogenannten Great Moderation, in der man dachte, volkswirtschaftlich würde alles relativ glatt über die Bühne gehen. Die Schweizer haben wohl das Gefühl, dass durch eine Abschottung Turbulenzen moderater ausgehen könnten.
Die Volkswirtschaft: Ist das so?
Jan-Egbert Sturm: In der heutigen Welt ist es kaum möglich, sich vom Geschehen der Weltwirtschaft zu lösen. Durch die Internationalisierung ist man in den letzten Jahrzehnten effizienter geworden, und damit ist der Wohlstand für eine Mehrheit der Bevölkerung gestiegen. Eine Abschottung gleicht in vielerlei Hinsicht einem technologischen Rückschritt. Für mich ist es ein Abwägen zwischen wirtschaftlicher Stabilität und Fortschritt.
Die Volkswirtschaft: Wie wird die Annahme der SVP-Initiative in Ihre Prognosemodelle einfliessen? Ist das ein Thema?
Jan-Egbert Sturm: Ja, das ist ein Thema – konkret etwa für den Arbeitsmarkt und für die Investitionstätigkeit der Firmen. Unsicherheit hat in erster Linie einen Einfluss auf die Investitionen. Der dritte Bereich, der relevant ist, sind die Auswirkungen auf die Importe und Exporte mit Europa. Die EU-Länder sind die wichtigsten Handelspartner für die Schweiz. Wird der Zugang zum europäischen Binnenmarkt erschwert, werden dies die Schweizer Importe und Exporte spüren. Aber wie gesagt ist es aus jetziger Perspektive noch sehr schwer, einzuschätzen, wie sich das alles entwickeln wird. Kurzfristig müssen wir Prognostiker versuchen, die derzeitige Unsicherheit in unseren Modellen umzusetzen.
Die Volkswirtschaft: Hat der Volksentscheid in der Schweiz Wirkungen auf die Europawahlen?
Jan-Egbert Sturm: Ich denke ja. Die Frage ist, wie gross die Auswirkung ist. Es ist tatsächlich Wasser auf die Mühlen von gewissen rechtsgerichteten Parteien, die in Europa eine Rolle spielen. Die Zuwanderung bzw. ihre Beschränkung ist auch ein grosses Thema in Grossbritannien.
Die Volkswirtschaft: Die Schweiz steht mit der Ecopop-Initiative vor einer weiteren Abstimmung zur Einwanderung. Dabei steht die Wachstumskritik im Zentrum der Diskussion: Braucht es Wachstum in einer Volkswirtschaft?
Jan-Egbert Sturm: Ich verstehe diese Frage eigentlich nicht, obwohl sie immer wieder gestellt wird. Aus meiner Perspektive wachsen wir langfristig, solange es technologischen Fortschritt bzw. Effizienzgewinne geben wird. Der zweite Grund, warum wir wachsen, ist in der Tat die gestiegene Beschäftigung und die Zunahme der Gebäude- und Maschinenparks. Auf die Frage, ob man technologischen Fortschritt braucht, würde ich sagen, wir brauchen ihn nicht unbedingt, aber die Menschheit tickt nun mal so. Wir versuchen, uns immer weiter zu verbessern, und das ist wahrscheinlich auch gut so, denn sonst wäre die Menschheit nicht da, wo sie jetzt steht. Das ist also schon fast eine philosophische Frage.
Die Volkswirtschaft: Das ist doch nicht nur eine philosophische Frage. Im Hinblick etwa auf die Überalterung unserer Gesellschaft brauchen wir Wirtschaftswachstum, um die Altersvorsorge zu finanzieren.
Jan-Egbert Sturm: Konzeptionell brauchen wir das nicht unbedingt; es ist aber hilfreich für Systeme, die auf Umlageverfahren – das heisst, die arbeitende Bevölkerung finanziert die pensionierte Bevölkerung – beruhen. Wenn man die Ansprüche genügend reduziert, wird jedes System wirtschaftlich tragbar. Sozial gesehen, sind dann aber Probleme vorprogrammiert. Eine höhere Zuwanderung von wirtschaftlich aktiven Personen lindert die Belastung derartiger Systeme.
Die Volkswirtschaft: Die Schweiz war in der Finanz- und Wirtschaftskrise resistenter als die Staaten in Europa und die USA. Bleibt die Schweiz krisenresistent?
Jan-Egbert Sturm: Was die Schweiz in dieser Phase auszeichnete, waren die Stabilität und die Sicherheit, die das Land nach aussen ausstrahlte, und die politische Stabilität, die das Land hat. Das macht sie in unsicheren Zeiten nicht nur für die Auslandinvestoren zu einem sicheren Hafen, sie ist es auch in vielen anderen Bereichen. Ich denke, dass das eine Eigenschaft ist, die in einer solchen Phase unglaublich hilfreich war. Meine These ist: Wenn die Unsicherheit in der Weltwirtschaft allmählich nachlässt, sollte also auch diese Funktion als sicherer Hafen allmählich nachlassen. Die Frage ist, wie schnell das geschieht. Das ist nicht so einfach zu beantworten. Wir sehen jetzt gewisse Tendenzen einer konjunkturellen Erholung – Amerika wächst ein bisschen stärker, als manche erwartet hatten. Europa kommt langsam aus einer tiefen Rezession heraus. Das ist alles noch nicht hervorragend, aber es ist etwas besser als zuvor.
Die Volkswirtschaft: Kommen wir noch einmal auf die Gründe für die Standhaftigkeit der Schweiz zu sprechen: Gibt es nicht noch andere Aspekte wie die Unabhängigkeit der Zentralbank oder die Zuwanderung, die in der Krise für die Schweiz zentral waren?
Jan-Egbert Sturm: Ja, das sind dann spezifischere Details. Ich habe jetzt sehr allgemein über Stabilität gesprochen, und ein wichtiges Element dieser Stabilität war natürlich die Schweizerische Nationalbank. Wir haben davon profitiert, dass die SNB unabhängig agieren konnte und nicht in einem Konsortium handeln musste, so wie das in Europa der Fall gewesen ist. Im Nachhinein erweist sich das durchaus als Vorteil. Die Personenfreizügigkeit hat sicherlich auch dazu beigetragen, die Binnenkonjunktur in Gang zu halten. Die Schweiz war oder ist in einer Spirale: Es lief gut, wodurch Stellen geschaffen worden sind, und die Personenfreizügigkeit hat dann dafür gesorgt, dass diese Stellen oftmals mit Migranten besetzt wurden, die wiederum eine neue Nachfrage kreiert haben, und so weiter. Das sind sich gegenseitig verstärkende Faktoren gewesen, die die Schweiz gut durch die Krise manövriert haben.
Die Volkswirtschaft: Wenn wir jetzt die Abstimmung anschauen und über Bevölkerungswachstum sprechen – wie zentral ist Bevölkerungswachstum für Wirtschaftswachstum?
Jan-Egbert Sturm: Ich glaube, dass es nicht unbedingt zentral sein muss, wenn der Zuwachs lediglich eine quantitative Ausweitung beinhaltet. Allerdings im Schweizer Kontext nicht wirklich. In den letzten Jahren haben die Schweizer Unternehmen gerade sehr selektiv die Leute, die innerhalb der Schweiz schwer oder gar nicht zu bekommen sind, eingestellt. Und das führt dazu, dass das Bevölkerungswachstum im Schweizer Kontext langfristige positive Folgen für das Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum haben muss. Es ist sehr schwierig, das richtig zu quantifizieren, aber rein konzeptionell ist diese Erhöhung des Wirtschaftspotenzials ein grosser Vorteil. Wenn es im Prinzip nur eine Vermehrung des gleichen Personenbestands ist, dann ist es nur eine Ausweitung des Kuchens ohne qualitativen Mehrwert. In so einem Fall denke ich nicht, dass die Personenfreizügigkeit einen positiven Einfluss auf das reale Einkommen – das heisst auf die Pro-Kopf-Entwicklung – gehabt hätte.
Die Volkswirtschaft: Wie erklären Sie sich das Phänomen, dass in der Schweiz viele Arbeitsplätze geschaffen wurden und gleichzeitig die Arbeitslosenquote nicht sinkt?
Jan-Egbert Sturm: Das ist ein Phänomen der letzten anderthalb Jahre. Um es zu verstehen, muss man ein wenig in die sektoralen Unterschiede hineingehen: Wo wir ein sehr starkes Beschäftigungswachstum gesehen haben, war der Bereich der persönlichen Dienstleistungen. In diesem spielt der Gesundheitssektor eine wichtige Rolle. In der exportorientierten Industrie sahen wir hingegen eher einen Abbau. Wer keine Stelle in einem Maschinenbauunternehmen findet, kann nicht ohne Weiteres eine Stelle als Arzt annehmen. Das hat zu einem leichten Anstieg der Arbeitslosenquote in den letzten anderthalb Jahren geführt. Da stellt sich die Frage, ob das nicht passiert wäre, wenn wir die Personenfreizügigkeit nicht gehabt hätten. Das glaube ich ehrlich gesagt nicht, weil dieses Problem durch den Rückgang des weltweiten Handels und der reduzierten Nachfrage nach gewissen Schweizer Produkten verursacht worden ist. Das Phänomen ist nicht durch das zusätzliche Angebot an Arbeitskräften entstanden.
Die Volkswirtschaft: Bisher bezeichneten Sie die Frankenstärke – und damit die Festlegung des Mindestkurses durch die Nationalbank – als das zentrale Thema in der wirtschaftspolitischen Diskussion der Schweiz. Hat sich das nun geändert?
Jan-Egbert Sturm: In der Tendenz ja, und zwar aus zwei Gründen. Erstens war die Wechselkurspolitik gerade in der Krisenphase unglaublich wichtig. Das heisst nicht, dass sie jetzt nicht mehr wichtig ist, aber verglichen mit der Situation vor ein paar Jahren hat ihre Bedeutung abgenommen. Das zweite Thema, die Personenfreizügigkeit, war bereits vor der wegweisenden Abstimmung im Februar ein grosses Thema in der Schweiz. Aber durch die Annahme der Initiative hat diese Diskussion einen anderen Stellenwert bekommen. Wenn man beide Themen vergleicht, hat sich der Schwerpunkt verlagert, auch wenn beide – letztendlich voneinander getrennte – Themenbereiche weiterhin wichtig bleiben.
Die Volkswirtschaft: Zum Euro-Franken-Mindestkurs: Wann kommt der Ausstieg der SNB?
Jan-Egbert Sturm: Das ist eine gute Frage. Kurzfristig werden wir den Ausstieg noch nicht sehen. Es gibt keinen Grund für die SNB, in der jetzigen Situation von diesem Erfolgsrezept abzuweichen. Natürlich, irgendwann stellt sich die Frage: Wann steigt man aus? Dies wird wahrscheinlich innerhalb der SNB sehr häufig diskutiert werden, und auch bei uns diskutieren wir das immer wieder. Aber das zu prognostizieren, ist schwierig. Einzig die Absicht ist klar definiert: Die SNB wird sich irgendwann wieder zurückziehen.
Die Volkswirtschaft: Was heisst kurzfristig? Rechnen wir mit zwei, drei Jahren?
Jan-Egbert Sturm: Wir sind Konjunkturprognostiker. Das heisst, unser Zeithorizont beschränkt sich auf das laufende, höchstens noch auf das kommende Jahr.
Die Volkswirtschaft: Können Sie mir trotzdem die aus Ihrer Sicht grössten Herausforderungen für die Schweiz für die nächsten zwei, drei Jahre nennen?
Jan-Egbert Sturm: Die grösste Herausforderung ist eine rein politische: Wie geht die Schweiz mit Europa um? Ich formuliere es absichtlich so. Ich denke noch nicht einmal an die Kontingente, obwohl dieses Thema auch sehr wichtig ist. Aber die Frage geht weit darüber hinaus. Was bedeutet die Zueinwanderungsinitiative für die Kooperation zwischen der Schweiz und Europa, für die bilateralen Verträge? Was kann von den bisherigen Vereinbarungen bestehen bleiben, und wie entwickeln wir uns weiter? Denn man kann nicht stehen bleiben. Europa entwickelt sich auch weiter.
Die Volkswirtschaft: Gilt das unabhängig von der Abstimmung?
Jan-Egbert Sturm: Ja, das war auch schon vor der Abstimmung ein grosses Thema. Jetzt hat es natürlich eine andere Dimension bekommen.
Die Volkswirtschaft: Die institutionelle Zusammenarbeit der Schweiz mit Europa ist also etwas vom Zentralsten für den Wirtschaftsstandort Schweiz?
Jan-Egbert Sturm: Für die Schweiz ist das sehr, sehr wichtig. Wir sind eine kleine Volkswirtschaft, wie auch immer man das misst, und da ist man stark angewiesen, was die grossen Länder um einen herum machen. Wir konnten uns einige Zeit auf eine sehr gute Binnenkonjunktur verlassen, aber in der längeren Frist kann man die Schweizer Wirtschaft nicht isoliert von Europa sehen.
Die Volkswirtschaft: Und wenn wir von der Branchenebene sprechen: Hat der Finanzplatz Schweiz das Schlimmste überstanden, oder kommen neue Herausforderungen auf uns zu?
Jan-Egbert Sturm: Wahrscheinlich haben wir das Schlimmste hinter uns. Trotzdem heisst das nicht, dass wir in einem stationären Zustand angekommen sind und sich nichts mehr ändert. Die Rahmenbedingungen im Finanzbereich ändern sich laufend. Wir müssen sehen, wie sich die Bankenunion in Europa weiterentwickelt und welche Konsequenzen das wiederum für den Finanzplatz Schweiz haben wird. Änderungen in den bilateralen Verträgen mit der EU werden ebenfalls Konsequenzen für diese Branche haben.
Die Volkswirtschaft: Welches sind die grossen Fragezeichen bei der Bankenunion, also der gemeinsamen Kontrolle der wichtigsten Finanzinstitute in der EU, im Hinblick auf die Schweiz?
Jan-Egbert Sturm: Die Bankenunion ist eine der zentralen Baustellen in Europa. Ich bin überzeugt, dass sich noch einige Probleme bei den europäischen Banken verstecken. Diese Branche befindet sich sicherlich noch nicht dort, wo sie auch aus gesellschaftlicher Perspektive sein müsste. In den Büchern ist noch einiges versteckt. Es war für die Banken teilweise politisch noch nicht der richtige Zeitpunkt, die Karten vollständig offen auf den Tisch zu legen. Diesbezüglich stehen die Schweizer Banken besser da als so manche im Euroraum.
Interview: Nicole Tesar
Zitiervorschlag: Tesar, Nicole (2014). «Ich habe mit dem Ergebnis nicht gerechnet». Die Volkswirtschaft, 01. März.
Die KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich ist am Departement Management, Technologie und Ökonomie (D-MTEC) der ETH Zürich angegliedert. Die KOF erstellt eine Vielzahl von Prognosen und Indikatoren zur Konjunkturbeobachtung. Gefragt nach dem Nutzen von Prognosen, macht KOF-Leiter Jan-Egbert Sturm den Vergleich zu Wetterprognosen. Im Alltag brauche es ein Gefühl, wo man stehe und wo die Reise hingehe. «Das hilft uns den Tag zu meistern, etwa bei Fragen, die lauten: Brauche ich am nächsten Tag einen Regenschirm?» Ähnlich verhalte es sich mit den Konjunkturprognosen. «Diese helfen den Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung ihre Investitionen zu planen», erklärt Sturm. Die Daten aus den KOF-Unternehmensbefragungen sind einmalig in der Schweiz. Monatlich und vierteljährlich führt das Institut bei rund 11 000 Firmen Befragungen durch. «Damit halten wir den Finger am Puls der Schweizer Wirtschaft», sagt Sturm. Die Teilnahme an der Umfrage ist freiwillig. Die Unternehmen erhalten jedoch im Gegenzug die Auswertung der Befragungen. Aus diesen Daten generiert die KOF verschiedene Indikatoren (KOF Konjunkturbarometer, KOF Beschäftigungsindikator, KOF Geschäftslage), die ein Stimmungsbild der Schweizer Wirtschaft wiedergeben. Die KOF ist auch (zusammen mit dem ifo-Institut in München) an der sogenannten Gemeinschaftsdiagnose für Deutschland beteiligt. Die Gemeinschaftsdiagnose ist die für Deutschland massgebliche Konjunkturprognose. Sie wird seit 1950 im Auftrag des deutschen Wirtschaftsministeriums von führenden Wirtschaftsforschungsinstituten erstellt. Die Treffen finden zweimal im Jahr statt. «Wir sind sehr stolz darauf, dass wir bereits seit 2006 dabei sein dürfen. Das ist nicht selbstverständlich», so Sturm. Die KOF betreibt das deutschsprachige Internetportal Ökonomenstimme (http://www.oekonomenstimme.org), auf dem sich Ökonomen zu aktuellen ökonomischen und wirtschaftspolitischen Themen äussern.
Die KOF präsentiert Ende März das neue, grundlegend überarbeitete KOF Konjunkturbarometer, welches in dieser Form seit 2006 im Einsatz war. Damit trägt die KOF dem Umstand Rechnung, dass sich die Charakteristika des Konjunkturverlaufs aufgrund der Grossen Rezession und der Eurokrise veränderten. Das neue Barometer profitiert zudem von methodischen Neuerungen und der zunehmenden Anzahl verfügbarer Datenreihen. Im revidierten Barometer kommen über 200 Zeitreihen zusammen, die so die Robustheit und die Stabilität des Barometers verbessern. Ausserdem wurden die in das KOF Konjunkturbarometer einfliessenden KOF Konjunkturumfragen um zusätzliche Branchen und Sektoren ergänzt und ausgeweitet. Die Auswahl der Variablen stützt sich auf theoretisch gültige Zusammenhänge. Eine statistische Analyse der Variablen erfolgt neu innerhalb eines definierten automatischen Auswahlalgorithmus, der die Indikatorvariablen identifiziert, die einen empirisch erkennbaren Vorlauf von bis zu sechs Monaten zu der Referenzreihe aufweisen. Während das frühere KOF Konjunkturbarometer sich auf die Wachstumsrate des BIP im Vorjahresvergleich als Referenzreihe bezog, orientiert sich das neue Instrument an einer Verlaufswachstumsrate.