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Offene Daten: Wertvoller Rohstoff der öffentlichen Verwaltung

Die öffentliche Verwaltung erhebt im Rahmen ihrer Aufgaben jährlich eine grosse Menge an Daten über das Leben in der Schweiz. Richtig verarbeitet, können diese wertvollen Informationen im Alltag eine grosse Hilfe sein und auch zum Verständnis der politischen Schweiz beitragen. Gleichzeitig können die Datenbestände des Bundes, der Kantone oder der Gemeinden als Basis für neue Informatikdienstleistungen dienen. Im Projekt «Open Government Data Schweiz» leitet das Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) zurzeit die Erarbeitung der Grundlagen für die Förderung von offenen Behördendaten in der Schweiz.
Der Vergleich der Krankenkassenprämien ist eine der Anwendungen auf dem schweizerischen Open-Data-Pilotportal. (Bild: Screenshot healthinsurance.opendata.ch)

In der Schweiz werden jährlich die neuen Krankenkassenprämien für die einzelnen Kantone veröffentlicht. Die Kostenunterschiede sind gross und beeinflussen das Budget jeder Familie. Die Daten der Krankenkassenprämien sind auf dem Pilotportal opendata.admin.ch frei verfügbar. Daraus hat eine Gruppe von Entwicklern eine Anwendung in Form einer Karte programmiert, die es der breiten Öffentlichkeit erlaubt, die Preisunterschiede auf einen Blick zu erfassen. Man stelle sich vor, dass nicht nur die Krankenkassenprämien, sondern auch die Mietpreise, die Kriminalitätsrate, die ÖV-Anbindung oder die Umweltbelastung kombiniert und für jede Gemeinde abrufbar wären. Diese Vision ist in England bereits Realität. Die Anwendung illustreets.co.uk kombiniert frei verfügbare Datensätze von verschiedenen Behörden zu einem Atlas, welchen die englische Bevölkerung bei einem Umzug online konsultieren und durch den sie eine attraktive Wohngegend finden kann. Mit der Entwicklung von Anwendungen aus der Kombination von Datensätzen können Anbieter von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) Geld verdienen. Der Staat profitiert von diesem Umsatz über die Steuereinnahmen und kann Gebührenausfälle kompensieren, die er zugunsten der freien Verfügbarkeit der Behördendaten in Kauf genommen hat. Die Bereitstellung von Open Government Data (OGD) wird so trotz Gebührenbefreiung zu einem rentablen Modell.

Volkswirtschaftlicher Mehrwert offener Behördendaten


Informationsdienstleistungen gewinnen allgemein an Bedeutung und Marktpotenzial. Begründete Entscheidungen basierend auf den richtigen Informationen zu treffen, ist ein Grundsatz für die Etablierung einer Informationsgesellschaft. IKT-Produkte und -Dienstleistungen machen Informationen vor allem im Internet schneller auffindbar. Nicht unter den Begriff «offene Behördendaten» fallen jene Angebote, die speziell auf Kundenwunsch entwickelt werden. So werden diese aufwendig programmierten, kundenspezifischen Produkte wohl auch in Zukunft gegen Gebühren verkauft.

Erste wissenschaftliche Untersuchungen


Verschiedene internationale Studien haben bereits den wirtschaftlichen Nutzen von OGD untersucht. Die Schwerpunkte dieser Studien sind sehr unterschiedlich: So gibt es Studien, die sich auf den Bereich der Geodaten beschränken, und andere, die den gesamten Themenbereich der Public Sector Information untersuchen. Die unterschiedliche Ausrichtung der Studien erschwert Vergleiche zwischen den einzelnen Publikationen.Untersuchungen zum wirtschaftlichen Nutzen von OGD in der Europäischen Union schätzen das volkswirtschaftliche Potenzial von OGD auf zwischen 10 und 48 Mrd. Euro. In der Schweiz stellte eine erste Studie fest, dass «trotz aller Unsicherheiten in Methodik und Datenlage (…) sich der jährliche Wertschöpfungsanteil aus OGD in der Schweiz etwa zwischen 0,9 und 1,2 Mrd. Franken bewegen dürfte».[1] Somit sind die wirtschaftlichen Auswirkungen von OGD aufgrund der starken Vernetzung unterschiedlichster Bereiche noch schwer abzuschätzen. Es ist auch davon auszugehen, dass die Wirtschaft das Vorgehen bei der Nutzung von digitalen Informationen noch optimieren wird. Das Potenzial bei der Datennutzung ist noch nicht ausgeschöpft. Entsprechende Kompetenzen und Infrastrukturen werden kontinuierlich aufgebaut. Es ist damit zu rechnen, dass es nach der Veröffentlichung der Daten mehrere Jahre dauern wird, bis die Wirtschaft darauf aufbauend gewinnträchtige Produkte entwickelt haben wird.

Transparenz und Nachvollziehbarkeit


Neben dem wirtschaftlichen Mehrwert ermöglicht OGD, den steigenden Ansprüchen der Öffentlichkeit nach mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit in Verwaltung, Politik sowie Wirtschaft gerecht zu werden. Gerade in der Schweiz, wo die Bürgerinnen und Bürger dank der direkten Demokratie viele Geschäfte (mit)entscheiden können, bieten gut aufbereitete Daten eine Hilfe für die Meinungsbildung. So wird die teure Sanierung einer Quartierstrasse möglicherweise einfacher nachvollziehbar, wenn die Stimmenden auf der gerade neu erschienenen Unfallkarte der Schweiz[2] sehen, dass es genau an dieser Strasse zu besonders vielen Unfällen kommt.Um das Vertrauen von Bevölkerung, Wirtschaft und Politik zu gewinnen, soll gerade die öffentliche Verwaltung nachfrage- und nutzerorientiert handeln. Dafür ist eine möglichst breite Partizipation die Voraussetzung. Das OGD-Konzept befolgt genau diese Maximen, indem es öffentliche Informationsquellen kostenlos und frei zur Verfügung stellt. Wirtschaft, Forschung, Politik und Zivilgesellschaft sollen von den maschinenlesbar zugänglichen Daten profitieren und deren Potenzial für die Informationsbeschaffung nutzen können.

Strategische Vorarbeiten und Pilotportal


Die Schweizer Politik hat sich 2011 der Thematik OGD aus der Perspektive der Chancen und Risiken angenähert. Ein politischer Vorstoss forderte damals die Abklärung des zu erwartenden Nutzens sowie des erforderlichen Investitionsumfangs einer stärkeren Förderung von OGD. Der Bundesrat veröffentlichte daraufhin im September 2013 den Bericht «Open Government Data als strategischer Schwerpunkt im E-Government», der unter anderem strategische, rechtliche und technische Grundlagen von OGD untersuchte. Zudem erteilte der Bundesrat dem Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) den Auftrag, eine OGD-Strategie Schweiz 2014–2018 auszuarbeiten. Diese wurde am 16. April 2014 verabschiedet. Die Strategie definiert Zielsetzungen und Massnahmen zur Umsetzung von OGD bis 2018. Obwohl die Strategie nur für die Bundesverwaltung bindend ist, soll sie mit wenig Anpassungsaufwand auch Kantonen und Gemeinden als Grundlage für die Umsetzung dienen können. Die Erarbeitung der Strategie ist aus diesem Grund in Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern aller föderalen Ebenen erfolgt. Auch Exponenten aus Wirtschaft, Wissenschaft und der Open-Data-Community sind mit einbezogen worden. Neben den strategischen Vorarbeiten erarbeitete eine Gruppe von Bundesämtern unter der Leitung des Bundesarchivs ein Open-Data-Pilotportal. Auf opendata.admin.ch stellen Behörden wie Swisstopo, das Bundesamt für Statistik (BFS) oder der Kanton Zürich Teile ihrer bereits zugänglichen Daten neu zentral in einem Portal zur Verfügung. Ziel des Pilots war es, die Machbarkeit eines solchen Zugangs zu Schweizer Behördendaten aufzuzeigen. Auf dem Pilotportal stehen heute 1800 Datensätze aus unterschiedlichsten Themengebieten und von acht verschiedenen Behörden, darunter ein Kanton, zur Verfügung. Auch finden sich auf dem Portal bereits zehn Anwendungen, die alle zumindest teilweise aus Daten, die auf opendata.admin.ch zu finden sind, entwickelt wurden.

Die Erfahrungen mit dem Pilotbetrieb werden beim Aufbau eines nationalen OGD-Portals berücksichtigt, das im Rahmen der OGD-Strategie vorgesehen ist.

Was sind die Voraussetzungen für Open Government Data?


Der Bereitstellung der Behördendaten als OGD gehen Massnahmen und Abklärungen im Bereich Recht, Standardisierung und Finanzierung voraus. Soll sich OGD als Konzept etablieren, ist eine Neuorientierung der Verwaltung nötig. Die systematische Freigabe und Bereitstellung von Behördendaten muss zunächst schrittweise in den Publikationsprozess einer Behörde integriert werden. Bevor eine Behörde OGD umsetzt, muss sie sich darüber klar werden, dass nicht alle Daten, die sie produziert, offen und frei zur Verfügung gestellt werden können. Und nicht alle Daten weisen ein gleich grosses Potenzial auf. Die Inventarisierungsarbeiten, welche die Datenbestände einer Verwaltungsstelle hinsichtlich Freigabemöglichkeit kategorisieren sollen, sind für den OGD-Freigabeprozess zentral. Den Öffnungsprozess pragmatisch und nachhaltig zu gestalten sowie den nötigen Kulturwandel anzustossen, ist die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Etablierung von OGD.

Eine zivilgesellschaftliche Bewegung


Zu guter Letzt sind die offene Zugänglichkeit und die freie Nutzung von Daten auch ein internationales gesellschaftspolitisches Anliegen. In der Schweiz vertritt der Verein Opendata.ch, der Schweizer Teil der Open Knowledge Foundation, die Forderung nach mehr offenen Behördendaten. Der Verein führt erfolgreich Konferenzen und Veranstaltungen durch, an denen sich Softwareentwickler, Designer, Medienschaffende und weitere Interessierte treffen, um gemeinsam Anwendungen zu programmieren. Bisher haben über 600 Personen an solchen Veranstaltungen teilgenommen und dabei über 70 Anwendungen und Prototypen entwickelt.[3]

  1. Adelheid Bürgi-Schmelz (2013): Wirtschaftliche Auswirkungen von Open Government Data, S. 100. []
  2. Siehe www.unfallkarte.ch. []
  3. Siehe make.opendata.ch. []

Zitiervorschlag: Juan Pablo Lovato, Andre Golliez, (2014). Offene Daten: Wertvoller Rohstoff der öffentlichen Verwaltung. Die Volkswirtschaft, 10. Mai.

Was unterscheidet Open Data und Big Data?

Die Begriffe «Open Data» und «Big Data» werden häufig in enge Beziehung zueinander gesetzt. Sie sind aber klar voneinander abzugrenzen. Während es bei Open Data um die offene Zugänglichkeit und die freie Wiederverwendung von personenunabhängigen Daten öffentlicher Institutionen geht, fokussiert der Begriff «Big Data» die Menge der Daten unbesehen von Zugänglichkeit, Verwendung und Personenbezug. Big Data erfordert neue Methoden und technische Instrumente, mit denen sich die rasch wachsenden Datenmengen zugunsten neuer Geschäftsmodelle verarbeiten und analysieren lassen. Big Data blendet Transparenz- und Datenschutzaspekte grundsätzlich aus, kann sich aber in der wirtschaftlichen Nutzung grosser Datenmengen mit Open Data überlappen.