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Wie Unternehmen die Datenflut bewältigen und für sich nutzen

Informations- und Kommunikationstechnologien erlauben Unternehmen eine weitgehende Erfassung betriebsrelevanter Sachverhalte. Moderne betriebswirtschaftliche Konzepte sind vielfach datengetrieben. So benötigt das Management der Kundenbeziehungen eine umfassende Information über Verhalten und Einstellungen der Kunden. Internet und Mobilfunktechnologien kommen dem entgegen, indem sie eine genaue Analyse des Kundenverhaltens ermöglichen. Darüber hinaus erzeugen soziale Medien eine neue Art der virtuellen Öffentlichkeit. Die Unternehmen müssen die damit verbundenen Herausforderungen in ihrem betrieblichen Informationsmanagement berücksichtigen.

Wie Unternehmen die Datenflut bewältigen und für sich nutzen

Kunden können heute über verschiedene Kanäle mit dem Unternehmen und seinen Produkten interagieren. Deshalb geht es darum, möglichst alle Interaktionen an den verschiedenen Kontaktpunkten zu registrieren. Foto: Keystone

Die Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien hat in Unternehmen zu einer immer weiter gehenden und genaueren Erfassung von betriebsrelevanten Sachverhalten geführt. Neben der Erfassung rein innerbetrieblicher Vorgänge sind auch die Schnittstellen zur Aussenwelt und die Interaktionen mit Kunden und Lieferanten von grosser Bedeutung.

Der Kunde steht im Zentrum des Interesses


Das Verfolgen des Kundenverhaltens – und allenfalls auch der Kundeneinstellungen – ist aus der Perspektive des Marketings ein vorrangiger Informationsgegenstand. Das moderne Konzept des Customer Relationship Management (CRM) legt den Fokus auf einen spezifischen Kunden und dessen Verhalten. Voraussetzung für die möglichst individuelle Behandlung des einzelnen Kunden ist eine umfassende Datensammlung, die möglichst alle Kundeninteraktionen an den verschiedenen Kontaktpunkten eines Unternehmens zu registrieren versucht. Moderne Unternehmen richten oftmals verschiedene Kontaktkanäle ein, über die Kunden mit dem Unternehmen und seinen Produkten interagieren können.

Klassisch ist der Kontakt in einem Ladenlokal, in dem Kunden die Produkte ausgestellt vorfinden und sie auch kaufen können. Die Verkaufspunkte in den Läden sind mittlerweile typischerweise in zentralisierte Informationssysteme eingebunden, die jede einzelne Verkaufsposition registrieren und in den entsprechenden Systemen auf vielfältige Weise weiterverarbeiten. Grossverteiler wie Migros oder Coop betreiben in etlichen Filialen in den verschiedenen Landesteilen eine grosse Zahl von Kassensystemen, bei denen täglich eine enorme Menge von Transaktionen anfällt. Der Informationswert dieser Daten kann durch die Zuordnung der Transaktionen zu einzelnen Kunden noch gesteigert werden, was etwa Kundenkarten ermöglichen.

Gesammelte Daten nutzbar machen


Mit den gesteigerten Möglichkeiten der Aufzeichnung relevanter Vorgänge geht die Problematik einer effektiven Verarbeitung der generierten Datenmengen einher. In manchen Fällen werden erhobene Daten nicht sachgerecht weiterverarbeitet, und so wird das Informationspotenzial der erhobenen Datenberge nicht effektiv genutzt.[1] Dieser Befund ist nicht einmal primär der Verarbeitungsproblematik von grossen Datenmengen geschuldet. Als wesentliche Ursache ist das Entstehen von organisatorischen und technischen Silos zu nennen, die das Zusammenfassen von Daten über gleiche Objekte sehr erschweren können.Um die Integrations- und Auswertungsprobleme über heterogene Datenbestände in den Griff zu bekommen, ist das Konzept des Data Warehouse entstanden. Daten aus den verschiedenen Anwendungssystemen werden mithilfe einiger Transformationsschritte zu einer einheitlichen Datenbasis zusammengetragen und für Auswertungszwecke geeignet strukturiert. Diese Datenbasis lässt sich dann mithilfe von interaktiven Werkzeugen – wie dem Online Analytical Processing und dem Data Mining – auswerten. Am Konzept des Data Warehouse zeigt sich, dass die Bewältigung grosser und heterogener Datenmengen eine strukturelle und eine analytische Komponente beinhalten kann.

Pflege der Kundenbeziehung dank Webanalyse


Seit den 1990er-Jahren haben im Zusammenhang mit dem Internet und dem Mobilfunk neue Kundenkontaktkanäle zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese Technologien bieten systeminhärent weitgehende Möglichkeiten, das Verhalten von Kunden zu registrieren. Im Internet kann jeder Abruf einer Webseite protokolliert werden. Dies geschieht am einfachsten durch Anlegen und Auswerten von Logdateien. Mit einer systematischen Webanalyse lässt sich das Kundenverhalten auf dem eigenen Webauftritt auch abseits des eigentlichen Verkaufs erfassen. Dabei entstehen schnell grosse Datenmengen, die für Auswertungszwecke verdichtet und angereichert werden müssen. Die Verarbeitung dieser Daten erfordert spezielle Analysewerkzeuge. Die Informationen über Benutzer eines Webauftritts und deren Verhalten können unmittelbar umgesetzt werden, um ihren vermeintlichen Bedürfnissen entgegenzukommen und ihr Verhalten im Sinne der Marketingziele zu beeinflussen. Die Schlüsseltechnologie dazu ist die Personalisierung, mit der eine dynamische Ausgestaltung von Webauftritten im Hinblick auf bestimmte Benutzer erfolgt. Analog zu Instrumenten des Data Mining kann das Verhalten aller Kunden analysiert und daraufhin automatisiert in CRM-Massnahmen umgesetzt werden. Eine durch populäre Webauftritte wie Amazon bekannt gewordene Technik ist etwa das Collaborative Filtering. Auf der Basis einer Analyse des Verhaltens aller Benutzer oder einer bestimmten Benutzergruppe sind Schlussfolgerungen über das Verhalten in einem konkreten Einzelfall möglich. Dies wird genutzt, um einem Kunden in einer konkreten Situation eine Kaufempfehlung abzugeben. Ruft ein Benutzer ein bestimmtes Produkt auf, so weist das System gleich auf weitere Produkte hin, die von anderen Kunden mit Interesse für das gleiche Produkt ebenfalls ausgewählt worden sind. Dabei wird unterstellt, dass der Kunde ähnlich gelagerte Interessen hat und sich deshalb auch für die vorgeschlagenen Produkte interessieren könnte.

Der Blick über den eigenen Webauftritt hinaus


Normalerweise bleibt einem Anbieter das Benutzerverhalten ausserhalb der eigenen Webauftritte verborgen. Das Potenzial von datengetriebenen Marketingmassnahmen steigt unmittelbar, wenn nicht nur das Verhalten der eigenen Kundenbasis ausgewertet werden kann, sondern wenn übergreifende Informationen über das Verhalten von Kunden im Netz zur Verfügung stehen. Hier bieten sich vor allem im Rückgriff auf die Datenerhebung bei Intermediären einige Möglichkeiten. Ansatzpunkt ist dabei vor allem, dass die Erlösmodelle von etlichen internetbasierten Unternehmen wesentlich auf der Verbreitung von Werbung basieren und diese ursächlich mit dem Erfassen von Kundenverhalten und dem Generieren von Kundenprofilen verknüpft ist.Im Internet hat sich mittlerweile eine Reihe von Anbietern stark frequentierter Webauftritte mit Portalfunktion etabliert, deren Geschäftsmodell wesentlich auf dem Generieren und Nutzen von Kundendaten beruht. Diese lassen sich für eigene Zwecke nutzen, können aber auch anderen Interessenten zugänglich gemacht werden. Ein vorrangiges Beispiel sind Suchmaschinen-Anbieter wie Google, bei denen ein Grossteil der Suchanfragen – und damit Interessensäusserungen von Internetnutzern – anfallen. Auch Social-Media-Plattformen wie Facebook sind als Datenpool für verschiedene Aktivitäten von Benutzern von Bedeutung. Die Nutzung der Dienstleistungen derartiger Plattformen ist vordergründig kostenfrei. Es muss den Benutzern jedoch bewusst sein, dass sie für die Nutzung letztlich mit ihren Daten bezahlen, die von den Plattformen erhoben und ausgewertet werden.

Soziale Medien erschliessen persönliche Meinungen


Weitere Möglichkeiten zur Sammlung von Daten über Kundenverhalten bieten sich durch das Auswerten von öffentlich verfügbaren Daten, die im Internet zur Verfügung stehen. Durch die intensive Nutzung des Internets ist eine Art virtueller Öffentlichkeit entstanden. Insbesondere die sozialen Medien verleiten viele Menschen zu einer Preisgabe von persönlichen Informationen sowie von Meinungen und Einstellungen zu einer Vielzahl von Themen. Dies geschieht etwa über Blogs, Forumsbeiträge bei Online-Communities, Kommentare auf diversen Webauftritten oder Einträge auf Social-Media-Plattformen. Für Unternehmen sind vor allem Meinungen über das Unternehmen selbst und speziell über eigene Produkte von hohem Interesse.Die systematische Beobachtung und Auswertung aller veröffentlichten Informationen im World Wide Web, soweit sie einen Bezug zu einem Unternehmen, seiner Geschäftstätigkeit und seinen Produkten haben, ist ein neuartiges Handlungsfeld des betrieblichen Informationsmanagements. Die Daten müssen ausgewertet und allenfalls in konkrete kommunikative oder sonstige Marketingmassnahmen umgesetzt werden. Als besondere Schwierigkeit erweisen sich unter anderem die sehr grosse Zahl möglicher relevanter Veröffentlichungen, die sehr verschiedenen und heterogenen Quellen und die unterschiedlichen verwendeten Sprachen.

Virales Marketing: Ein heikles Terrain


Im Interesse eines Unternehmens steht es natürlich, positive Meldungen hervorzurufen und deren Verbreitung zu begünstigen. Eine einfache Massnahme besteht darin, auf dem eigenen Webauftritt die Abgabe von Kundenkommentaren zu ermöglichen. Ein aufwendigeres Konzept ist die Etablierung einer eigenen Online-Community, in der sich Interessierte über ein Unternehmen und seine Produkte austauschen können. Das virale Marketing macht sich die Weitergabe von Meinungen im Internet zunutze. Aufhänger sind dabei vor allem originelle Werbemassnahmen, die über die Hinweise und Weiterempfehlungen im Internet eine breite Aufmerksamkeit erhalten und zudem über das Erzeugen von Backlinks die Relevanz einer entsprechenden Aktion etwa bei Suchmaschinen erhöhen.Die Weitergabe von Benutzerurteilen hat für Unternehmen nicht nur positive Seiten. Ebenso rasch verbreiten sich auch negative Meldungen, die damit eine ungleich grössere Breitenwirkung erfahren können. Individuelle negative Erlebnisse finden relativ schnell den Weg in die Öffentlichkeit und werden über verschiedene Medien potenziert. Dies kann zu heftigen, breit abgestützten Aktionen gegen ein Unternehmen führen. Derartige «Shitstorms» sind bereits wiederholt aufgetreten und haben bei den betroffenen Unternehmen zu ernst zu nehmenden Reputationsschäden geführt. Ein Unternehmen muss sich gegen solche Ereignisse wappnen und dafür geeignete Kommunikationsstrategien zurechtlegen.

  1. In diesem Zusammenhang wird auch davon gesprochen, dass heutige Unternehmen datenreich, aber informationsarm seien (data rich but information poor). []

Zitiervorschlag: Thomas Myrach (2014). Wie Unternehmen die Datenflut bewältigen und für sich nutzen. Die Volkswirtschaft, 10. Mai.

Mobile Geräte ermöglichen den Ortsbezug

Im Zusammenhang mit mobilen Geräten ist eine weitere Art der Personalisierung von Bedeutung, bei der die Kontextsituation erhoben und aus­gewertet wird, in der sich ein Benutzer befindet. Der Orts- und Zeitbezug einer Benutzeranfrage kann dazu benutzt werden, die gesendeten Informa­tionsangebote zu steuern. So ist es technisch etwa möglich, einen Benutzer auf Angebote von in der unmittelbaren Nähe befindlichen Geschäften hinzuweisen. Die Anwendung derartiger Technologien führt dazu, dass zusätzlich noch Geodaten erhoben und analysiert werden müssen.

Kompetenznetzwerk Digitale Information

Das interdisziplinäre Kompetenznetzwerk Digitale Information der Universität Bern beschäftigt sich mit den Herausforderungen, die durch die zunehmende Digitalisierung in der Gesellschaft entstehen. Dabei wird unter anderem erforscht, wie sich die heutige Datenflut intelligent handhaben lässt. Auf dem Weg zu einer Wissensgesellschaft müssen aus Big Data relevante Informationen extrahiert werden, welche den Individuen und der Gesellschaft insgesamt helfen, ihr Wissen zu erweitern. Wir laden Personen aus Wirtschaft, Verwaltung und Forschung ein, sich bei Interesse an diesem Thema mit Prof. Dr. Edy Portmann (edy.portmann@iwi.unibe.ch) in Verbindung zu setzen.