Kapazitätsentwicklung in der Entwicklungszusammenarbeit: Institutionen vor Ort umfassend befähigen
Entstanden ist das Konzept der Kapazitätsentwicklung in den 1990er-Jahren, als eine Prioritätenverschiebung von technischer Hilfe hin zu ganzheitlichen Programmansätzen einsetzte. Der Grund für diese Veränderung lag in der wachsenden Erkenntnis, dass die traditionellen Entwicklungsansätze oft ineffizient blieben. Lokale Institutionen waren nach Projektende oft nicht in der Lage, ihre Aufgaben selbstständig wahrzunehmen.
Entwicklungszusammenarbeit ist seither nicht mehr nur technische Hilfe und Wissenstransfer, sondern setzt sich umfassendere, gemeinsam erarbeitete Ziele. Sie unterstützt Reformen, die gesellschaftspolitische Veränderungen hervorbringen sollen. Begriffe wie Eigenverantwortung, Partizipation und Politikdialog werden Teil des partnerschaftlichen Entwicklungsdiskurses. Die einzelnen Interventionen sind darauf ausgerichtet, betroffene Institutionen zu befähigen, ihre Funktion so auszuüben, dass sie ihre Entwicklungsziele aus eigenem Antrieb erreichen können.
Grösserer Erfolgsdruck – bessere Resultate
Der Ansatz der Kapazitätsentwicklung hat die Entwicklungszusammenarbeit unter einen grösseren Erfolgsdruck gestellt, was sich positiv auf die Resultate auswirkt. Es reicht nicht mehr aus, Gerätschaften zu liefern und sicherzustellen, dass sie vor Ort auch in Betrieb genommen werden. Der Kapazitätsentwicklungsansatz der heutigen Entwicklungsprojekte soll die verantwortliche lokale Institution umfassend befähigen: Ein optimales Ressourcenmanagement sichert den langfristigen Betrieb und ermöglicht die Entwicklung und die Optimierung übergeordneter Rahmenbedingungen. Strategieentwicklung und -umsetzung, Aufbau und Pflege von Partnerschaften sowie das Überprüfen der eigenen Fortschritte gehören zur angestrebten Entwicklung von Schlüsselkapazitäten.
Kapazitätsentwicklung hat den klassischen Top-down-Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit zwar erfolgreich abgelöst und den Fokus verstärkt auf die Erreichung nachhaltiger Resultate gelegt. Nach wie vor bleiben aber die praktische Umsetzung und der konkrete Erfolgsnachweis eine Herausforderung.
Drei Beispiele aus der Praxis
Die nachfolgenden Artikel geben einen Überblick über Projekte mit Schwerpunkt Kapazitätsentwicklung, wie sie von der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden. Sie sind auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Bereichen angesiedelt. Im Fall von Peru zielt die Unterstützung auf die Ebene des Zentralstaates, gefolgt von Regionen und Gemeinden. Sie fördert und ermöglicht die transparente und nachhaltige Bewirtschaftung der Staatsfinanzen.
Die Unterstützung bei Reformen des Steuersystems zielt auf eine optimale Mobilisierung finanzieller Ressourcen und dementsprechend auf einen finanziell nachhaltigen Staatshaushalt. Ein Steuerdialog mit den die Steuerlast tragenden Bürgerinnen und Bürgern soll den Staat für deren Bedürfnisse sensibilisieren und einen Beitrag zu einer bürgernahen Staatsführung leisten.
Corporate-Governance setzt auf Firmenebene an und befähigt Unternehmen in der Professionalisierung ihrer Gouvernanzstrukturen. Die Einhaltung von Corporate-Governance-Standards dämmt finanzielle Risiken ein und stärkt die soziale und ökologische Nachhaltigkeit der Wirtschaft.
Zitiervorschlag: Leibundgut, Iren (2014). Kapazitätsentwicklung in der Entwicklungszusammenarbeit: Institutionen vor Ort umfassend befähigen. Die Volkswirtschaft, 01. Juni.