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Die Finma und der Kundenschutz im Bankensektor – heute und in Zukunft

Die Finma leistet einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Finanzmarktkunden: Zum einen übt sie über die Akteure am Schweizer Finanzplatz eine prudenzielle – also präventive – Aufsicht nach den Finanzmarktgesetzen aus; zum anderen überprüft sie die Einhaltung von Verhaltenspflichten. Die Schweizer Finanzmarktregulierung beruht traditionell auf dem Konzept des mündigen Finanzmarktkunden. Die neue Architektur des Kundenschutzes im Finanzsektor sollte diesem Grundsatz auch in Zukunft verpflichtet sein.
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Die vom Gesetzgeber formulierten Kernziele der Finanzmarktaufsicht sind der Schutz der Gläubiger und der Anleger (Individualschutz) sowie der Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte (Funktionsschutz).[1] Der Individualschutz, auf den wir uns im Folgenden konzentrieren, kommt direkt den Finanzmarktkunden zugute. Diese sollen vor Insolvenzen der Finanzinstitute, vor unlauteren Geschäftspraktiken und vor Ungleichbehandlung im Effektenhandel geschützt werden. Um Banken und kollektive Kapitalanlagen, die nicht überlebensfähig sind, rasch und mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Finanzmarktkunden und das Gesamtsystem abwickeln zu können, verfügt die Finma über weitreichende Aufgaben und Kompetenzen als Insolvenzbehörde. Im Vordergrund ihres Mandats steht dabei immer der Schutz des öffentlichen Interesses und damit der kollektive Kundenschutz. Für die Durchsetzung von privatrechtlichen Interessen ist der zivilrechtliche Weg einzuschlagen.[2]

Bewilligung als präventives Instrument


Wer in der Schweiz etwa als Bank, Versicherungsunternehmen, Effektenhändler, Fondsleitung oder Asset-Manager tätig werden will, hat bei der Finma vorgängig eine Bewilligung zu beantragen. Die Bewilligung wird nur dann erteilt, wenn der Antragsteller die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Diese zielen in erster Linie auf die Sicherung der Solvenz, eine genügende Risikokontrolle, eine angemessene Governance und die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit ab. Damit soll sichergestellt werden, dass nur Akteure am Finanzplatz tätig werden, die ihre Dienstleistungen in einer von der Rechtsordnung vorgesehenen Weise erbringen, und dass die ihnen anvertrauten Gelder sicher sind. Die gesetzlichen Bewilligungsvoraussetzungen sind ein präventives Instrument zur Kontrolle des Marktzutritts und bilden einen Grundpfeiler des Kundenschutzes. Die Finanzmarktkunden werden damit vor unseriösen, risikobehafteten Anbietern geschützt. Zudem fallen die Transaktionskosten[3] für die Kunden damit viel tiefer aus.

Wird ein Finanzdienstleister in einem bewilligungspflichtigen Bereich ohne Bewilligung tätig, schreitet die Finma ein. Kommen weder eine nachträgliche Bewilligung noch eine Umwandlung der Tätigkeit infrage, wird die Gesellschaft unter Federführung der Finma liquidiert.[4]

Aufsicht und Verhaltenspflichten


Die von der Finma bewilligten Finanzdienstleister (Bewilligungsträger) unterstehen der laufenden Aufsicht. Sie haben neben den dauernd zu erfüllenden Bewilligungsvoraussetzungen eine ganze Reihe von besonderen Vorschriften und Verhaltenspflichten im Umgang mit ihren Kunden zu beachten.

Für Effektenhändler[5] sowie Bewilligungsträger und ihre Beauftragten im Bereich der kollektiven Kapitalanlagen[6] bestehen gesetzlich festgeschriebene Verhaltenspflichten. Zudem sind die von der Finma als Mindeststandards anerkannten Selbstregulierungen verbindlich. Deren Einhaltung wird von anerkannten Prüfgesellschaften kontrolliert. Zu diesen Selbstregulierungen zählen namentlich die Richtlinie der Schweizerischen Bankiervereinigung für Vermögensverwaltungsaufträge[7] und deren Verhaltensregeln für Effektenhändler[8] sowie die Verhaltensregeln der Swiss Funds & Asset Management Association für die Fondswirtschaft und für Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen[9]. Die entsprechenden Selbstregulierungen haben im Minimum die Anforderungen zu erfüllen, die von der Finma im Rahmen der «Eckwerte zur Vermögensverwaltung» als Mindeststandards formuliert worden sind.[10] Inhalt der gesetzlichen wie der selbstregulatorischen Verhaltenspflichten bilden – in Anlehnung an zivilrechtliche Vertragsverhältnisse – insbesondere Treue-, Sorgfalts- und Informationspflichten, die gegenüber den Kundinnen und Kunden zu beachten sind.

Mündige Kunden


Den Kundenschutz im Finanzmarktbereich prägen unterschiedliche Ansätze. Vorherrschend ist der Ansatz des Schutzes durch eine möglichst umfassende Kundeninformation. Andere aufsichtsrechtliche Ansätze sehen die Möglichkeit eines direkten Eingriffs in die Leistungserbringung der Finanzdienstleister vor.[11] Der Entscheid für die Wahl des einen oder des anderen Ansatzes ist letztlich ein politischer.

Die Schweizer Finanzmarktregulierung steht generell in der Tradition, auf den mündigen Finanzmarktkunden abzustützen. Im Vordergrund der geltenden Verhaltenspflichten stehen die aus dem privatrechtlichen Auftragsverhältnis abgeleiteten Informations-, Sorgfalts- und Treuepflichten. Der Fokus liegt dabei auf den Informationspflichten.[12] Gleichwohl sehen beispielsweise die von der Finma in Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung[13] aufgestellten Eckwerte zur Vermögensverwaltung[14] bereits heute die vorvertraglichen Erkundigungspflichten für den Vermögensverwalter vor. Der Vermögensverwalter hat sich mit einer Befragung über den Wissensstand und die Risikobereitschaft seines Kunden zu informieren sowie die persönlichen Verhältnisse und Bedürfnisse des Kunden abzuklären. Um seinen Sorgfaltspflichten nachzukommen, hat der Vermögensverwalter zudem neben den eingesetzten Anlagestrategien auch das Risikoprofil des Kunden regelmässig dahin gehend zu überprüfen, ob es nach wie vor der Situation des Kunden Rechnung trägt.[15]

Durchsetzung und Abwicklung


Besteht begründete Besorgnis, dass ein Unternehmen im Zuständigkeitsbereich der Finma überschuldet ist oder ernsthafte Liquiditätsprobleme hat und erscheint eine Sanierung aussichtslos oder ist diese gescheitert, eröffnet die Finma den Konkurs. Dieses Eingreifen dient dem vom Gesetzgeber bezweckten Schutz von Anlegern und Gläubigern und damit auch der Finanzmarktkunden.

Erwähnenswert in diesem Kontext ist das Instrument der Einlagensicherung[16] im Bankenbereich. Mit dem Einlegerschutz sollen in erster Linie die Einleger vor Verlusten bewahrt werden. Die Existenzgrundlage eines Bankkunden muss auch dann gewährleistet sein, wenn das betreffende Institut in Konkurs geht. Zudem stärkt die Einlagensicherung den Funktionsschutz, indem sie einem Bankensturm entgegenwirkt und die Ansteckungsgefahr bei Bankkrisen verringert. In der Schweiz gelten 100 000 Franken pro Kunde als privilegierte Einlage.[17]

Kundenschutz morgen


Die Architektur des Kundenschutzes im Finanzmarktrecht soll in Zukunft zwar nicht fundamental verändert, aber punktuell verbessert werden. Die Finma hat in ihrem Positionspapier «Vertriebsregeln» (siehe Kasten 1) insbesondere angeregt, die Informationspflichten beim Vertrieb von Finanzdienstleistungen klarer und einheitlicher zu regeln. Finanzdienstleister sollen etwa verpflichtet werden, Angemessenheit und Eignung ihrer Dienstleistungen im Hinblick auf den einzelnen Kunden eingehender zu prüfen. Weiter verlangt die Finma, die Informationen über Finanzprodukte zu verbessern, indem die Anforderungen an die Produktdokumentationen erhöht werden. Zudem soll der Kreis der beaufsichtigten Finanzdienstleister ausgedehnt und sollen neu alle Finanzdienstleister – also auch die sogenannten unabhängigen Vermögensverwalter – einer Aufsicht unterstellt werden.

Ob und wie diese Punkte im geplanten Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) umgesetzt werden, ist zum Zeitpunkt der Redaktion dieses Beitrags nicht bekannt. Zu wünschen ist, dass die Umsetzung im Rahmen einer intelligenten und schlanken Regulierung erfolgt. Dem in der Schweizer Tradition fest verwurzelten Ansatz einer prinzipienbasierten Regulierung und dem Anspruch einer Geschäftsbeziehung zwischen beaufsichtigtem Finanzdienstleister und mündigem Kunden sollte auch im Fidleg nachgelebt werden. Unnötig formale Vorschriften sind zu vermeiden und internationale Bestimmungen nicht unbesehen zu übernehmen. Zu regeln ist, was mit Blick auf den Zweck und die Äquivalenz notwendig und sinnvoll ist.

  1. Art. 5 Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz, Finmag) vom 22. Juni 2007 (SR 956.1). []
  2. Vgl. auch Strategische Ziele der Finma 2013 bis 2016, S. 5. []
  3. Dabei stehen insbesondere die Informationsbeschaffungskosten der Finanzmarktkunden im Vorfeld einer Transaktion im Vordergrund, die bei prudenziell beaufsichtigten Instituten in der Regel bedeutend geringer sein dürften. []
  4. Finma-Bericht vom 24. November 2010, Kundenschutz – gemeinsam gegen illegale Finanzintermediäre, S. 4. []
  5. Art. 11 Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz, BEHG) vom 24. März 1995 (SR 954.1). []
  6. Art. 20 Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagengesetz, KAG) vom 23. Juni 2006 (951.31). []
  7. Richtlinien für Vermögensverwaltungsaufträge vom 6. November 2013 der Schweizerischen Bankiervereinigung. []
  8. Vereinbarung für Effektenhändler bei der Durchführung des Effektenhandelsgeschäftes vom 22. Oktober 2008 der Schweizerischen Bankiervereinigung. []
  9. Verhaltensregeln für die schweizerische Fondswirtschaft vom 30. März 2009 und Verhaltensregeln für Vermögensverwalter von kollektiven Kapitalanlagen vom 31. März 2009 der Swiss Funds & Asset Management Association. []
  10. Finma-Rundschreiben 2009/1 «Eckwerte zur Vermögensverwaltung, Eckwerte für die Anerkennung von Selbstregulierungen zur Vermögensverwaltung als Mindeststandard» (Finma-RS 09/1 «Eckwerte zur Vermögensverwaltung»). []
  11. Vgl. z. B. den Ansatz der Financial Conduct Authority (FCA) in Grossbritannien. []
  12.  []
  13. Urteil 4A_140/2011 vom 27. Juni 2011. []
  14. Finma-Rundschreiben «Eckwerte». []
  15. Finma-Rundschreiben «Eckwerte», Rz 7.1. []
  16. 1Art. 37a BankG. []
  17. Finma-Faktenblatt «Schutz der Bankeinlagen» vom 17. Juni 2013. []

Zitiervorschlag: Arquint, Nina; Bieri, Noël (2014). Die Finma und der Kundenschutz im Bankensektor – heute und in Zukunft. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.

Lehren der Finma aus der Finanzkrise

Im Hinblick auf den Kundenschutz hat die Finma die Lehren aus der Finanzkrise, die es aus ihrer Sicht zu ziehen gilt, bereits eingehend dargelegt; vgl. dazu den Bericht «Madoff-Betrug und Vertrieb von Lehman-Produkten: Auswirkungen auf das Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsgeschäft» vom 2. Februar 2010 sowie das Positionspapier «Regulierung der Produktion und des Vertriebs von Finanzprodukten» vom 24. Februar 2012 («Vertriebsregeln»). Dieser Beitrag umreisst deshalb vielmehr den heute geltenden Kundenschutz im Bankensektor und die Ausgangslage, in der künftige Anpassungen erfolgen. Der Beitrag beschränkt sich auf den Kundenschutz im Bankensektor. Nicht behandelt wird der Kundenschutz im Versicherungsbereich. Der Begriff des Bankensektors wird im weiteren Sinne verstanden und umfasst auch die Bereiche Effektenhändler sowie kollektive Kapitalanlagen.