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Verbesserter Kundenschutz mit dem neuen Finanzdienstleistungsgesetz

Das neue Finanzdienstleistungsgesetz führt sektorübergreifende Regeln für das Angebot von Finanzdienstleistungen und den Vertrieb von Finanzinstrumenten in das Schweizer Finanzmarktrecht ein. Die Vorschriften sollen das Kräfteungleichgewicht zwischen Finanzdienstleistern und Kunden verkleinern und den Schweizer Finanzmarkt stärken. Klare Verhaltensregeln für Finanzdienstleister, verbesserte Produktdokumentationen für Finanzinstrumente und Erleichterungen bei der privaten Rechtsdurchsetzung bilden die drei tragenden Säulen des Erlasses.

Das Schweizer Finanzmarktrecht soll die Kunden – d. h. Gläubiger, Anleger und Versicherte – vor unzulässigem Verhalten anderer Marktteilnehmer schützen und das Vertrauen in einen stabilen und funktionierenden Markt stärken. Diesem Ziel dienen die bestehenden Regeln über die Bewilligung und die Beaufsichtigung von Finanzdienstleistern. Neben der prudenziellen Aufsicht sind jedoch auch ein angemessenes Verhalten der Finanzdienstleister ihren Kunden gegenüber sowie Transparenz über die angebotenen Produkte wichtig für den Kundenschutz. Hier weist das geltende Recht Mängel auf. Insbesondere schützen die Vorschriften die Marktteilnehmer nur unzureichend vor dem Informations- und Kräfteungleichgewicht zwischen Kunden und Finanzdienstleistern. Im März 2012 beauftragte deshalb der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD), eine sektorübergreifende Regulierung von Finanzprodukten und Finanzdienstleistungen zu erarbeiten.[1] Ziele des Finanzdienstleistungsgesetzes (Fidleg) sind eine Stärkung des Kundenschutzes sowie die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes.

Verhaltensregeln verbessern die Qualität der Kundenbetreuung


Für einen fundierten Anlageentscheid sind Kunden auf Informationen über ihren Finanzdienstleister sowie über die angebotenen Finanzdienstleistungen angewiesen. Die Verhaltensregeln des Fidleg verlangen deshalb, dass jeder Finanzdienstleister angemessene Informationen über sich selbst und sein Tätigkeitsfeld zur Verfügung stellt. Weiter muss er die Kunden auf seine wirtschaftlichen Bindungen an Dritte hinweisen und sie über den Inhalt, die Risiken und die Kosten seiner Finanzdienstleistung und der angebotenen Finanzinstrumente aufklären. Er darf sich künftig nur noch als unabhängig bezeichnen, wenn er eine ausreichende Anzahl von Finanzinstrumenten in seine Evaluation einbezieht und keine finanziellen Anreize von Dritten entgegennimmt, ohne sie vollumfänglich an die Kunden weiterzugeben.

Damit ein Finanzdienstleister im Interesse seiner Kunden tätig werden kann, muss er deren Kenntnisse und Erfahrungen bezüglich der infrage stehenden Geschäftsart kennen. Er ist daher im Vorfeld einer Dienstleistung zu einer Angemessenheitsprüfung verpflichtet, das heisst, er beurteilt nach den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung für diesen angemessen sind. Wenn er eine Transaktion für unangemessen hält, setzt er den Kunden darüber in Kenntnis.

Finanzdienstleister können ihre Kunden bei der Anlage des Vermögens nur beraten, wenn sie deren Erfahrungen, Kenntnisse, Anlageziele und finanzielle Verhältnisse kennen. Das Fidleg verlangt deshalb, dass ein Finanzdienstleister nur dann zur Durchführung eines Geschäfts raten darf, wenn eine Eignungsprüfung ergeben hat, dass das Geschäft vor dem Hintergrund der Anlageziele und der finanziellen Verhältnisse des Kunden angebracht ist und dieser ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen hat, um die Risiken des Geschäfts zu verstehen. Nicht nur bei der Anlageberatung, sondern auch vor Abschluss eines Vertrags über die Vermögensverwaltung hat der Finanzdienstleister sicherzustellen, dass der Kunde die Dienstleistung versteht und die gewählte Anlagestrategie seinen Zielen und Vermögensverhältnissen entspricht.

Der Kontakt zwischen Finanzdienstleistern und ihren Kunden erfolgt in der Regel über einen Kundenberater des Dienstleisters. Damit die Kunden in der Praxis auch tatsächlich korrekt beraten werden, ist sicherzustellen, dass Kundenberater die erwähnten Verhaltensregeln kennen und über die notwendige Fachkunde verfügen. Die Verhaltensregeln berücksichtigen die unterschiedlichen Bedürfnisse der angesprochenen Kundensegmente. Für die Betreuung von professionellen Kunden wie Banken, Versicherungen oder grösseren Unternehmen gelten weniger strenge Vorschriften als für die Beratung von Privatkunden. Die Verhaltensregeln sind öffentliches Recht und sollen durch die Aufsichtsbehörde überprüft werden. Verstösse können vom einzelnen Kunden nicht bei der Aufsichtsbehörde geltend gemacht werden. Ihm werden durch das Fidleg neue Instrumente zur privaten Rechtsdurchsetzung zur Verfügung gestellt.

Produktdokumentationen schaffen Transparenz für den Anleger


Die Prospektpflichten für Finanzprodukte sind derzeit uneinheitlich und lückenhaft. Sie genügen den Bedürfnissen der Anleger nicht. So können nicht kotierte Aktien einer Schweizer Gesellschaft nach den geltenden Bestimmungen im Obligationenrecht öffentlich angeboten werden, ohne dass die Anleger über die Risiken und Chancen des Angebots aufgeklärt werden müssen. Hingegen sieht die Selbstregulierung der SIX Swiss Exchange bereits heute im Kotierungsreglement für die Zulassung von Effekten weit höhere, international kompatible Anforderungen vor.

Prospektpflicht


Um bei diesen Mängeln Abhilfe zu schaffen, führt das Fidleg eine umfassende Prospektpflicht für Effekten ein. Ein Prospekt ist zu veröffentlichen für alle vereinheitlichten und zum massenweisen Handel geeigneten Bucheffekten, Wertpapiere, Wertrechte und Derivate, die öffentlich angeboten oder an einem Handelsplatz gehandelt werden. Die Anforderungen an den Prospekt sind weitgehend vereinheitlicht. Sie tragen aber den unterschiedlichen Verhältnissen auf den verschiedenen Märkten Rechnung. So sind namentlich Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen sowie diverse Ausnahmen nach der Art des Angebots und der Effekten vorgesehen.

Das Fidleg sieht vor, dass Prospekte vor ihrer Veröffentlichung in der Regel einer Prüfung zu unterziehen sind. Dies entspricht schon heute der Praxis der Börse bei kotierten Effekten. Die Prüfung soll durch eine Prüfstelle erfolgen, welche von der Finma zur Wahrnehmung dieser öffentlich-rechtlichen Aufgabe zugelassen wird. Es ist davon auszugehen, dass für diese Aufgabe im Markt Bewerber vorhanden sind oder sich bilden werden.

Basisinformationsblatt für Privatkunden


Der Prospekt ist mit seinen umfassenden Informationen über Art, Gegenstand und Risiken einer Effekte als Grundlage für den Anlageentscheid eines Privatkunden nur bedingt tauglich. Er enthält nach seiner Funktion eine umfassende Beschreibung des Produkts und ist für die Kunden oft zu ausführlich und zu wenig übersichtlich. Mangels anderweitiger Angaben stützen sich die Kunden bei ihren Kaufentscheiden deshalb regelmässig auf Werbematerialien der Produktanbieter ab. Dies kann zu Missverständnissen und falschen Erwartungen führen. Bereits gemäss geltendem Recht ist daher im Kollektivanlagenbereich für Effektenfonds und übrige Fonds für traditionelle Anlagen ein Dokument mit den «Wesentlichen Informationen für die Anlegerinnen und Anleger» zu veröffentlichen. Das Fidleg nimmt diesen Ansatz auf und sieht vor, dass alle Ersteller von – auch nicht als Effekten ausgestalteten – Finanzinstrumenten (mit Ausnahme der Aktien) ein Basisinformationsblatt (BIB) zu erstellen haben, soweit das Finanzinstrument an Privatkunden verkauft werden soll. Das BIB ist dem Kunden vor Vertragsabschluss kostenlos zur Verfügung zu stellen. Es soll als Kurzdokumentation eine fundierte Anlageentscheidung und einen Vergleich verschiedener Finanzinstrumente ermöglichen. Entsprechend ist das BIB in leicht verständlicher Sprache abzufassen, mit den wesentlichen Produktinformationen zu versehen und unabhängig von der Art des Finanzinstruments einheitlich auszugestalten. Die Informationen erfassen insbesondere Art und Merkmale eines Finanzinstruments, das Risiko- und Renditeprofil sowie die Kosten. In der EU sind im Rahmen der Prips-Verordnung vergleichbare Vorschriften absehbar.

Private Rechtsdurchsetzung stärkt die Position der Kunden


Die Stellung der Kunden wird nur dann verbessert, wenn diese mit den Mitteln der privaten Rechtsdurchsetzung erfolgreich gegen ein Fehlverhalten ihres Finanzdienstleisters vorgehen können. Das Fidleg stärkt deshalb die Institution der Ombudsstelle und verlangt, dass sich alle Finanzdienstleister einer Ombudsstelle anschliessen. Sie soll jedoch wie die bekannten Ombudsstellen der Banken und Versicherungen weiterhin ausschliesslich als Schlichtungsstelle auftreten und keine Entscheidkompetenz erhalten. Darüber hinaus werden als Varianten eine neue Form der Prozessfinanzierung oder ein durch die Finanzbranche getragenes Schiedsgericht vorgeschlagen. Schliesslich sind auch Mittel des kollektiven Rechtsschutzes vorgesehen, insbesondere ein Gruppenvergleichsverfahren zur einvernehmlichen Beilegung bei einer grossen Zahl von Anspruchsberechtigten.

  1. Unter Mitwirkung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). []

Zitiervorschlag: Mirjam Eggen, Bruno Dorner, (2014). Verbesserter Kundenschutz mit dem neuen Finanzdienstleistungsgesetz. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.