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Gesetzgebung im Versicherungssektor: Ja zu einem modernen Konsumentenschutz mit Augenmass

Die Schweizer Versicherer sind stark reguliert: Strenge Kapital- und Anlagevorschriften sorgen für eine hohe Sicherheit, die sich gerade in der letzten Finanzkrise als ausgezeichneter Kundenschutz erwiesen hat. Zusätzlich finden sich in den versicherungsspezifischen Bundesgesetzen sowie den ergänzenden Verordnungen und Rundschreiben zahlreiche wirkungsvolle Kundenschutzbestimmungen. Als Spezialerlasse und -normen gehen sie einem allgemeinen Finanzdienstleistungsgesetz vor. Die Versicherer sind deshalb der Ansicht, dass kein Bedarf für den Einbezug der Versicherungsbranche in ein neues, branchenübergreifendes Finanzdienstleistungsgesetz besteht.
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An der Wall Street läuteten die Alarmglocken: Der Zusammenbruch zweier Hedgefunds im Sommer 2007 löste in den USA eine Subprime-Krise aus, die an den internationalen Finanzmärkten einen Flächenbrand entzündete. Spätestens mit dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers und dem Betrugsskandal um Bernard Madoff verloren auch in der Schweiz unzählige Anleger ihr Geld. Ruhig schlafen konnte hingegen, wer sein Geld den Versicherern in der Schweiz anvertraut hatte. Das hohe Sicherheitsniveau der Schweizer Versicherer erwies sich gerade in der Finanzkrise als wirksamer Kundenschutz. Denn es sorgte dafür, dass keine Kunden zu Schaden kamen.

Versicherer haben andere Geschäftsmodelle als Banken


Das traditionelle Geschäftsmodell der Versicherer unterscheidet sich grundlegend von den Geschäftsmodellen anderer Finanzinstitute. Ebenso sind klassische Versicherungsprodukte kaum mit anderen Finanzdienstleistungen vergleichbar. Deshalb gibt es auch separate Aufsichtsgesetze: auf der einen Seite das Bankengesetz und auf der anderen Seite das Versicherungsaufsichtsgesetz, welches das Verhältnis zwischen der Finanzmarktaufsicht und den Versicherern regelt. In diesem Bundesgesetz finden sich bereits heute zahlreiche Konsumentenschutzbestimmungen – ebenso wie im Versicherungsvertragsgesetz als Spezialgesetz zum OR, welches das Verhältnis zwischen Versicherer und Kunde regelt. Ergänzt und präzisiert werden diese Bestimmungen durch die Aufsichtsverordnung und die Rundschreiben der Finma.

Die Privatversicherer sind denn auch der klaren Ansicht, dass gesetzgeberische Massnahmen zum Schutz des Anlegers sektorspezifisch anzugehen sind. Ein solcher Ansatz trägt den unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Anlageklassen angemessen Rechnung. Er ist auch deshalb verhältnismässig, weil die Schutzdefizite, die sich beim Straucheln der Bank Lehman Brothers manifestiert hatten, nur bankenspezifische Anlagen betreffen. Es wäre also unverhältnismässig, im Zuge solcher Schutzdefizite Branchen einem neuen Gesetz zu unterstellen, für welche es bereits spezifische Schutznormen für Konsumenten gibt.

Für einen sektorspezifischen Ansatz spricht zudem der unterschiedliche Zugang von Banken und Versicherungen zu ausländischen Märkten, allen voran zum EU-Markt. Banken und andere Finanzdienstleister betreiben ihr Geschäft auch grenzüberschreitend und sind deshalb an einer Regulierung interessiert, welche den Marktzugang zur EU gewährleistet. Den Erstversicherern hingegen ist grenzüberschreitendes Geschäft untersagt. Um im Ausland tätig sein zu können, muss der Versicherer eine Bewilligung der dortigen Aufsichtsbehörde einholen. Denn das Versicherungsabkommen zwischen der Schweiz und der EU statuiert nur die Niederlassungsfreiheit und ist zudem auf die Schadensversicherung beschränkt.

Grosses Engagement der Branche


In der Schweiz hat der Versicherer beim Abschluss eines Versicherungsvertrags laut Gesetz ausgedehnte vorvertragliche Informationspflichten. Der Versicherungsvermittler muss den Kunden vor dem Vertragsabschluss umfassend über das betreffende Produkt informieren. Deshalb engagiert sich die Versicherungswirtschaft bereits heute sehr stark im Bereich der Aus- und Weiterbildung der Vermittler. Sie bekräftigt dieses Engagement mit der Einführung eines Lernattestierungssystems für die Vermittler. Das System soll die Weiterbildungsaufwendungen der Vermittler transparent machen. Weiterbildungsleistungen werden mit Credits versehen. In einem festgelegten Zeitraum muss ein Vermittler eine bestimmte Anzahl Credits erwerben. Die Einführung dieses Systems ist auf Anfang 2015 geplant. Damit greift die Versicherungswirtschaft freiwillig ein Element auf, welches mutmasslich Bestandteil der Vernehmlassungsvorlage zum Finanzdienstleistungsgesetz sein wird.

Zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Stellungnahme liegt die Vernehmlassungsvorlage zum künftigen Finanzdienstleistungsgesetz noch nicht vor. Sobald der Schweizerische Versicherungsverband Kenntnis der Vorlage hat, wird er sie sorgfältig prüfen und sich konstruktiv in den politischen Diskurs einbringen.

Zitiervorschlag: Duerr, Lucius (2014). Gesetzgebung im Versicherungssektor: Ja zu einem modernen Konsumentenschutz mit Augenmass. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.