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Wie weiter nach dem Paradigmenwechsel im Service public?

Die Unternehmen, welche den Service public erbringen, sehen sich einem immer grösseren Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Der Druck entsteht intramodal durch Marktöffnungen und intermodal durch technologischen Fortschritt. Post, SBB, SRG, Swisscom und die über 800 Elektrizitätsunternehmen sind gefordert. Mit der Marktöffnung ist ein Paradigmenwechsel von staatlicher Eigenerbringung des Service public hin zur indirekten Gewährleistung via Regulierung verbunden. Daraus folgt, dass der Service public noch konsequenter als klar definierter, abgegoltener Auftrag zu vergeben ist. Gleichzeitig ist die unternehmerische Selbstständigkeit der Anbieter zu stärken.
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Der Service public steht in den Netzindustrien vor grossen Herausforderungen.[1] Neben der schrittweisen Marktöffnung führt insbesondere die zunehmende Konvergenz der Märkte zu neuen Substituten und einem sich weiter intensivierenden Wettbewerbsumfeld. Ein Beispiel ist die Swisscom, welche im Bereich E-Government mit der Post und bei der Datenübermittlung mit einer Vielzahl von Kabelanbietern und Elektrizitätswerken im Plattformwettbewerb steht. Die wichtigsten Trends im Service-public-Bereich betreffen jeweils die Mehrzahl der Sektoren (siehe Kasten 1 und Tabelle 1). Sie stellen für die Ausgestaltung, die Vergabe und die Finanzierung des Service public und die Unternehmen, welche diesen erbringen, eine wesentliche Herausforderung dar.

tabelle_finger_de[1]

Der unternehmerische Erfolg der Service-public-Unternehmen ist deshalb auch in Zukunft keine Selbstverständlichkeit. Aus politischer Sicht stellt sich die Kernfrage, ob und inwieweit die verschiedenen Service-public-Aufträge diesen Trends folgen sollen. Aus regulatorischer Sicht ist eine Antwort darauf zu finden, welche Finanzierungs- und Marktmodelle den Service public nachhaltig sichern können. Was ist mit Blick auf diese Herausforderungen zu tun, damit dieser in den Sektoren Post, Telekommunikation, Medien (Radio/TV), Bahn und Strom auch in Zukunft nachhaltig finanziert bleibt?

Service public aus ökonomischer Sicht


Aus ökonomischer Sicht kann der Service public mit der sogenannten Internalisierung positiver Externalitäten erklärt werden.[2] Würde der Service public nicht vorgegeben, stellte sich am Markt aus dem privaten Gewinnkalkül der einzelnen Anbieter ein zu tiefes Versorgungsniveau ein. Anders gesagt: Die Service-public-Dienstleistung induziert volkswirtschaftlich wünschbare externe Effekte, welche von den leistenden Anbietern am Markt nicht selber kommerzialisiert werden können. Diese «Früchte» fallen anderen zu, nämlich der Bevölkerung und der Wirtschaft. Beispiele sind steigende Immobilienpreise bei einer Verbesserung der Verkehrsanbindung oder ein grösseres Marktpotenzial für Onlinedienstleister durch zuverlässige Post- und Telekommunikationsdienste.

Nachfolgend wird der Service public in diesem ökonomischen, technischen Sinn verstanden: als Versorgungsaufgaben, welche politisch erwünscht sind und welche im Markt spontan nicht oder nicht im gewünschten Umfang erbracht würden. Ob die Versorgungsaufgaben eher einem Grund- oder einem Basisangebot entsprechen (Grundversorgung), universell für alle gleich sind (Universaldienst), eine öffentliche Dienstleistung darstellen (Service public) oder die stetige Verfügbarkeit garantieren (Versorgungssicherheit), ist aus dieser ökonomischen, technischen Sicht vorerst nicht von Belang.

Aus ökonomischer Sicht ist jedoch wesentlich, dass die beschriebenen Externalitäten tatsächlich existieren. Hierfür gibt es vielerlei Evidenz. Im Besonderen handelt es sich bei Post-, Telekommunikations-, Medien-, Bahn- und Strommärkten um sogenannte zweiseitige Märkte,[3] in denen besonders ausgeprägte Netzeffekte bestehen. Beispielsweise steigt der Nutzen der bereits angeschlossenen Personen, je mehr andere Nutzer ebenfalls an das Netz angeschlossen sind.[4]

Paradigmenwechsel bei der Erbringung des Service public


Am Anfang des Service public – oder genereller öffentlicher Versorgungsziele – stehen also Leistungen, die volkswirtschaftlich sinnvoll sind und die von der Politik gefordert werden, die im Markt aber nicht freiwillig erbracht werden. Ist ein solches Versorgungsziel im politischen Prozess einmal festgelegt worden, stellt sich die Frage, wer die Versorgung unter welchen Bedingungen sicherstellen soll. Dabei ist es in den letzten beiden Dekaden zu einem eigentlichen Paradigmenwechsel gekommen, der in Grafik 1 dargestellt ist.

grafik_finger_de[1]

Historisch gesehen war lange die Sichtweise dominant, dass der Staat in den Netzindustrien die gewünschte Versorgung selbst in der eigenen Verwaltung oder mit dem eigenen öffentlichen Unternehmen erbringen solle (Eigenerbringung). Zur Finanzierung diente ein Regal, also ein rechtliches, politisch gesteuertes Monopol. Diese Steuerung ging so weit, dass die Posttarife vom Parlament festgelegt wurden.[5] Über die Jahre konnte der Service (public) laufend ausgebaut werden, unter anderem auch durch unternehmensinterne Querfinanzierung.[6]

Die in Europa seit dem Ende der 1980er-Jahre stufenweise einsetzenden Liberalisierungen der Netzindustrien brachten eine grundlegend neue Philosophie mit sich: Der Staat erbringt den Service public nicht mehr selbst, sondern gewährleistet dessen Erbringung (Gewährleistungsstaat). Die Erbringung kann weiterhin, muss aber nicht durch das eigene Unternehmen erfolgen. Dieses hat sich jedoch – soweit sinnvoll – im Wettbewerb mit anderen Unternehmen zu bewähren. Dazu wird dessen Governance neu ausgestaltet, um die politische von der unternehmerischen Verantwortung zu trennen. Damit die Wettbewerbskräfte in gewünschtem Masse wirken, wird ein Level Playing Field, also gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer, geschaffen oder zumindest angestrebt. Dieses wird seinerseits von einem unabhängigen, sektorspezifischen Regulator überwacht. Die Delegation des Serviceauftrags an die Anbieter im Markt kann in dieser Denkweise auf zwei verschiedene Grundarten erfolgen (siehe Kasten 2): entweder symmetrisch an alle Anbieter gleichermassen oder asymmetrisch an ausgewählte Anbieter mit entsprechender Kompensation.

Im ersten Modell wird der Service public somit als Auflage – z. B. als Lizenzvoraussetzung – für das Tätigsein im entsprechenden Markt verlangt. Finden keine oder zu wenige Markteintritte statt, muss bei Bedarf mit Förderungen nachgeholfen werden.[7] Im zweiten Modell wird der Service public als Auftrag an ausgewählte Marktteilnehmer vergeben, welche entsprechend mit Abgeltungen zu kompensieren sind. Die Übergänge zwischen den beiden Modellen sind teils fliessend. Beispielsweise kann ein Teil der Versorgungsaufgaben im ersten Modell und können die übrigen im zweiten Modell vergeben werden. Aufgrund der hohen Fixkosten gelangt in Netzindustrien vor allem die zweite Variante zur Anwendung.

Rolle des Staates im neuen Paradigma


Der Wechsel in das neue Paradigma bedingt nicht notwendigerweise, dass rechtliche Monopole abgeschafft werden müssen. Diese kommen weiterhin als Finanzierungsquelle infrage. Wesentlich ist die Idee des Ersatzes der direkten staatlichen Eigenerbringung durch eine indirekte Sicherstellung via Regulation. Dabei bleibt der Staat oft im Sinne eines Server of Last Resort in der Verantwortung: Er reguliert nicht nur den Service public, er muss ihn darüber hinaus auch gewährleisten. Im Falle einer Unterversorgung muss er also eingreifen. Gestützt auf die Bundesverfassung, trifft dies in der Schweiz insbesondere für die Sektoren Post und Telekommunikation[8], Medien[9] und Bahn[10] zu. Im Strommarkt geht der Auftrag weniger weit: Hier muss sich der Bund mit den Kantonen lediglich für eine «ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung» einsetzen;[11] die Versorgung selbst ist Sache der Energiewirtschaft.[12]

Die erbringenden Unternehmen (z. B. Post, Swisscom) können bei der indirekten Sicherstellung sowohl privat als auch staatlich sein. Die explizite oder implizite Gewährleistungsverantwortung des Staates dürfte jedoch gerade in Netzindustrien, wo hohe irreversible Kosten bestehen, eher gegen eine mehrheitliche Privatisierung der betreffenden Versorgungsunternehmen sprechen, um Hold-up-Problemen vorzubeugen.[13]

Das Eigentum der öffentlichen Hand an einem oder mehreren Marktteilnehmern schafft für die Exekutive eine Doppelrolle: Als Eignerin ist sie gehalten, die jeweiligen Unternehmen erfolgreich zu führen; gleichzeitig muss sie die Marktvorgaben der Legislative umsetzen. Diese Rollen können zu Zielkonflikten führen. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, kann bzw. sollte erstens die Umsetzung der Marktvorgaben an eine von der Verwaltung unabhängige Regulierungsbehörde delegiert werden.[14] Die wichtigste Aufgabe ist dabei die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben betreffend Nichtdiskriminierung. Die Durchsetzung der Nichtdiskriminierung ist aus ökonomischer Sicht dann nötig, wenn aufgrund der Kostenstruktur auf einer oder mehreren Netzebenen eine stabile natürliche Marktmacht vorliegt. Zweitens sollte überdies bei den betroffenen Bundesunternehmen die politische von der unternehmerischen Verantwortung getrennt werden, damit diese in der Umsetzung der an sie gestellten Vorgaben weitgehend frei von politischer Einflussnahme ist. Soll eine noch grössere Distanz der Bundesunternehmen zur Exekutive geschaffen werden, kann das Eigentum an eine unabhängige staatliche Beteiligungsgesellschaft nach dem Vorbild von Deutschland oder Österreich übertragen werden.

Wie oben angedeutet, ist der Paradigmenwechsel in den Sektoren Post, Telekommunikation, Medien, Bahn und Strom von traditioneller Eigenerbringung hin zur kohärenten Sicherstellung in einem Marktumfeld noch nicht abgeschlossen. Eine besondere Herausforderung ist eine ausgewogene Balance zwischen Service-public-Anforderungen und Marktelementen, wobei die historisch mit Versorgungsaufgaben angereicherten Organisationserlasse[15] auf die neuen sektoriellen Markt- und Versorgungsgesetze abzustimmen sind.

Eine Analyse der aktuellen Regulierungen der fünf Sektoren zeigt, dass diese grundsätzlich kohärent ausgestaltet worden sind.[16] Mit dem Ziel eines Level Playing Field und vor dem Hintergrund der wichtigsten längerfristigen Trends der Sektoren lässt sich das in Kasten 2 zusammengefasste Verbesserungspotenzial ableiten.

Vier Prinzipien des Service public


Service public, Universaldienst, Grundversorgung und Versorgungssicherheit sind aus konzeptioneller Sicht dasselbe: Es geht um die Sicherstellung guter und preiswerter Basisinfrastrukturen und -dienstleistungen, welche es der Bevölkerung und der Wirtschaft ermöglichen, effizient und effektiv den eigenen Bedürfnissen nachzugehen. Diese Befähigung muss immer das oberste Ziel bei der Regulierung dieser Sektoren sein.

Die folgenden vier Prinzipien helfen, dass der Service public diese wichtige Funktion auch längerfristig ausfüllen kann.

  • Austarierter Umfang mit kohärenter Regulierung: Der Umfang des Service public ist zeitgemäss (d. h. der jeweiligen Technologie und den gelebten Kundenbedürfnissen angepasst) auszugestalten und auf die vorhandenen Finanzierungsmittel und die Wettbewerbsdynamik abzustimmen.
  • Vergabe als Auftrag an Unternehmen: Unabhängig von dessen Umfang ist der Service public grundsätzlich als Auftrag zu vergeben und möglichst wettbewerbsneutral abzugelten. Wo die Bedingungen für einen wirksamen und nachhaltigen Ausschreibungswettbewerb gegeben sind, kann der Auftrag ausgeschrieben werden.
  • Abgestimmtes Tätigkeitsfeld: Das Unternehmen, welches den Service public erbringt, muss vorhandene Synergien optimal nutzen können. Dies ist zentral vor dem Hintergrund der Konvergenz der Märkte. Dies bedeutet, dass der Tätigkeitsbereich von Post, Swisscom oder SRG der Konvergenz der Märkte folgen muss.
  • Zurückhaltender, langfristig orientierter Eigner: Die Rolle der öffentlichen Hand als Eignerin der Unternehmen, welche diese Aufträge ausführen, beschränkt sich darauf, sicherzustellen, dass die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben


 

  1. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Aussagen von Finger und Trinkner (2014) zusammen. []
  2. Jaag und Trinkner (2011a). []
  3. Armstrong (2006). []
  4. Der genaue Umfang dieser Externalitäten ist nicht bekannt. Zudem ändert er sich über die Zeit. Darum kann nicht ohne weiteres eine normative Aussage gemacht werden, wie gross der Umfang des Service public konkret sein sollte (für einen Versuch im Post- und Telekommunikationsmarkt vgl. Jaag und Trinkner, 2011b). []
  5. Analoges ist auch heute noch in vielen Gemeindewerken der Fall, wenn z.B. Gemeindeversammlungen über Strom- oder Wasserpreise befinden. []
  6. Z. B. von Telefonie zu Post innerhalb der PTT. []
  7. Subventionen, die gegebenenfalls an Auflagen verknüpft sind, nicht jedoch an einen Auftrag. []
  8. Art. 92 BV. []
  9. Art. 93 BV. []
  10. Art. 81a und 84 BV. []
  11. 1Art. 89 BV. []
  12. 1Art. 4 EnG. []
  13. Das Hold-up-Problem bezieht sich auf Situationen, in welchen ex ante keine vollständigen Verträge geschlossen werden können und dies ex post opportunistisch ausgenutzt werden kann. Die Gefahr eines Hold-up besteht, wenn der eine Partner (der Bund) auf die Leistungen des anderen (z.B. SBB) angewiesen ist und nicht ohne weiteres auf einen alternativen Anbieter ausweichen kann. []
  14. Beispiele sind die ComCom, ElCom und PostCom. []
  15. Z. B. das Telekommunikationsunternehmungsgesetz (TUG). []
  16. Für eine Übersicht und Analyse vgl. Finger und Trinkner, 2014. []

Literaturverzeichnis

  • Armstrong, M. 2006: Competition in Two-Sided Markets. RAND Journal of Economics. Vol. 37, Nr. 3, S. 668–691.
  • Finger, M. und U. Trinkner (2014): Service public in der Schweiz – Herausforderungen aus ökonomischer Sicht. Swiss Economics Working Paper 0043.
  • Jaag, C., und U. Trinkner (2009). Tendering Universal Service Obligations in Liberalized Network Industries, Journal for Competition and Regulation in Network Industries 10(4), 313–332.
  • Jaag, C., und U. Trinkner (2011a): A General Framework for Regulation and Liberalization in Network Industries. In: M. Finger und R. Künneke (Hrsg.). International Handbook on the Liberalization of Infrastructures. Cheltenham: Edward Elgar, S. 26–53.
  • Jaag, C., und U. Trinkner (2011b): The Future of the USO – Economic Rationale for Universal Services and Implications for a Future-Oriented USO. Swiss Economics Working Paper Nr. 26.
  • Steiner R., M. Finger, E. Huber, P. Reist (2012): Praxis des Bundes bei der Steuerung von Post, SBB und Swisscom. Expertenbericht zuhanden der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle.
  • Trinkner, U., B. Holznagel, C. Jaag, H. Dietl, A. Haller (2012): Möglichkeiten eines gemeinsam definierten Universaldiensts Post und Telekommunikation aus ökonomischer und juristischer Sicht. Studie im Auftrag des Deutschen Bundestages.

Bibliographie

  • Armstrong, M. 2006: Competition in Two-Sided Markets. RAND Journal of Economics. Vol. 37, Nr. 3, S. 668–691.
  • Finger, M. und U. Trinkner (2014): Service public in der Schweiz – Herausforderungen aus ökonomischer Sicht. Swiss Economics Working Paper 0043.
  • Jaag, C., und U. Trinkner (2009). Tendering Universal Service Obligations in Liberalized Network Industries, Journal for Competition and Regulation in Network Industries 10(4), 313–332.
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Zitiervorschlag: Finger, Matthias; Trinkner, Urs (2014). Wie weiter nach dem Paradigmenwechsel im Service public? Die Volkswirtschaft, 01. Juli.

Ausgewählte Trends

  • Digitalisierung: Die traditionellen physischen bzw. analogen Post-, Telekommunikations-, Zahlungsverkehrs- und Kabelfernsehdienste werden in vielen Bereichen zunehmend durch digitale Alternativen und andere Internetplattformen ersetzt.
  • Horizontale Konvergenz: Die Digitalisierung führt weiter zu einer vielfältigen Intensivierung des Plattformwettbewerbs durch die Konvergenz von vormals unabhängigen Märkten. Waren beispielsweise früher die Post- und Telekommunikationsmärkte klar getrennt, versuchen heute beide, sichere schriftliche Kommunikations- und Authentifikationslösungen anzubieten. Eine zunehmende Konvergenz findet auch in den anderen Sektoren statt.
  • Vertikale Konvergenz: Die traditionellen Wertschöpfungsketten werden aufgebrochen, und Anbieter erhalten neue Möglichkeiten, sich aus ihrem ursprünglichen Kerngeschäft heraus in neue Märkte oder Wertschöpfungsstufen zu entwickeln. Ältere Beispiele sind Verlage, welche in die Zeitungsfrühzustellung einsteigen. Neuere Beispiele sind Softwarefirmen, welche ihre Plattformen für die Zustellung (und die Visualisierung) von Zeitungen und Medien nutzen. Tendenziell werden dabei Produkte und Applikationen von ihren vormaligen Verbreitungskanälen losgelöst oder mit neuen Möglichkeiten ergänzt. So entstehen teils innovative, radikal neue Wertschöpfungsketten aus unerwarteter Richtung.
  • Globalisierung und fortschreitende Integration des europäischen Binnenmarktes: Die Globalisierung führt tendenziell zum Verschwinden der bisherigen nationalen Grenzen der Märkte der Netzindustrien. Damit intensiviert sich der Wettbewerb zwischen verschiedenen vormals nationalen Unternehmen auf der Dienstleistungsebene. Die Gesetzgebung in den einzelnen Mitgliedstaaten bestimmt, wie gut sich die einzelnen Anbieter in diesem europäischen und weltweiten Wettbewerb entwickeln können. Schweizer Anbieter sind hiervon speziell betroffen, da sie einen vergleichsweise kleinen Heimmarkt haben.
  • Knappe öffentliche Ressourcen: Staatliche Mittel zur Finanzierung des Service public sind begrenzt. Die Finanzierung von Versorgungsaufträgen muss deshalb so weit wie möglich von den Anbietern bzw. Nutzern getragen werden.
  • Umweltfragen: Insbesondere der schonungsvolle Umgang mit Ressourcen sowie die CO2-Bilanz rücken immer stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Ausgemachtes Verbesserungspotenzial

  • Konsequente Neuausrichtung der Steuerung der staatlichen Service-public-Unternehmen: Sobald Versorgungsaufgaben über Regulation gesteuert werden, erübrigen sich entsprechende aufgabenorientierte Ziele des öffentlichen Eigentümers. Anpassungsbedarf besteht insbesondere im Fall der SBB. Als Konsequenz zielt die Steuerung des staatlichen Eigentums vor allem auf eine nachhaltige Unternehmensführung.
  • Anpassung des Tätigkeitsfeldes der staatlichen Unternehmen an die konvergierenden Märkte: Post, Swisscom und SBB sind im internationalen Geschäft enge Schranken gesetzt. Die Postfinance darf keine Hypotheken und Kredite im eigenen Namen anbieten, und die SRG hat über die Spezialkonzession ein Werbeverbot im Zukunftsmarkt des Onlinegeschäfts. Diese Einschränkungen können im alten Paradigma der staatlichen Eigenerbringung ordnungspolitisch gut begründet werden. Im neuen Paradigma des Gewährleistungsstaats, in welchem das Ziel eines Level-Playing-Field verfolgt wird, sind diese Einschränkungen fehl am Platz, insbesondere vor dem Hintergrund der Konvergenz der Märkte mit einem sich verstärkenden intermodalen Wettbewerb.
  • Post – Neuausrichtung der Presseförderung: Die postalische Grundversorgung orientiert sich an einem Basisangebot und ist weitgehend technologieneutral formuliert. Es stellt sich die Frage, ob die indirekte Presseförderung über ermässigte Posttarife noch zeitgemäss ist, da Zeitungen vermehrt auch über elektronische Kanäle verteilt werden.
  • Telekommunikation – Weiterentwicklung des Universaldienstes und Übergang zu einer symmetrischen Regulierung auf der letzten Meile: Bereits die Gegenwart gehört der IP-basierten Übermittlung von Text, Bild, Ton und Video. Zu prüfen wäre die konsequente Neudefinition der Grundversorgung in Richtung einer flächendeckenden, ortsunabhängigen, bidirektionalen Übermittlung von Daten in hoher Qualität.a Auch aufgrund der Konvergenz mit Kabelanbietern ist die bestehende asymmetrische und materialabhängige Regulierung des Zugangs zum Teilnehmeranschluss der Swisscom wenig zeitgemäss.
  • Medien – Spezifizierung des SRG-Auftrags: Der Service public der SRG ist aus inhaltlicher Sicht offen gehalten und umfasst eine breite Palette von Bildung bis hin zu Unterhaltung. Eine direkte Verknüpfung der Empfangsgebühren mit den einzelnen Service-public-Leistungen ist nicht ersichtlich und auch kaum umsetzbar, solange der Auftrag nicht genauer spezifiziert wird. Eine Klärung des Auftrags mit kohärenter Finanzierung würde bedeuten, dass die SRG darüber hinaus in eigener Verantwortung kommerzielle Angebote entwickeln kann.
  • Bahn – Fokussierung der Regulation und Anpassung des institutionellen Rahmens: Das heutige Konzessionssystem regelt die Dienstleistungen der Bahndienstleister im Detail. Zu prüfen wäre eine stärkere Zweiteilung zwischen reguliertem (bestelltem) Mindestangebot und bedürfnisgerechten ergänzenden Angeboten, welche die SBB und andere Anbieter in unternehmerischer Autonomie entwickeln können. Unabhängig davon ist der institutionelle Rahmen mit einer Rollenkumulation beim Bundesamt für Verkehr zu überdenken.
  • Strom – Klärung der Rahmenbedingung und Überprüfung des Ausspeiseprinzips: Im Strommarkt hat der Bundesrat mit der Energiestrategie einen neuen Kurs eingeschlagen. Bis dieser parlamentarisch bestätigt ist, besteht Rechtsunsicherheit, welche die gewünschten Investitionen verteuert. Das Parlament ist entsprechend gefordert, die nötigen Weichenstellungen bald zu beschliessen. Im Vergleich mit den anderen Netzindustrien werden die Netzkosten im Strommarkt den Endkunden nicht indirekt beim Kauf des Produkts überwälzt, sondern direkt quellen- und anbieterunabhängig verrechnet (Ausspeiseprinzip). Daraus können Fehlanreize resultieren, die der Energiestrategie des Bundesrates entgegenlaufen.a Trinkner et al. (2012).