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Zürich/Aargau: Finanzmetropole mit exzellenter Standortattraktivität

Die Grossregion Zürich/Aargau setzt sich aus den Kantonen Zürich und Aargau zusammen. Flächenmässig gehört sie zu den kleineren Grossregionen der Schweiz. Mit Zürich als grösster Schweizer Stadt und der Lage im Mittelland ist Zürich/Aargau jedoch die bevölkerungsreichste Grossregion. Als pulsierendes Zentrum mit ausgezeichneten Standortbedingungen und einem hoch produktiven Branchenmix bildet die Grossregion Zürich/Aargau den grössten wirtschaftlichen Ballungsraum der Schweiz.

Zürich/Aargau: Finanzmetropole mit exzellenter Standortattraktivität

Mit ihren international renommierten Forschungs- und Bildungsinstitutionen, ihrer hervorragenden Erreichbarkeit und ihrer hohen Lebensqualität liegt die Region Zürich/Aargau an der Spitze der Schweizer Grossregionen. (Bild: Keystone)

Zürich/Aargau ist die bevölkerungsreichste und wirtschaftsstärkste Region der  Schweiz. Rund 2 036 000 Personen leben in Zürich/Aargau; das ist ein Viertel der Schweizer Bevölkerung. Das regionale nominale Bruttoinlandprodukt (BIP) erreicht mit knapp 170 Mrd. Franken einen Anteil von 29% am gesamtschweizerischen BIP. Dass der regionale Anteil am Schweizer BIP höher ausfällt als der Bevölkerungsanteil, deutet auf ein überdurchschnittliches BIP pro Kopf hin. Diese Tatsache wird auch im Performance Index reflektiert. Zwar schneidet Zürich/Aargau in allen drei Komponenten des Performance Index besser ab als der westeuropäische Durchschnitt (100). Den deutlichsten Punktevorsprung – insbesondere gegenüber der Gesamtschweiz – erreicht die Region jedoch beim BIP pro Kopf.

Trotz Finanzkrise bleiben die Zukunftsperspektiven hervorragend


Im Vergleich zu anderen führenden internationalen Finanzstandorten sind sowohl das reale BIP als auch die Zahl der Erwerbstätigen (die anderen beiden Komponenten des Performance Index) in den letzten zehn Jahren unterdurchschnittlich gewachsen. Dies erklärt die markante Differenz im Performance Index zu Luxemburg, London und Brüssel (siehe Grafik 1). Insbesondere im Vorfeld der Finanzkrise konnten diese Finanzzentren deutlich stärker expandieren als Zürich/Aargau, aber auch als die Gesamtschweiz. Das reale Wirtschaftswachstum in Brüssel wurde zudem stark vom Auf- und Ausbau des EU-Apparates getrieben.

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Auch wenn das reale BIP in Zürich/Aargau in der letzten Dekade international und seit der Finanzkrise auch gegenüber der Schweiz unterdurchschnittlich gewachsen ist (siehe Grafik 2), bleiben die Perspektiven der Region für die Zukunft rosig. Die Attraktivität der Region Zürich/Aargau ist weiterhin exzellent und bildet damit eine hervorragende Basis für die künftige Entwicklung. Zürich/Aargau verfügt denn auch über die höchste Standortattraktivität der Vergleichsregionen (siehe Grafik 1).

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Das vorliegende Potenzial der regionalen Wirtschaft für die Zukunft – dargestellt im Potential Index – ist hinter Luxemburg das höchste im Sample. Einerseits besitzen Branchen wie die Elektrotechnik, die Informationstechnologie und der Finanzsektor, denen hohe Wachstumschancen zugesprochen werden, in Zürich/Aargau eine hohe regionale Bedeutung. Andererseits ist die Region in ihren Schlüsselbranchen überdurchschnittlich produktiv und damit auch im internationalen Wettbewerb besonders gut gerüstet.

Finanzmetropole Zürich, Hochtechnologiestandort Aargau


Zürich platziert sich in weltweiten Rankings von Finanzplätzen regelmässig unter den Top Ten. In der Schweiz generiert Zürich/Aargau 46% der nominalen Bruttowertschöpfung des gesamten Finanzsektors. Die globale und nationale Bedeutung des Zürcher Finanzplatzes hinterlässt auch in der regionalen Branchenstruktur deutliche Spuren (siehe Grafik 3). Neben dem Finanzsektor selbst, welcher rund 18% der regionalen Wertschöpfung erwirtschaftet, sind auch typische Vorleistungsbranchen des Finanzsektors – wie die unternehmensbezogenen Dienstleistungen und die Information/Kommunikation – überdurchschnittlich vertreten.

Die hohe Branchenkonzentration im Finanzsektor erweist sich jedoch auch als ein erhebliches Klumpenrisiko. Seit der jüngsten Finanzkrise und ihren Nachwirkungen (Umwälzung der Regulierung, Steuertransparenz) hat sich der Finanzsektor deutlich schwächer entwickelt als der Branchendurchschnitt. Dass der regionale Wachstumsmotor ins Stocken geraten ist, reflektiert sich in der unterdurchschnittlichen Entwicklung des BIP in Zürich/Aargau (siehe Grafik 2).

Damit hat der Finanzsektor zwischenzeitlich an Gewicht in der regionalen Wirtschaft eingebüsst. Vor der Finanzkrise generierte der Sektor jeden fünften Franken der Wertschöpfung der Gesamtwirtschaft in Zürich/Aargau. Mehr als die Hälfte davon erwirtschafteten die Banken. Zwischen 2007 und 2012 ist der Anteil der Banken an der regionalen Gesamtwirtschaft von 12% auf 8% zurückgegangen. Dass der Finanzsektor als Ganzes nicht ebenso stark an Bedeutung verloren hat, liegt zum einen an den weiterhin prosperierenden Versicherungen und insbesondere dem Rückversicherungscluster in Zürich. Zum anderen sind die sonstigen Finanzdienstleistungen ebenfalls weniger stark unter die Räder der Finanzkrise geraten.

Wie in Grafik 3 zu sehen ist, spielen die zwei weiteren Schweizer «Exportstars», die chemisch-pharmazeutische und die Uhrenindustrie, in Zürich/Aargau eine unterdurchschnittliche Rolle. Dasselbe gilt auch für den öffentlichen Sektor. Ihr Anteil an der regionalen Wirtschaft liegt jeweils rund 2 Prozentpunkte unter dem Branchenanteil an der Gesamtwirtschaft der Schweiz. Bezüglich der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist jedoch eine differenziertere Betrachtung notwendig. Das unterdurchschnittliche Gewicht der Branche in der Grossregion Zürich/Aargau kommt durch die wirtschaftliche Dominanz des Kantons Zürich (BIP-Anteil: 76%) in der Grossregion zustande, in dem sie deutlich unterdurchschnittlich präsent ist. Für den Kanton Aargau spielt die chemisch-pharmazeutische Industrie hingegen eine sehr bedeutende Rolle. Mit einem Anteil an der Aargauer Gesamtwirtschaft von gut 8% erreicht die Chemie/Pharma eine rund doppelt so hohe Bedeutung wie in der Gesamtschweiz. Das Gleiche gilt auch für die Investitionsgüterindustrie. Bezüglich des wirtschaftlichen Gewichts der Investitionsgüterindustrie liegt die Grossregion Zürich/Aargau gleichauf mit der Gesamtschweiz. Den Kanton Aargau alleine betrachtet, erreicht die Investitionsgüterindustrie mit namhaften Firmen wie Alstom und ABB einen Anteil an der Gesamtwirtschaft von 12%.

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Starke geografische Konzentration im Finanzsektor


Der Finanzsektor ist zwar durch die Filialnetze von Banken, Versicherungen und Versicherungsmaklern fast flächendeckend vertreten. Der Grossteil der Wertschöpfung wird jedoch nicht am Distributionsort erzeugt, sondern in den Hauptsitzen und den Unternehmenszentren. Daher liegt der Anteil des Finanzsektors an der Gesamtwirtschaft vieler Gemeinden in Zürich/Aargau unter dem Schweizer Durchschnitt von 11% (siehe Grafik 4). Ein deutlicher Finanzcluster zeigt sich in der Stadt Zürich, deren Kraft über die Gemeindegrenzen hinausstrahlt und auch in den umliegenden Gemeinden zu einer erhöhten Konzentration führt. Hier werden fast 60% der Wertschöpfung des Finanzsektors der Region generiert. Gemessen an der nominalen Bruttowertschöpfung der Stadt Zürich erreicht der Finanzsektor einen Anteil von 30%. Abgesehen von der Nachbarstadt Opfikon, deren Finanzsektor (Anteil Finanzsektor am Gemeinde-BIP: 56%) durch das grosse UBS-Konzernzentrum geprägt ist, sind es vor allem die zahlreichen Hauptsitze von Versicherungen, welche in den Nachbargemeinden zu enorm hohen Anteilen des Finanzsektors an der lokalen Wirtschaft führen (Adliswil: 78%; Dübendorf: 42%). Auch in Winterthur, wo jeder vierte Franken der Wertschöpfung im Finanzsektor erwirtschaftet wird, ist die Assekuranz für die hohe Konzentration massgeblich. In der Stadt Aarau ist der Finanzsektor mit 23% der lokalen Wertschöpfung ebenfalls deutlich grösser als im Durchschnitt der Grossregion (17,7%). In Aarau zeigt sich eine gute Diversifizierung innerhalb des Finanzsektors mit den Hauptsitzen der Aargauischen Kantonalbank und der Neuen Aargauer Bank sowie einigen Versicherungen.

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Herausragende Standortattraktivität


Grafik 5 zeigt verschiedene Dimensionen des Attractiveness Index sowie weitere Faktoren der Standortattraktivität für Zürich/Aargau und die Schweiz. Gemessen am Zentrum Zürich, trumpft die Region mit einer hervorragenden kontinentalen Erreichbarkeit auf. Verantwortlich dafür sind der Flughafen Zürich, die gute Anbindung an das Eisenbahnhochgeschwindigkeitsnetz sowie die zentrale Lage in Europa. Kein anderes regionales Zentrum in der Schweiz ist besser erreichbar. Auch im internationalen Vergleich kann Zürich bezüglich kontinentaler Erreichbarkeit an der Spitze mitmischen. Einzig die grossen Metropolen (wie London und Paris) oder andere Flughafenhubs (etwa Amsterdam als Hub der KLM) sind rascher zu erreichen. Innerhalb der Schweiz (gemessen auf Ebene der Gemeinden) ist Zürich/Aargau sowohl im motorisierten Individualverkehr als auch mit dem öffentlichen Verkehr am besten erschlossen. In allen drei untersuchten Aspekten der Erreichbarkeit nimmt Zürich/Aargau in der Schweiz den Spitzenplatz ein.

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Mit den international renommierten Forschungs- und Bildungsinstitutionen – allen voran der ETH Zürich, dem Paul-Scherrer-Institut, der Universität Zürich sowie der regionalen Hochtechnologieindustrie – punktet Zürich/Aargau als hoch innovativer Standort. Die bemerkenswerte Innovationskraft der Region zeigt sich in den überdurchschnittlichen Werten für Patente pro Kopf, Tertiärquote und Shanghai-Index-Punkte pro Kopf. Bei der Lebensqualität, welche wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Faktoren enthält, positioniert sich Zürich/Aargau an der Spitze der Schweizer Regionen. Zudem ist die Steuerbelastung sowohl für Unternehmen als auch für hoch qualifizierte Personen im internationalen Vergleich äusserst attraktiv. Gegenüber der Schweiz punktet Zürich/Aargau hauptsächlich bei der Besteuerung der hoch qualifizierten Erwerbstätigen. Eine knapp unterdurchschnittliche Qualität der Standortfaktoren verbucht Zürich/Aargau nur bezüglich der Nachhaltigkeit des Finanzhaushaltes und der Anzahl Neugründungen pro Kopf.

Pulsierende Wirtschaftsmetropole


Die Wachstumsschwäche der Grossregion Zürich/Aargau seit der Finanzkrise rührt vornehmlich von den fehlenden Impulsen aus dem Bankensektor her. Das Branchenaggregat Finanzsektor, welches vor der Krise rund jeden fünften Franken Wertschöpfung der Region erwirtschaftet hat, büsste vorübergehend an Zugkraft ein. Das spürten auch zahlreiche andere Branchen, welche direkt oder indirekt vom Finanzsektor abhängen. Für die Zukunft ist in Zürich/Aargau jedoch wieder mit einem leicht überdurchschnittlichen Wachstum des realen BIP zu rechnen. Einerseits vermag mit der Erholung des Bankgewerbes der Finanzsektor seine Funktion als Wachstumsmotor der Region wieder aufzunehmen. Andererseits verfügt Zürich/Aargau über enormes Potenzial durch die herausragende Standortattraktivität für alle Branchen. Die Informationstechnologie beispielsweise baut in Zürich/Aargau ihre bereits beachtliche Bedeutung mit grossen Schritten aus. Der Branche wird zudem deutlich überdurchschnittliches Wachstumspotenzial zugeschrieben. Die pulsierende Wirtschaftsmetropole Zürich/Aargau hat somit nichts an Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft eingebüsst.

Zitiervorschlag: Rebekka Rufer (2014). Zürich/Aargau: Finanzmetropole mit exzellenter Standortattraktivität. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.

Methodik der Indizes

Die Methodologie der BAK Index Family wurde im Einführungsartikel zu dieser Textreihe ausführlich erläutert: Rebekka Rufer, Martin Eichler und Reto Krummenacher, Die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Grossregionen – Auftakt zur neuen Artikelserie, in: Die Volkswirtschaft 5-2014, S. 34–36.