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Kohärente Aufsicht dank dem Finanzinstitutsgesetz

Das neue Finanzinstitutsgesetz schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer im Vermögensverwaltungsgeschäft. Es unterstellt Finanzinstitute, welche die gewerbsmässige Vermögensverwaltung für Dritte betreiben, einer kohärenten Aufsicht. Je umfassender das Tätigkeitsfeld des Vermögensverwalters, desto höher ist auch die vorgesehene Aufsichtsintensität und desto mehr nehmen die Regulierungsanforderungen zu.
Ein Blick in den Trading-Floor der UBS. Im neuen Finanzinstitutsgesetz steigen mit zunehmendem Tätigkeitsfeld der Vermögensverwalter auch die Aufsichtsintensität und die Regulierungsanforderungen.

Im Vermögensverwaltungsgeschäft in der Schweiz sind nach geltendem Recht zwei Gruppen von Vermögensverwaltern tätig: einerseits die prudenziell (also behördlich) beaufsichtigten Banken, Effektenhändler, Fondsleitungen und Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen und andererseits die prudenziell nicht beaufsichtigten «unabhängigen» oder «externen» Vermögensverwalter. Diese uneinheitliche Ausgestaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen für Institute, welche die gewerbsmässige Vermögensverwaltung für Dritte betreiben, hat nicht nur einen unzureichenden Schutz der Kundinnen und Kunden nicht beaufsichtigter Vermögensverwalter zur Folge. Sie führt auch zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen unter den Finanzinstituten.

Mit dem neuen Finanzinstitutsgesetz (Finig) werden daher die «unabhängigen» oder «externen» Vermögensverwalter einschliesslich der Verwalter von Vermögenswerten schweizerischer Vorsorgeeinrichtungen neu einer prudenziellen Aufsicht unterstellt. Darüber hinaus regelt das Finig  – im Sinne einer Regulierungspyramide – auch die Anforderungen an alle anderen Finanzinstitute, welche die gewerbsmässige Vermögensverwaltung für Dritte betreiben. Dies betrifft die Banken, die Effektenhändler (neu Wertpapierhäuser genannt), die Fondsleitungen und die Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen. Dabei werden die heute im Bankengesetz (BankG), im Börsengesetz (BEHG) und im Kollektivanlagengesetz (KAG) enthaltenen Bestimmungen materiell unverändert ins Finig übergeführt. Soweit möglich und sinnvoll, werden sie jedoch einheitlich ausgestaltet. Dadurch wird eine kohärente Regulierung der in der Vermögensverwaltung tätigen Finanzinstitute erreicht.

Welche Finanzinstitute erfasst das Gesetz?


Das Finig ist pyramidenförmig aufgebaut: Mit zunehmendem Tätigkeitsfeld der Vermögensverwalter steigen auch die Aufsichtsintensität und die Regulierungsanforderungen (siehe Grafik 1).

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Vermögensverwalter


Als Basisform der Vermögensverwaltung wird neu der Vermögensverwalter von Individualvermögen auf unterster Regulierungsstufe einer prudenziellen Aufsicht unterstellt. Bei diesem handelt es sich um Personen, die gestützt auf einen Auftrag gewerbsmässig im Namen und für Rechnung von (einfachen) Kundinnen und Kunden Vermögenswerte verwalten oder auf andere Weise über Vermögenswerte von Kundinnen und Kunden verfügen können.

Qualifizierte Vermögensverwalter


Auf der nächsthöheren Regulierungsstufe erfasst das Finig die «qualifizierten Vermögensverwalter» oder «Asset-Manager». Diese verwalten im Namen und für Rechnung von kollektiven Kapitalanlagen oder von schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen Vermögenswerte. Die Bestimmungen über den Vermögensverwalter von kollektiven Kapitalanlagen werden dabei materiell grundsätzlich unverändert aus dem Kollektivanlagengesetz (KAG) übernommen. Neu wird hingegen der Vermögensverwalter von Vermögenswerten schweizerischer Vorsorgeeinrichtungen einer prudenziellen Aufsicht unterstellt. Die Überwachung der Einhaltung der vorsorgerechtlichen Vorschriften verbleibt im Kompetenzbereich der für die Vorsorgeeinrichtungen zuständigen Aufsichtsbehörden.

Fondsleitungen


Fondsleitungen üben eine qualifizierte Form des Asset-Managements aus. Sie verwalten im eigenen Namen und für Rechnung von kollektiven Kapitalanlagen deren Kollektivvermögen. Aus diesem Grund werden auch sie als eigenständige Institutsform aus dem KAG herausgelöst und materiell unverändert ins Finig übergeführt. Da die Verhaltensregeln und die Kundensegmentierung neu im Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) enthalten sind, regelt das KAG in Zukunft (nur) noch die kollektiven Kapitalanlagen als Produkt und wird damit zu einem produktespezifischen Gesetz.

Wertpapierhäuser


Die Hauptkategorie der heute im BEHG geregelten Effektenhändler bilden die Kundenhändler. Diese üben wie die Fondsleitungen im Wesentlichen eine qualifizierte Form der Vermögensverwaltung aus, indem sie im eigenen Namen und für Rechnung des Kunden Effekten handeln können. Auch sie werden daher, einschliesslich der übrigen Kategorien der Effektenhändler, neu im Finig geregelt. Damit kann das BEHG, welches infolge der Schaffung des neuen Finanzmarktinfrastrukturgesetzes auf die Bestimmungen über die Effektenhändler reduziert wird, vollständig aufgehoben werden. Mit der Überführung des Effektenhändlers ins Finig drängt sich zudem auf, die irreführende und international ungebräuchliche Bezeichnung «Effektenhändler» durch «Wertpapierhaus» zu ersetzen. Zudem werden die heute eigenständigen Effektenhändlerkategorien des Emissionshauses und des Derivathauses mangels Relevanz in der Praxis aufgegeben, und ihr Tätigkeitsgebiet wird den Banken und Wertpapierhäusern vorbehalten.

Banken


Nebst den Vermögensverwaltern, den qualifizierten Vermögensverwaltern, den Fondsleitungen und den Wertpapierhäusern verwalten auch die Banken Vermögenswerte für Rechnung Dritter. Sie handeln dabei wie Wertpapierhäuser in eigenem Namen, können im Unterschied zu Letzteren jedoch insbesondere auch das Zinsdifferenzgeschäft betreiben. Im Vergleich zu den übrigen Finanzinstituten umfasst ihr Geschäftsbereich das weiteste Tätigkeitsfeld. Deshalb stehen sie auf der obersten Regulierungsstufe der Finanzinstitute, welche Vermögen ihrer Kunden verwalten. Viele der allgemeinen Bewilligungsvoraussetzungen und Pflichten des Finig sind heute im BankG enthalten. Zudem finden eine Vielzahl der bankenrechtlichen Regeln auch für Wertpapierhäuser Anwendung, speziell die Bestimmungen über Finanzgruppen und -konglomerate, Eigenmittel und Rechnungslegung. Im Sinne einer einheitlichen und konsistenten Gesetzgebung wird daher das BankG ebenfalls ins Finig übergeführt. Damit können Synergien genutzt und Abgrenzungsfragen geklärt werden. Dies führt zu einer einfacheren, vereinheitlichten und besser auf die risikobasierten Anforderungen an die Finanzinstitute abgestimmten Regulierung. Mit der Überführung können zudem die strukturellen Defizite des BankG behoben werden. Inhaltlich bleiben die Bestimmungen des BankG unverändert.

Übernahme der Bewilligungskaskade gemäss KAG


Im Finig wird eine Bewilligungskaskade vorgesehen. Bewilligungen mit strengeren Bewilligungsvoraussetzungen umfassen dabei grundsätzlich die darunterliegende(n) Bewilligungsform(en). Damit werden beispielsweise Banken in Zukunft keine zusätzlichen Bewilligungen mehr als Wertpapierhäuser, qualifizierte Vermögensverwalter oder Vermögensverwalter einholen müssen. Keinen Teil der Bewilligungskaskade bildet die Bewilligung für die Tätigkeit als Fondsleitung, da diese zwingend als schweizerische Aktiengesellschaft errichtet werden muss und ihr primärer Gesellschaftszweck von Gesetzes wegen auf die Ausübung des Fondsgeschäfts eingeschränkt ist. Eine Fondsleitung braucht jedoch keine zusätzliche Bewilligung für die Tätigkeit als qualifizierter oder einfacher Vermögensverwalter.

Aufsichtsorganisation für Vermögensverwalter


Die Unterstellung aller Vermögensverwalter unter eine prudenzielle Aufsicht führt zu einer Zunahme der Beaufsichtigten und damit der Aufsichtslast für die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma). Die Vernehmlassungsvorlage stellt daher als Alternative zu einer Beaufsichtigung sämtlicher Finanzinstitute durch die Finma die Beaufsichtigung der Vermögensverwalter von Individualvermögen durch eine Aufsichtsorganisation (AO) zur Diskussion. Diese ist in Anlehnung an die US-amerikanische Financial Industry Regulatory Authority (Finra) eine gesteuerte halbstaatliche Aufsichtsorganisation. In ihrem Aufgabenbereich kommen der AO in weiten Teilen dieselben Kompetenzen zu wie der Finma. Konsequenterweise drängt sich eine Regelung der AO im Finanzmarktaufsichtsgesetz (Finmag) auf. Die AO wird als Aktiengesellschaft mit Sitz und Hauptverwaltung in der Schweiz errichtet. Der von der Generalversammlung gewählte Verwaltungsrat ist das strategische Organ. Seine Mitglieder müssen die betroffenen Finanzinstitute und die Wissenschaft jeweils in einem angemessenen Verhältnis repräsentieren. Sowohl der Verwaltungsrat als auch dessen Präsidentin oder Präsident sind vom Bundesrat zu genehmigen. Die vom Verwaltungsrat gewählte Geschäftsleitung ist ihrerseits von der Finma zu genehmigen. Sie nimmt die operativen Funktionen wahr. Ihre Mitglieder müssen von den in ihren Aufsichtsbereich fallenden Finanzinstituten unabhängig sein, die im Finanzbereich üblichen Gewährsanforderungen erfüllen sowie fachliche Qualifikationen aufweisen. Grundsätzlich ist denkbar, dass mehr als eine AO errichtet wird. In diesem Fall muss der Bundesrat jedoch Regeln für die Abgrenzung der Aufsichtsbereiche verschiedener AO erlassen, damit eine Arbitrage der unterstellten Vermögensverwalter verhindert werden kann.

Grafik 1: «Regulierungspyramide des neuen Finanzinstitutsgesetzes»

Zitiervorschlag: Sarah Jungo, Anne-Helene Wuerth, (2014). Kohärente Aufsicht dank dem Finanzinstitutsgesetz. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.