Suche

Abo

Swissness-Gesetzgebung: Mehr Rücksicht auf KMU ist zwingend

Die Beratung der Swissness-Vorlage im Parlament war ein Geknorze. Das sieht man auch am Resultat, das seit der letzten Sommersession vorliegt. Mit einem klassischen Swiss-Finish setzen wir einheimische KMU stärker unter Druck als sinnvoll und gemäss internationalen Standards nötig wäre. Gleichzeitig belasten wir die KMU mit aufwändigen Neuberechnungen des Schweizeranteils in ihren Produkten. Umso wichtiger ist nun eine KMU-freundliche Umsetzung.

Die Zielsetzung der neuen Swissness-Gesetzgebung macht Sinn: Der Mehrwert des Labels «Schweiz» soll nachhaltig gesichert werden. Die Vorlage soll damit die hier produzierenden Unternehmen stärken. Denn wenn Produkte mit dem Schweizerkreuz vermarktet werden können, lassen sich höhere Verkaufspreise erzielen. Das gilt ganz besonders im Hochpreissegment. Keinesfalls aber soll die Vorlage die Schweizer Wirtschaft mit perfektionistischen und übertriebenen Regeln schwächen. Genau hier ist die Gesetzgebung aber zu weit gegangen.

Vor lauter Swissness der Schweiz geschadet


Die Swissness-Vorlage bringt für die kleinen und mittleren Unternehmen grosse Nachteile. Besonders lange Schatten wirft die unnötige und übertriebene Erhöhung der Swissness-Mindestanforderungen. Diese definieren den Anteil eines Produktes, der aus der Schweiz stammen muss. Hier geht die Schweiz einmal mehr ohne Not weiter als das Ausland. International üblich sind 50% bei den industriellen und gewerblichen Produkten. Das Parlament hat diese auf 60% hochgeschraubt und setzt damit zahlreiche Schweizer KMU und deren Produkte unter Druck. Der Parlamentsentscheid ist zu akzeptieren. Bei der Umsetzung müssen diese schädlichen Auswirkungen auf die heimischen KMU jedoch aufgefangen werden. Gelingt dies nicht, schadet die gut gemeinte Swissness-Vorlage am Ende vor allem den eignen Schweizer KMU.

Das gilt insbesondere angesichts der drohenden administrativen Zusatzbelastung, die auf die KMU zukommt. Denn es kann sehr aufwändig sein, die Inlandanteile für industrielle Produkte neu zu berechnen. Dies trifft KMU besonders stark, da sie aufgrund ihrer Strukturen nicht über grosse eigene Forschungsteams oder Abteilungen verfügen, die diese Neuberechnungen durchführen können. Darauf wurde im bisherigen Gesetzgebungsprozess viel zu wenig Rücksicht genommen. Oder um den Schokolade-Produzenten Daniel Bloch zu zitieren: «Mir kommt es vor, als würden solche Gesetze in Frankreich konzipiert, in Deutschland formuliert und in der Schweiz umgesetzt.»

Umsetzung in der Praxis ist massgebend


Schadet sich die Schweiz mit den Swissness-Bestimmungen selber, oder kann sie die Negativauswirkungen noch auffangen? Das hängt primär von der Umsetzung in der Praxis ab. Zentral sind für den sgv folgende Punkte:

  • Die Swissness darf bei Unternehmen nur im Rahmen eines konkreten Prozesses, d. h. im Klagefall, überprüft werden. Andernfalls müssten zehntausende von Betrieben komplizierte und bürokratische Berechnungen anstellen, um zu beweisen, dass sie die Minimalanforderungen des Markenschutzgesetzes erfüllen.
  • Es braucht angemessene Übergangsfristen, damit die Lagerbestände abgebaut werden können. Die im Entwurf zum Markenschutzgesetz vorgesehene Inkraftsetzung auf den 1. Januar 2017 ist das absolute Minimum. Namentlich die Landwirtschaft fordert, die Swissness-Vorlage früher in Kraft zu setzen. Das wäre ein Eigentor und wird vom sgv strikte abgelehnt.
  • Unternehmen müssen unkompliziert aufzeigen können, wenn ein Rohstoff ungenügend verfügbar ist und ihr Produkt dadurch die Swissness zu verlieren droht. Für die Branchen ist es unzumutbar, eine alle Unternehmen einschliessende, riesige Datensammlung zu schaffen und zu verwalten.
  • Die frühzeitige Information ist von grosser Bedeutung. Den Unternehmen müssen die Anforderungen an die Swissness einfach und verständlich aufgezeigt werden. Dabei muss klar und nachvollziehbar sein, was sie konkret vorzukehren haben und wohin sie sich für erste Rechtsauskünfte unentgeltlich werden können.


Das Label «Schweiz» nachhaltig sichern und hier produzierende Unternehmen stärken! Das war und ist das Ziel der Swissness-Vorlage. Bei der Umsetzung muss dieses Ziel wieder stärker in den Fokus gerückt werden. Sie bietet eine zweite Chance, die Anliegen und Einwände der heimischen KMU ernst zu nehmen. Diese müssen wir unbedingt packen. Denn ansonsten verfehlt die Vorlage ihr Ziel und die Schweiz schadet sich und ihrer Wirtschaft selbst. Mehr Rücksicht auf die KMU ist deshalb zwingend.

Zitiervorschlag: Hans-Ulrich Bigler (2014). Swissness-Gesetzgebung: Mehr Rücksicht auf KMU ist zwingend. Die Volkswirtschaft, 15. Oktober.