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Regulierungs-Korsett für Nahrungsmittelindustrie verhindern

Die Swissness-Vorlage bezweckte ursprünglich die Bekämpfung von Missbräuchen, die Beseitigung von Rechtsunsicherheiten und die Stärkung von Anreizen für Investitionen von Unternehmen in der Schweiz. So hiess es in der Botschaft des Bundesrates: «Die neuen Kriterien (…) dienen als ökonomischer Anreiz für einen starken und innovativen Wirtschaftsstandort Schweiz.» Für die Nahrungsmittelindustrie wurde dieses Ziel mit der vom Parlament verabschiedeten Gesetzesrevision weitgehend verfehlt. Mit dem nun vorliegenden Entwurf der Umsetzungsverordnung droht die ursprüngliche Zielsetzung gar ins Gegenteil zu kippen, womit sich die Rahmenbedingungen für die Branche in der Schweiz spürbar verschlechtern würden.
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Der Entwurf für die Verordnung über die Herkunftsangabe Schweiz bei Lebensmitteln wurde durch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) verfasst. Dass dort das Thema Swissness im Bereich der landwirtschaftlichen Produktions- und Absatzförderung angesiedelt ist, macht sich im Verordnungsentwurf durchaus bemerkbar. Während das Gesetz beispielsweise vorsieht, dass Milch zu 100% aus der Schweiz stammen muss, wenn sie für Milch und Milchprodukte (z. B.Joghurt) mit der Herkunftsbezeichnung Schweiz verwendet wird, will das BLW das entsprechende 100-Prozent-Erfordernis über die gesetzliche Grundlage hinaus auf sämtliche Lebensmittel ausdehnen. Mit dem Rohstoff Wasser will das BLW hingegen einen Rohstoff grundsätzlich von der Anrechenbarkeit an die «Swissness» ausschliessen, der in der rohstoffarmen Schweiz in einer im internationalen Vergleich ausgezeichneten Qualität vorhanden ist. Missbräuche müssen bekämpft werden. Das Argument der Missbrauchsbekämpfung wird aber überstrapaziert, wenn es als Begründung für eine einseitige Fokussierung auf landwirtschaftlich hergestellte Rohstoffe dient. Letzteres wäre unvereinbar mit den ursprünglichen Zielen der Swissness-Vorlage.

Mangelnde Praktikabilität für die Unternehmen


Der Verordnungsentwurf ist in mehreren Punkten nicht praxistauglich. Als Beispiel seien die Modalitäten zur Berechnung der Swissness bei zusammengesetzten Zutaten genannt. Diese müssten gemäss erläuterndem Bericht des BLW für die Berechnung in ihre einzelnen Bestandteile aufgelöst werden. Zusammengesetzte Zutaten aus stark verarbeiteten Naturprodukten durchlaufen aber häufig mehrere Herstellschritte in verschiedenen Verarbeitungsunternehmen. Eine Berechnung aufgrund der einzelnen Rohstoffbestandteile dürfte deshalb bereits am Geheimhaltungsinteresse der Lieferanten und Unterlieferanten sowie an deren mangelnder Bereitschaft zur Offenlegung aller Rezeptdetails inklusive genauer Mengenangaben scheitern.

Nicht praxisgerecht geregelt sind auch die Modalitäten zur Anwendung der wichtigen Ausnahme für Rohstoffe und Zutaten, die in der Schweiz zwar produziert werden, sich aber aufgrund der objektiven Produktspezifizierung nicht für die Herstellung eines bestimmten Produkts eignen. Dazu sieht der Verordnungsentwurf ein bürokratisches Konsultations- und Genehmigungsprozedere vor, das darin enden würde, dass die Produkte – sofern das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) einem entsprechenden Antrag stattgegeben hätte – in einem Anhang zur Verordnung aufgeführt werden müssten. Ein solcher Mechanismus wäre aufwendig, zeitraubend, teuer und letztlich weder sachgerecht noch nötig. Was produktspezifisch an objektiven Eigenschaften einer bestimmten Zutat erforderlich ist, kann nicht in einer Verordnung für alle Unternehmen geregelt werden. Mit dem System der Selbstkontrolle und Beweislastumkehr obliegt es schliesslich auch den Unternehmen, die Rechtfertigungsgründe für eine Ausnahme im Klagefall nachzuweisen. Das im Verordnungsentwurf vorgesehene bürokratische Genehmigungsprozedere ist deshalb überflüssig und zu streichen.

Korrekturbedarf und Rückbesinnung auf ursprüngliche Ziele


Der Entwurf enthält zahlreiche weitere Mängel mit zum Teil absurden Folgen. Andere Punkte im Verordnungsentwurf schaffen sodann mehr neue Unsicherheiten als Klarheit. Mit der aktuellen Version des Verordnungsentwurfs würde der schweizerischen Nahrungsmittelindustrie letztlich ein teures Regulierungskorsett verpasst. Dies stünde im Widerspruch zur ursprünglichen Zielsetzung der Swissness-Vorlage. Nachdem bereits die Gesetzesrevision als missglückt hat beurteilt werden müssen, sollte nun auf Verordnungsstufe zumindest die Grundlage für eine unbürokratische und flexible Umsetzung der neuen Vorschriften geschaffen werden.

Zitiervorschlag: Furrer, Urs (2014). Regulierungs-Korsett für Nahrungsmittelindustrie verhindern. Die Volkswirtschaft, 10. Oktober.