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Die neuen Swissness-Regeln sind wichtig für die Uhrenindustrie

Die neuen Swissness-Regeln mit erhöhten Anforderungen an die Schweizer Wertschöpfung sind für die Uhrenindustrie von eminenter Bedeutung. Obwohl die Uhrenindustrie die einzige Branche in der Schweiz mit klaren Regeln war, bestand Handlungsbedarf. Denn die aus dem Jahre 1972 stammenden Bestimmungen stellten allzu einseitig auf die Wertschöpfung bei den Uhrwerken ab und öffneten Missbräuchen Tür und Tor.
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Der Hinweis auf die Schweizer Herkunft eines Produktes ist für den Anbieter eine gute Gelegenheit, indirekt auf die Wertigkeit und Glaubwürdigkeit des Produktes hinzuweisen. Jeder Abnehmer einer Schweizer Uhr wird automatisch auf hohe Qualität, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und einen exzellenten Service schliessen. Das war denn auch der Grund, dass bei der Lancierung der Swatch-Uhren im Jahr 1983 lediglich mit einer Abbildung der Skyline von Frankfurt mit einer riesigen Swatch am Commerzbank-Wolkenkratzer geworben wurde, und dies mit dem minimalen Text «Swatch – Swiss».

Wenn die Verbindung zwischen einem Produkt und dem Herkunftsland Schweiz im Marketing eines Produktes genutzt werden soll, dann muss die Aussage stimmen. Das heisst, der grösste Teil eines Produktes muss tatsächlich in der Schweiz geschaffen worden sein. Wie viel das am Gesamtwert gemessen sein muss und welche Elemente allenfalls zwingend aus der Schweiz stammen müssen, wurde im Rahmen der Swissness-Revision sehr kontrovers diskutiert. Diese Werte können durchaus von Produkt zu Produkt etwas variieren. Deshalb lässt das Gesetz richtigerweise zusätzliche Branchenlösungen zu. Für die Uhrenindustrie war aber immer klar, dass der Wertanteil massiv über 50% liegen muss und dass ein magerer 50-Prozent-Anteil für den Konsumenten irreführend gewesen wäre. Fragt man Uhrenkäufer in China, in Japan oder in den USA, wie hoch der Anteil der Schweizer Wertschöpfung einer Swiss-made-Uhr sei, wird die Antwort nämlich zweifellos 100% sein.

Der lange Weg zur Swissness-Revision


Die Revisionsbestrebungen sind für die Uhrenindustrie viel zu langsam erfolgt. Bereits vor rund zehn Jahren wurde in unserer Industrie die Diskussion über die Verschärfung der bestehenden Swiss-made-Verordnung aufgenommen, weil sich Missbräuche häuften und einzelne Produkte legal angeboten werden konnten, welche nur noch einen minimalen Bezug zur Schweiz aufwiesen. Im Jahr 2007 legte der Uhrenverband einen neuen Verordnungsentwurf vor, der von einer äusserst breiten Basis der Industrie getragen wurde. Der Entwurf sah neu Regeln für Uhrwerke und Fertigprodukte vor und unterschied jeweils zwischen mechanischen Uhren/Uhrwerken und Quarzprodukten. Bei mechanischen Uhren/Uhrwerken wurde die Schwelle bei 80% Wertschöpfung gelegt; bei Quarzprodukten gab man sich mit 60% zufrieden.

Der Bundesrat trat auf den Entwurf nicht ein und verknüpfte ihn mit der damals andiskutierten Swissness-Revision. In dieser Diskussion exponierte sich die Uhrenindustrie sehr stark für den bundesrätlichen Vorschlag von 60%. Es ging um eine existenzielle Frage, war man sich doch bewusst, dass eine Regelung mit nur 50% dem guten Namen unserer Produkte im Ausland massiv geschadet hätte.

Zu unserer allergrössten Verwunderung war die Uhrenindustrie praktisch der einzige Industriesektor, der sich nachdrücklich und mit Überzeugung für den Vorschlag des Bundesrates mit einer 60-Prozent-Schwelle einsetzte. Die Diskrepanz mit anderen Sektoren gipfelte gar in einer Kündigung der Mitgliedschaft der Uhrenindustrie bei Economiesuisse (welche inzwischen wieder rückgängig gemacht wurde).

Als Mitte 2013 beide Räte (nach einigem Hin und Her) der Revision und der 60-Prozent-Schwelle zustimmten, konnte unsere Industrie aufatmen und entspannter in die Zukunft blicken. Nun stehen allerdings noch die Umsetzung der neuen Regeln durch die Swissness-Verordnung und insbesondere die zu überarbeitende Branchenverordnung auf der Traktandenliste. Hier liegt der Teufel im Detail, und es sind noch einmal politische Hürden zu nehmen. Einerseits sind komplexe technische Fragen zu klären. Dabei geht es etwa um Berechnungsmethoden für die relevanten Elemente (Wie werden Forschungs- und Entwicklungskosten berechnet und einzelnen Produkten zugeordnet?) oder um Abgrenzungen zwischen Stoffen, die in genügendem oder ungenügendem Masse in der Schweiz zur Verfügung stehen. Andererseits ist aber auch die Frage noch offen, ob die von der Uhrenindustrie verlangte Wertschöpfung von 80% bei mechanischen Fertiguhren machbar ist. Während die rechtliche Machbarkeit durch ein Expertengutachten geklärt ist, hoffen wir, dass sich der Bundesrat letztendlich auch noch von einer politischen Machbarkeit gegenüber der EU überzeugen lässt.

Mehr Wertschöpfung in der Schweiz


Die neuen Wertschöpfungsregeln bringen der Uhrenindustrie einen Anpassungsbedarf. Ein Teil der Produktionskette wird wieder in die Schweiz (rück-)transferiert werden. Gewisse Komponenten werden künftig zwingend in der Schweiz produziert werden müssen, wenn man weiterhin vom Label «Swiss made» profitieren will. Das stellt technologisch eine Herausforderung dar, müssen diese Komponenten doch zu gleich günstigen Produktionskosten wie in China produziert werden können. Die Uhrenindustrie nimmt diese Herausforderung an. Sie ist überzeugt, dass es möglich ist, am Standort Schweiz konkurrenzfähig zu produzieren. Dass dies tatsächlich machbar ist, belegen inzwischen einzelne Beispiele der Industrie. Allerdings müssen hier teils neue Materialien, Produktionsprozesse und Arbeitsmethoden eingesetzt werden. Wir sind in der Schweiz aber in der beneidenswerten Lage, über die notwendigen Technologien, das Know-how, die gut ausgebildeten Arbeitskräfte, das stabile Umfeld und die finanziellen Ressourcen zu verfügen. Durch die Repatriierung von Produktionsschritten werden auch Arbeitsplätze in die Schweiz zurückgenommen. Dabei wird es sich um moderne, hoch qualifizierte Arbeitsplätze handeln, die nicht rein repetitive Tätigkeiten umfassen werden. Wir sind überzeugt, dass das schweizerische Berufsbildungssystem in der Lage sein wird, auf der bestehenden guten Basis aufzubauen und die notwendigen qualitativen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Die erhöhte Notwendigkeit einer schweizerischen Wertschöpfung ist auch ein Beitrag an die Zukunft des Werkplatzes Schweiz und damit Europas. Wir sind überzeugt, dass die Schweiz (auch langfristig) eine industrielle Basis braucht und dass nicht alle industriellen Operationen in den Fernen Osten transferiert werden dürfen. Die Schweiz (und Europa) braucht einen guten Mix von hoch technischen, produktiven industriellen Tätigkeiten und von Dienstleistungen, die sich ergänzen und gegenseitig unterstützen. Eine reine Dienstleistungsgesellschaft entspricht nicht der Mentalität unserer Bevölkerung und wäre für das weitere Wachstum kritisch.

Zitiervorschlag: Rentsch, Hanspeter (2014). Die neuen Swissness-Regeln sind wichtig für die Uhrenindustrie. Die Volkswirtschaft, 09. Oktober.