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Auf Wesentliches fokussieren

Der Gesetzesentwurf zur Unternehmenssteuerreform III ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Lösung im Steuerstreit mit der EU und der OECD. Aus Sicht des Kantons Aargau sind die Ersatzmassnahmen für den Wegfall der privilegierten Besteuerungsformen – wie beispielsweise die vorgeschlagene Lizenzbox – sinnvoll. Etlichen flankierenden Massnahmen steht der Kanton jedoch skeptisch gegenüber, insbesondere höheren Steuern für natürliche Personen.

Auf Wesentliches fokussieren

Der Kanton Aargau ist, gemessen an der Bevölkerung, der viertgrösste Kanton und einer der wirtschaftskräftigsten der Schweiz. Er ist dezentral strukturiert und liegt zwischen den Wirtschaftsmetropolen Zürich und Basel. Die Faktoren Grösse und geografische Lage prägen die wirtschaftlichen und steuerlichen Verhältnisse im Kanton Aargau und beeinflussen seine Betroffenheit durch die Unternehmenssteuerreform III.

Der Kanton Aargau verfügt über viele kleinere Wirtschaftszentren, das grösste davon im Raum Baden. Unternehmen, die bereit sind, für einen zentralen Firmensitz in einer Grossstadt oder für eine minimale Steuerbelastung hohe Standortkosten in Kauf zu nehmen, siedeln sich tendenziell nicht im Aargau an. Der Kanton bietet aber für Unternehmen Vorteile, die einen ausgeglichenen Mix guter Standortfaktoren suchen: gute Bildung für Fachkräfte, vorteilhafte Infrastruktur, moderate Raumkosten und Steuern. Zudem ist der Kanton dank hoher Wohn- und Lebensqualität sowie dank guter Verkehrsanbindung ein Anziehungspunkt für Menschen, die sich hier niederlassen und in die ausserkantonalen Zentren pendeln.


Gewinnsteuern und Nationaler Finanzausgleich


Im Kanton Aargau kommt den Statusgesellschaften im Kantonsvergleich ein sehr geringes Gewicht zu. Bei den ordentlich besteuerten Gesellschaften verfügt der Kanton Aargau über ein leicht unterdurchschnittliches Ressourcenpotenzial, welches er seit der Tarifsenkung 2009 und mit der bereits beschlossenen Tarifsenkung ab 2016 auch leicht unterdurchschnittlich besteuert. Im Zuge der Unternehmenssteuerreform III werden möglicherweise weitere Gewinnsteuersenkungen notwendig, was sich auch auf den Nationalen Finanzausgleich (NFA) auswirken dürfte.Beim NFA gehört der Kanton Aargau zu den Nehmerkantonen. Die Nettoauszahlungen aus dem NFA sind für den Kanton Aargau jedoch bezogen auf seine Einwohnerzahl tief. So erhält von den 17 Empfängerkantonen im Jahr 2015 nur ein Kanton eine tiefere Auszahlung pro Einwohner. Bei den übrigen 15 Kantonen liegen die Auszahlungen pro Einwohner zum Teil um ein Vielfaches höher.

Standortwettbewerb und Unternehmenssteuerreform III

Isoliert betrachtet, könnte der Aargau wegen der geringen Bedeutung seiner eigenen Statusgesellschaften deren Wegzug verkraften. Der Kanton wäre also auf den ersten Blick nicht zwingend auf Ersatzmassnahmen angewiesen. Bei näherer Betrachtung ist allerdings auch der Kanton Aargau – wie alle Kantone – von der EU-Problematik bzw. der Unternehmenssteuerreform III betroffen: einerseits durch das Verhalten der Unternehmen mit mobilen Erträgen und die entsprechenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen auf die ganze Schweiz, andererseits durch das Verhalten der anderen Kantone.

Wenn andere Kantone grosszügige Boxenlösungen vorsehen oder ihre ordentlichen Gewinnsteuersätze substanziell senken, muss im Hinblick auf den Standortwettbewerb auch der Kanton Aargau mitziehen. Speziallösungen ziehen dabei sogenannte Mitnahmeeffekte nach sich, weil davon auch die heute ordentlich besteuerten Unternehmen profitieren werden.


Lizenzboxen und direkte Bundessteuer

Der Kanton Aargau erachtet die vorgeschlagenen Reformmassnahmen grundsätzlich als sinnvoll und tauglich. Im Zentrum stehen eine relativ eng gestaltete Lizenzbox und eine auf Finanzdienstleister ausgerichtete, zinsbereinigte Gewinnsteuer. Beide Regelungen werden zurzeit in einzelnen Staaten in der EU und der OECD praktiziert.

Der Kanton Aargau würde es begrüssen, wenn die Lizenzbox auch bei der direkten Bundessteuer zum Tragen käme – und zwar in einem moderaten Ausmass. Damit würden die Kantone bei dieser Massnahme etwas entlastet, und das Risiko einer Dynamik zu immer grosszügigerem Ermessen bei der Gewährung von Lizenzboxen würde vermindert.

Mit einer Lizenzbox bei der direkten Bundessteuer würde damit nicht nur eine vertikale, sondern auch eine horizontale Harmonisierung der Steuerveranlagung erreicht. In den letzten Monaten wurde von verschiedener Seite eine Prüfung dieses Anliegens angeregt, doch sind dem erläuternden Bericht dazu leider keine fundierten Abklärungen zu entnehmen.


Fokus auf Kernpunkte

Der Gesetzesentwurf enthält nebst diesen beiden Kernpunkten diverse weitere steuerliche Massnahmen. Man kann sich fragen, ob eine derart breite Palette sinnvoll ist oder ob es nicht zielführender wäre, auf wenige Massnahmen zu fokussieren. So würde der Kanton Aargau beispielsweise auf eine Systemänderung beim Beteiligungsabzug verzichten. Der Wechsel von der indirekten zur direkten Methode ist keine stichhaltige Ersatzmassnahme für die heutigen Statusgesellschaften. Er führt zu keiner Verbesserung der Standortattraktivität und bewirkt einen grösseren administrativen Aufwand für die Unternehmen und die Steuerbehörden.

Auch die Ausdehnung der privilegierten Dividendenbesteuerung auf den Streubesitz oder die Möglichkeit der Verlustübernahme von Gruppengesellschaften erachtet der Kanton Aargau als nicht notwendig für die Lösung der EU-Problematik.


Fixer statt relativen Ausschöpfungsfaktors

Die Änderung des Steuerregimes der juristischen Personen erfordert auch eine Anpassung des NFA. Allerdings ist am bisherigen ausgewogenen und bewährten System grundsätzlich festzuhalten und auf politisch motivierte Anliegen zu verzichten, die nicht direkt mit dem neuen Regime zu tun haben. Deshalb schlägt der Kanton Aargau beim Ressourcenausgleich einen fixen Steuerausschöpfungsfaktor vor anstelle des im Gesetzesentwurf vorgesehenen relativen Steuerausschöpfungsfaktors (sogenannter Zeta-Faktor). Eine gute Lösung für die Anpassungen beim NFA trägt zur Akzeptanz der Unternehmenssteuerreform III bei.

Auch der heutige Ressourcenausgleich basiert auf fixen Gewichtungsfaktoren, die nicht durch steuerpolitische Massnahmen der Kantone beeinflusst werden können. Mit einem fixen Steuerausschöpfungsfaktor lässt sich verhindern, dass die starken Kantone die Steuern der juristischen Personen zu stark senken und dabei mit der Senkung des Ressourcenindex von einer Reduktion der Ressourcenausgleichszahlungen profitieren.


Opfersymmetrie zwischen Bund und Kantonen

Der Bundesrat sieht vor, die Kantone mit rund 1 Mrd. Franken in Form von vertikalen Ausgleichsmassnahmen zu unterstützen. Da der Bund keine Senkung seiner Steuern vornehmen will, ist diese Opfersymmetrie der beiden Staatsebenen dringend notwendig. Geschehen soll dies über eine Erhöhung des Anteils an der direkten Bundessteuer. Heute können die Kantone 17% der Bundessteuereinnahmen behalten. Dieser Anteil könnte auf 20,5% erhöht werden.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer generell erhöht wird, nicht bloss der Anteil an den Steuern der juristischen Personen. Letzteres würde zu einer Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Kantone mit relativ viel Unternehmenssteuersubstrat führen.


Keine Verlagerung zu den natürlichen Personen

Dem Vorhaben, neue Steuereinnahmen zu generieren, steht der Kanton Aargau skeptisch gegenüber – insbesondere, weil dafür wohl nur die natürlichen Personen infrage kommen. Würde eine Kapitalgewinnsteuer auf Wertschriften bei den privaten Vermögen eingeführt, würden die natürlichen Personen einen Teil der Zeche für die tiefen Steuern bei den juristischen Personen bezahlen.

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer gangbaren Lösung im Steuerstreit mit der EU und der OECD. Wir sind heute effektiv viel weiter als noch vor einem Jahr. Der Nebel lichtet sich langsam. Der Bund hat viel Aufwand betrieben und gute Arbeit geleistet. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen müssen zwangsläufig alle Kantone Kompromisse eingehen. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen ist eine mittlere Unzufriedenheit aller Beteiligten wohl das Beste, was mit der Unternehmenssteuerreform III erreicht werden kann. Am Ziel sind wir jedoch noch nicht angekommen. Optimierungspotenzial ist immer noch vorhanden. Dabei ist eine Fokussierung auf das Wesentliche anzustreben und ein zusätzliches Anheizen des interkantonalen Steuerwettbewerbs zu vermeiden.

Landammann Roland Brogli Vorsteher des Departements Finanzen und Ressourcen des Kantons Aargau


Zitiervorschlag: Roland Brogli (2014). Auf Wesentliches fokussieren. Die Volkswirtschaft, 12. November.