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Bei der Unternehmenssteuerreform III steht für die Industrie viel auf dem Spiel

Schafft die Schweiz ihre international kritisierten Steuerregime nicht ab, drohen Sanktionen, welche die international tätigen Schweizer Konzerne faktisch vom Weltmarkt ausschliessen würden. Ziel der Unternehmenssteuerreform III muss sein, die Regime durch akzeptierte Alternativen zu ersetzen. Für den Fiskus sind massive Steuereinnahmen infrage gestellt. Die Unternehmen wollen in der Schweiz bleiben, brauchen dafür aber international wettbewerbsfähige Konditionen.

Bei der Unternehmenssteuerreform III steht für die Industrie viel auf dem Spiel

Bisher besteuert die Schweiz Erträge aus dem Ausland gegenüber inländischen Erträgen privilegiert. Dieses sogenannte Ring-Fencing ist für Fiskus und Unternehmen effizient, weil diese Erträge gezielt gefördert und teure Mitnahmeeffekte vermieden werden. Solche selektiven Besteuerungsregeln sind jedoch ins Kreuzfeuer der internationalen Kritik geraten. Die jahrelange Auseinandersetzung mit der EU wurde 2013 mit dem Projekt Base Erosion Profit Shifting auf eine höhere Ebene mit noch grösserem Retorsionspotenzial gehievt. Die OECD/G-20 werden in den nächsten Monaten das Ergebnis ihrer Prüfung der Regime verschiedener Länder verkünden. Bereits heute steht fest, dass die Schweizer Regime gegen die im internationalen Steuerwettbewerb geltenden Standards verstossen. Ein Festhalten an den Regimen würde unweigerlich zu Sanktionen gegen die Schweiz führen. Wie einschneidend solche Sanktionen sind, hat sich am Beispiel der «schwarzen Listen» Italiens gezeigt. Für die stark auf das Auslandgeschäft ausgerichtete Schweizer Wirtschaft würden flächendeckende Sanktionen der Staatengemeinschaft bedeuten, faktisch vom internationalen Markt ausgeschlossen zu sein. Wegen der grossen volkswirtschaftlichen Bedeutung der exportorientierten Wirtschaft hat der Bundesrat ein Bekenntnis zur Abschaffung der Steuerregime abgegeben.

Multinationale Konzerne schaffen jede zweite neue Stelle

Praktisch bis zur Jahrtausendwende war die Schweiz keine bevorzugte Destination für nicht bereits hier ansässige international operierende Konzerne. Erst die Unternehmenssteuerreform I von 1998 schuf ausreichend attraktive Voraussetzungen für ausländische Konzerne, zentrale Funktionen von der Schweiz aus zu tätigen. Von 2000 bis 2010 haben multinationale Unternehmen in der Schweiz gut 165 000 neue Stellen geschaffen – und damit jeden zweiten neuen Arbeitsplatz. Kommt hinzu, dass auf jeden Job eines multinationalen Konzerns 1,5 bis 1,6 Arbeitsplätze beim lokalen Gewerbe und bei Dienstleistern gesichert werden. Resultat für den Fiskus: Bund und Kantone nahmen massiv mehr Steuern von juristischen und natürlichen Personen ein. Allein das kantonale Steueraufkommen juristischer Personen stieg zwischen 2000 und 2010 um rund 50% – trotz Finanzkrise und obschon die kantonalen Steuersätze gleichzeitig um durchschnittlich rund ein Viertel gesenkt wurden. Seit der Unternehmenssteuerreform I bis zum Beginn der Finanzkrise 2007 stieg das Steueraufkommen gar um das Doppelte.

Nun ist es aber keine Selbstverständlichkeit, dass die Steuereinnahmen im bisherigen Ausmass fliessen. Es braucht im Gegenteil konkrete Anstrengungen, damit die Steuereinnahmen nicht einbrechen. Deshalb ist es richtig, dass der Bundesrat mit der Unternehmenssteuerreform III für die nicht mehr haltbaren Regime akzeptierte Alternativen schaffen will – allen voran eine Lizenzbox. In Ergänzung dazu will der Bund die Kantone bei Gewinnsteuersatzsenkungen finanziell unterstützen.


International vergleichbare steuerliche Konditionen bieten

Die Schweizer Industrie möchte Tätigkeiten wie Forschung und Entwicklung sowie Konzernleitungsfunktionen weiterhin in der Schweiz ausüben. Dabei müssen die Unternehmen allerdings gewisse Kostenfaktoren gegenüber ihren Investoren rechtfertigen: Zentral sind die wegen des starken Schweizer Frankens hohen Produktionskosten sowie die Steuern. Diese Kosten jedoch dürfen ein gewisses Ausmass nicht überschreiten. Würden die speziellen Besteuerungsregeln für die Auslandaktivitäten von Schweizer Unternehmen ersatzlos wegfallen, würde ihre Steuerbelastung in rund der Hälfte der Kantone von heute ca. 8% bis 12% auf über 20% steigen. In diversen Konkurrenzstandorten – allen voran Grossbritannien   – beträgt die Steuerbelastung für dieselben Auslandtätigkeiten nicht über 10%. Ziel der Unternehmenssteuerreform III muss sein, dass die international tätigen Konzerne in der Schweiz steuerlich vergleichbare Konditionen erhalten wie an den wichtigsten Konkurrenzstandorten. Somit geht es den Unternehmen nicht darum, im Vergleich zu heute weniger Steuern zu bezahlen.

Dr. iur. Martin Zogg Advokat, Mitglied der Geschäftsleitung, Leiter nationales und internationales Steuerrecht, SwissHoldings, Bern


Zitiervorschlag: Martin Zogg (2014). Bei der Unternehmenssteuerreform III steht für die Industrie viel auf dem Spiel. Die Volkswirtschaft, 12. November.