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Die steuerlichen Massnahmen der Unternehmenssteuerreform III erhöhen Rechtssicherheit und Standortattraktivität

Die Unternehmenssteuerreform III soll die Attraktivität des Unternehmensstandorts Schweiz im internationalen Umfeld stärken. Die vorgeschlagenen steuerpolitischen Massnahmen bilden ein ausgewogenes Gesamtpaket im Spannungsfeld zwischen steuerlicher Standortattraktivität, internationaler Akzeptanz der Regelungen und finanzieller Ergiebigkeit des Steuersystems. Die Vernehmlassung zur Vorlage des Bundesrates ist im Gange.
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Die Unternehmensbesteuerung steht verstärkt im Brennpunkt des internationalen Interesses. Jüngst hat sich diese Entwicklung mit den Initiativen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der G-20 (Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer) und der Europäischen Union (EU) weiter akzentuiert. Der Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting, Beps) der OECD hat sich dabei als das bedeutendste und umfassendste Projekt herauskristallisiert. Im Kern zielen die Initiativen darauf ab, den Handlungsspielraum multinationaler Unternehmen zur grenzüberschreitenden Steuergestaltung einzuschränken. Besonders im Visier stehen Erträge aus mobilen Faktoren und die damit verbundenen Steuerplanungsmöglichkeiten, welche das Besteuerungssubstrat aushöhlen und sehr tiefe Gewinnsteuerbelastungen bewirken können.

Abschaffung der kantonalen Steuerstatus


Vor diesem Hintergrund werden verschiedene Eigenheiten des Schweizer Steuersystems international nicht mehr akzeptiert. Dies führt zu Rechts- und Planungsunsicherheiten bei den betroffenen Unternehmen und beeinträchtigt die Attraktivität der Schweiz im internationalen Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen. Deshalb sollen die kantonalen Steuerstatus für Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften abgeschafft werden.

Eine Reform mit drei Zielen


Die Abschaffung dieser Regelungen muss durch eine neue steuerpolitische Strategie aufgefangen werden. Die Strategie verfolgt drei Ziele:

  • Steuerliche Standortattraktivität: Die Steuerbelastung soll so bemessen sein, dass die Schweiz als Unternehmensstandort weiterhin kompetitiv bleibt.
  • Internationale Akzeptanz: Die steuerlichen Reglungen sollen den OECD- bzw. globalen Standards entsprechen, sodass andere Staaten keinen Anlass haben, die Regelungen infrage zu stellen und besondere Massnahmen gegen die Schweiz zu ergreifen.
  • Finanzielle Ergiebigkeit: Die Reform soll gewährleisten, dass die Aufgaben von Bund, Kantonen und Gemeinden weiterhin finanziert werden können.


Um diese Ziele zu erreichen, hat der Bundesrat eine strategische steuerpolitische Stossrichtung definiert, die aus drei Elementen besteht:

  • Einführung neuer Regelungen für mobile Erträge, die internationalen Standards entsprechen;
  • ergänzende Senkungen der kantonalen Gewinnsteuersätze;
  • weitere Massnahmen zur Verbesserung der Systematik des Unternehmenssteuerrechts.


Auch wenn manche steuerlichen Sonderregelungen international nicht mehr akzeptiert werden, existieren nach wie vor unternehmerische Tätigkeiten, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen. Die Schweiz möchte am Wettbewerb um diese mobilen Unternehmensfunktionen weiterhin teilhaben, sofern die spezifische Form der tiefen Besteuerung international akzeptiert ist. Damit kann den involvierten Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit gewährleistet werden. Neue Regelungen für mobile Erträge, die internationalen Standards entsprechen, bilden daher ein wichtiges Reformelement (siehe Kasten 1). Diese werden ergänzt durch kantonale Gewinnsteuersenkungen. Sie sind zwar formell nicht Teil der Unternehmenssteuerreform III, stellen aber dennoch ein Element der Gesamtstrategie dar.

Die Massnahmen zur Verbesserung der Systematik des Unternehmenssteuerrechts entspringen nicht unmittelbar den internationalen Entwicklungen, welche die Unternehmenssteuerreform III anstossen. Sie sind primär steuersystematisch begründet, verbessern die Rechtssicherheit und bauen die Verzerrungen der unternehmerischen Entscheidungen durch das Steuerrecht ab (siehe Kasten 2). Dessen ungeachtet vermögen sie in ihrer Gesamtheit die Standortattraktivität zu erhöhen.

Einführung einer Lizenzbox


Als Hauptinstrument der neuen Regelungen für mobile Erträge ist eine Lizenzbox vorgesehen. Diese sichert für Erträge, die im Zusammenhang mit der Verwertung von Immaterialgüterrechten – also Patenten, Marken oder Urheberrechten – stehen, dass die Steuerbelastung in etwa gleich hoch ausfällt wie bisher bei der gemischten Gesellschaft. Damit ist eine hohe Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz für solche Erträge gewährleistet. Allerdings können für die Lizenzbox auch Erträge infrage kommen, die bisher ordentlich besteuert worden sind. Hier reduziert sich die Steuerbelastung auf Stufe Kanton und Gemeinde, was für diese Mindereinnahmen zur Folge hat. Umgekehrt gewinnt die Schweiz bei den betroffenen Gesellschaften, soweit sie mobil sind, an Standortattraktivität.

Aufdeckung stiller Reserven und kantonale Gewinnsteuersenkungen


Bei den bisher privilegiert besteuerten Gewinnen, welche nicht unter die Lizenzbox fallen, würde die kantonale Steuerbelastung steigen. Greift keine andere Massnahme, entfaltet zunächst die steuersystematisch begründete Aufdeckung stiller Reserven während einer Übergangsphase von höchstens zehn Jahren Wirkung. Durch die zusätzliche Abschreibung auf den aufgedeckten Reserven resultiert eine ähnliche Steuerbelastung wie bisher. Sind die gesamten steuersystematisch realisierten stillen Reserven abgeschrieben, wird die ordentliche Steuerbelastung im jeweiligen Kanton dann aber voll spürbar. Verharrt diese bei den Kantonen mit höherer ordentlicher Gewinnsteuerbelastung auch dannzumal auf diesem Niveau, müssen diese Kantone mit der Abwanderung von Steuersubstrat in andere Kantone oder ins Ausland rechnen. Alternativ können die Kantone ihre Gewinnsteuer senken. Dies erlaubt es ihnen zwar, die Gesellschaften zu halten, beschert ihnen aber Mindereinnahmen.

Einführung einer zinsbereinigten Gewinnsteuer


Die zinsbereinigte Gewinnsteuer auf überdurchschnittlichem Eigenkapital kann einerseits steuerlich wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für die konzerninterne Finanzierung bieten. Bisher wurde diese Aktivität vor allem im Rahmen der Swiss Finance Branch (also der schweizerischen Betriebsstätte einer ausländischen Konzernfinanzierungsgesellschaft) und des Holdingstatus wahrgenommen. Darüber hinaus bildet die Massnahme eine Voraussetzung dafür, dass Schweizer Konzerne ihre Treasury-Funktion in der Schweiz zentralisieren können. Damit hierzu wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen geschaffen werden, bedarf es jedoch zusätzlicher Massnahmen im Bereich der Verrechnungssteuer.

Anderseits entfaltet die Massnahme Flächenwirkung für alle Gesellschaften, die über Sicherheitseigenkapital verfügen. Die Massnahme senkt den effektiven Durchschnittsgewinnsteuersatz, sodass sie im Hinblick auf den Standortentscheid einer Gesellschaft analog wirkt wie eine allgemeine Gewinnsteuersenkung.

Anpassungen bei der Kapitalsteuer


Gesellschaften, die bei der Gewinnsteuer einem kantonalen Steuerstatus unterstehen, profitieren bisher von einer reduzierten Kapitalsteuer. Mit der Abschaffung der Steuerstatus entfällt diese Sonderregelung. Um Attraktivitätseinbussen zu vermeiden, sollen die Kantone neu das Eigenkapital, das im Zusammenhang mit Beteiligungen, Immaterialgüterrechten und Darlehen an Konzerngesellschaften steht, auch bei der Kapitalsteuer reduziert besteuern können. Die Massnahme dient dazu, die heutige Kompetitivität der Kapitalsteuer zu erhalten.

Abschaffung der Emissionsabgabe


Die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital wirkt sich auf alle Gesellschaften, die neues Eigenkapital begeben, positiv aus. Dies gilt namentlich für zuziehende Gesellschaften mit sehr grossem Kapital und für Konzernzentralen, aber auch für bereits im Inland ansässige Unternehmen mit grossen Investitionsvorhaben. Sie trägt überdies zur gleichmässigeren Besteuerung der Finanzierungswege bei, da die Beteiligungsfinanzierung – d. h. die Ausgabe von neuem Eigenkapital – nicht mehr zusätzlich mit der Emissionsabgabe belastet wird.

Anpassungen beim Beteiligungsabzug und der Verlustverrechnung


Die Anpassungen beim Beteiligungsabzug und bei der Verlustverrechnung führen dazu, dass Mehrfachbelastungen im Konzern beseitigt werden und in den Unternehmen anfallende Verluste ebenfalls vollumfänglich geltend gemacht werden können. Die neue Regelung beim Beteiligungsabzug ist zwar für Verluste auf Beteiligungen etwas weniger attraktiv als die heutige Regelung, dafür aber in Gewinnsituationen attraktiver.

Einführung einer Kapitalgewinnsteuer auf Wertschriften


Die Anpassungen bei der Teilbesteuerung ausgeschütteter Gewinne und die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer auf Wertschriften nehmen die Kritik des Bundesgerichts am Qualifikationskriterium der geltenden Teilbesteuerung auf. Sie bringen eine gleichmässigere Besteuerung unterschiedlicher Rechtsformen und Finanzierungswege.

Schon heute bestehen teilweise steuerliche Anreize, eine unternehmerische Tätigkeit in Form einer Kapitalgesellschaft und nicht in Form einer selbstständigen Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Diese Tendenz wird verschärft, wenn es im Zuge der Unternehmenssteuerreform III zu kantonalen Gewinnsteuersatzsenkungen kommt. Mit einer sachgerechten Besteuerung der Anteilseigner werden diese unerwünschten Einflüsse des Steuerrechts auf unternehmerisches Handeln reduziert.

Im Sinne der Finanzierungsneutralität steht der Verbilligung der teureren Finanzierungswege auf Unternehmensebene eine Verteuerung der Selbstfinanzierung durch die Kapitalgewinnbesteuerung auf Haushaltsebene gegenüber. Neben der verbesserten Neutralität des Steuersystems ergibt sich dadurch auch eine standortpolitisch attraktive Verlagerung der Steuerlast von der Unternehmens- auf die Investorenebene. Gleichzeitig führt die Besteuerung der Kapitalgewinne auf Wertschriften zu einer höheren Rechtssicherheit, indem die heutigen sehr komplexen Abgrenzungsfragen zwischen steuerbaren Erträgen und steuerfreien Kapitalgewinnen entfallen.

Sicherung und punktuelle Verbesserung der Standortattraktivität


Den bisherigen Steuerregimen fehlt es an internationaler Akzeptanz. Um Schaden für die schweizerische Volkswirtschaft infolge Gegenmassnahmen des Auslands abzuwenden, müssen diese abgeschafft werden. Insgesamt lässt sich mit den Massnahmen, welche auf mobile Erträge abzielen, die hohe Standortattraktivität halten und punktuell sogar verbessern. Die Massnahmen sind aber weniger zielgenau als die bisherigen Steuerregime. Es kommt daher zu Mitnahmeeffekten, welche namentlich Kantonen und Gemeinden Mindereinnahmen bescheren. Diese sind jedoch in Kauf zu nehmen, da ein Verzicht auf Massnahmen für mobile Erträge zu massiven Abwanderungen von wirtschaftlicher Substanz führen würde. Dies hätte zur Folge, dass die Steuereinnahmen noch stärker sinken würden.

Die primär steuersystematisch begründeten Massnahmen verbessern die Rechtssicherheit und bauen die Verzerrungen der unternehmerischen Entscheidungen ab. Zusätzlich leisten sie einen Beitrag zur Verbesserung der Standortattraktivität.

Zitiervorschlag: Daepp, Martin (2014). Die steuerlichen Massnahmen der Unternehmenssteuerreform III erhöhen Rechtssicherheit und Standortattraktivität. Die Volkswirtschaft, 30. November.

Kasten 1: Standortpolitisch motivierte Massnahmen

Einführung einer Lizenzbox: Das Kernelement bei den neuen Regelungen für mobile Erträge, die den internationalen Standards entsprechen, bildet die Lizenzbox. Dabei werden Erträge aus Immaterialgüterrechten von den übrigen Erträgen eines Unternehmens getrennt und in dieser speziellen Box reduziert besteuert. Der konkrete Vorschlag orientiert sich an der Patent Box des Vereinigten Königreichs, die allgemein als hoch kompetitiv eingeschätzt wird. Es ist denkbar, dass sich der künftige internationale bzw. OECD-Standard in Bezug auf die internationale Akzeptanz solcher Boxen-Lösungen verändert. Diesen Entwicklungen ist im weiteren Verlauf des Projekts besondere Beachtung zu schenken. Gegebenenfalls ist erneut zu prüfen, ob und – falls ja – in welcher Ausgestaltung eine Lizenzbox eingeführt werden soll. Zinsbereinigte Gewinnsteuer auf überdurchschnittlichem Eigenkapital: Bei der klassischen Gewinnsteuer können die Fremdkapitalzinsen als geschäftsmässig begründeter Aufwand von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Die zinsbereinigte Gewinnsteuer erweitert den Abzug der Finanzierungskosten über den bestehenden Abzug für Zinsen auf Fremdkapital hinaus, indem zusätzlich kalkulatorische Zinsen auf dem Eigenkapital von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. In der vorgeschlagenen Ausgestaltung soll dabei der Abzug für die kalkulatorische Zinsen nur auf jenem Betrag des Eigenkapitals gewährt werden, der eine angemessen definierte durchschnittliche Eigenfinanzierung überschreitet. Zu diesem Zweck wird das Eigenkapital in zwei Komponenten aufgespalten:

  • Das Kerneigenkapital eines Unternehmens ist das Eigenkapital, welches ein Unternehmen für seine Geschäftstätigkeit langfristig benötigt. Die Berechnung des Kerneigenkapitals erfolgt auf der Basis der Gewinnsteuerwerte verschiedener Kategorien von Aktiven, denen jeweils spezifische Kerneigenkapitalquoten je Aktivenkategorie zugeordnet werden.
  • Jener Teil des Eigenkapitals, welcher den Betrag des Kerneigenkapitals gegebenenfalls übersteigt, gilt als Sicherheitseigenkapital. Auf diesem wird der kalkulatorische Eigenkapitalzinsabzug gewährt.


 

 

Kasten 2: Steuersystematisch motivierte Massnahmen

Anpassungen bei der Verlustverrechnung: Im geltenden Recht können Verluste aus sieben der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahren abgezogen werden. Neu soll diese Begrenzung aufgehoben werden, sodass Verluste zeitlich unbeschränkt vorgetragen werden können. Zugleich sollen die Steuereinnahmen geglättet werden, indem vorgeschrieben wird, dass jährlich jeweils 20% des Reingewinns vor Verlustverrechnung versteuert werden müssen. Anpassungen beim Beteiligungsabzug: Der Beteiligungsabzug nimmt Beteiligungserträge von der Gewinnsteuer aus, da diese Erträge bereits andernorts von der Gewinnsteuer erfasst worden sind. Damit lässt sich eine Mehrfachbelastung dieser Erträge vermeiden. Die Schweiz kennt bisher die indirekte Freistellung der Beteiligungserträge durch die anteilige Kürzung des Steuerbetrages. Neu soll auf die international übliche direkte Freistellung gewechselt werden, bei der die Beteiligungserträge von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden können. Zugleich werden die Beteiligungserträge nicht mehr durch einen Finanzierungs- und Verwaltungsaufwandanteil gekürzt. Einführung einer Kapitalgewinnsteuer auf Wertschriften und Anpassungen beim Teilbesteuerungsverfahren: Im geltenden Recht sind Kapitalgewinne im beweglichen Privatvermögen steuerfrei. Neu soll dieser Grundsatz eingeschränkt werden, indem Kapitalgewinne auf Wertschriften der Einkommenssteuer unterliegen. Umgekehrt können Kapitalverluste neu mit Kapitalgewinnen und/oder mit Kapitalerträgen verrechnet und vorgetragen werden. Um der Vorbelastung durch die Gewinnsteuer Rechnung zu tragen, sollen Kapitalerträge und -gewinne auf Beteiligungsrechten bei allen Investoren nur zu 70% in die Bemessungsgrundlage einfliessen. Das bisherige Qualifikationskriterium für die Gewährung der Teilbesteuerung auf ausgeschütteten Gewinnen wird aufgehoben.