Erste Überlegungen zum Entwurf für die Unternehmenssteuerreform III
Mit der Aufhebung der kantonalen Steuerstatus werden mehrere Kantone gezwungen sein, ihren Gewinnsteuersatz deutlich zu senken. Neuenburg geht mit einem Satz von 15,7% voraus.
Grundzüge des Entwurfs
- Abschaffung der kantonalen Steuerstatus;
- Einführung einer Lizenzbox;
- zinsbereinigte Gewinnsteuer (Schutzzinsabzug);
- Anpassung der Kapitalsteuer;
- Regelung für die Aufdeckung stiller Reserven;
- Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital;
- Anpassungen bei der Verlustverrechnung;
- Anpassungen beim Beteiligungsabzug;
- Einführung einer Kapitalgewinnsteuer auf Wertschriften;
- Anpassungen beim Teilbesteuerungsverfahren auf Dividenden.
Abschaffung der kantonalen Steuerregime
Lizenzbox
Zinsbereinigte Gewinnsteuer
Anpassungen bei der Kapitalsteuer
Aufdeckung stiller Reserven
Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital
Anpassungen bei der Verlustverrechnung
Anpassungen beim Beteiligungsabzug
Kapitalgewinnsteuer auf Wertschriften
Anpassungen beim Teilbesteuerungsverfahren
Vertikale Ausgleichszahlungen
- Siehe bereits Zwischenbericht des Steuerungsorgans zuhanden des EFD, Massnahmen zur Stärkung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit (Unternehmenssteuerreform III), Bern, 7. Mai 2013; Matteotti, R., Roth, Ph.: Die Unternehmenssteuerreform III zwischen Kompetitivität und Kompatibilität, Archiv für Schweizerisches Abgaberecht, 81 (2012/13) S. 681. []
- Siehe EFD: Erläuternder Bericht zur Vernehmlassungsvorlage über das Bundesgesetz über steuerliche Massnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandorts Schweiz (Unternehmenssteuerreformgesetz III), 19. September 2014 (nachfolgend EFD, Erläuternder Bericht). []
- EFD, Erläuternder Bericht, Kap. 1.2.3.2., S. 27. []
- EFD, Erläuternder Bericht, Kap. 1.2.3.5., S. 34. []
- Siehe Art. 70 DBG. []
- Siehe Art. 58a E-DBG; Art. 24a E-StHG. []
- Siehe Art. 20 Absatz 1 Buchstaben g und h E-DBG und Artikel 7 Absatz 1bis E-StHG. []
- Siehe Art. 32a E-DBG und Artikel 9 Absatz 1bis E-StHG. []
- BGE 136 I 65, Erw. 5.5. []
- EFD, Erläuternder Bericht, Kap. 1.2.3.10., S. 37. []
- EFD, Erläuternder Bericht, Kap. 1.2.4., S. 38. []
- EFD, Erläuternder Bericht, Kap. 1.2.5.1., S. 50. []
Zitiervorschlag: Oberson, Xavier (2014). Erste Überlegungen zum Entwurf für die Unternehmenssteuerreform III. Die Volkswirtschaft, 09. November.
Alles nahm am 26. September 2005 seinen Anfang. Damals erhielt die Eidgenossenschaft ein Schreiben von der Europäischen Kommission, in dem sie Auskunft zu «bestimmten kantonalen Steuerregimen für Unternehmen» verlangte. Nach der Prüfung der bundesrätlichen Antwort teilte die Europäische Kommission im Februar 2007 dem Bundesrat mit, dass sie die Behandlung gewisser Unternehmen mit kantonalem Steuerstatus beanstande (Holding-, Domizil- und Gemischte Gesellschaften). In den Augen der Europäischen Kommission ist diese Art von Steuerstatus nicht mit dem Freihandelsabkommen (FHA) vom 22. Juli 1972 zwischen der EU und der Schweiza vereinbar. Ein solcher Status besteht im Allgemeinen darin, dass ein selektiver, vom ordentlichen System abweichender Besteuerungsmechanismus zur Anwendung kommt, namentlich indem Erträge aus dem Ausland vorteilhafter besteuert werden als solche aus der Schweiz. Die Europäische Kommission sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber der EU in Form einer unzulässigen staatlichen Beihilfe. Rechtlich scheint dieses Argument kaum haltbar zu sein. Das FHA ist ein klassisches Abkommen aus den 1970er-Jahren, in dem es im Wesentlichen um den Warenverkehr geht. Weder im Buchstaben noch im Geist erstreckt sich das Abkommen auf die Unternehmensbesteuerung. Eine Auslegung des Abkommens nach Treu und Glauben auf der Grundlage des Wiener Übereinkommens legt den Schluss nahe, dass die Frage der Besteuerung aufgrund eines Steuerstatus nicht in den Geltungsbereich des Abkommens fällt – schon allein deshalb, weil dieses System in den 1970er-Jahren bereits existierte.b a SR 0.632.401. b Siehe auch Oberson, Xavier (2014): Précis de droit fiscal international, Bern, 4. Auflage, S. 91ff.
Der im September 2014 vorgelegte Reformentwurf ist ehrgeizig. Die zentrale Massnahme besteht als Reaktion auf den internationalen Druck darin, die kantonalen Steuerstatus abzuschaffen. Diese an sich unumgängliche Massnahme wird je nach Kanton unterschiedliche Auswirkungen haben. Viele Kantone werden gezwungen sein, ihren Gewinnsteuersatz deutlich zu senken, beispielsweise Genf (die Rede ist von einer Senkung auf 13%), Waadt (Senkung auf 13,8%) oder Freiburg. Der Kanton Neuenburg geht mit einem Satz von 15,7% voraus. Ausgleichsmassnahmen durch den Bund, insbesondere im Rahmen der NFA-Reform, sind in diesem Zusammenhang unabdingbar. Umstrittener ist die Grundidee des Entwurfs, Ausgleichszahlungen an alle Kantone und nicht nur gezielt an die am stärksten betroffenen Kantone zu entrichten. In Sinne einer Anpassung an die internationale Entwicklung übernimmt der Entwurf im Ausland erprobte Massnahmen: die Lizenzbox und den Schutzzinsabzug. Zu bedenken ist dabei, dass die OECD ihre Arbeiten noch nicht abgeschlossen hat und dass die EU die Rechtmässigkeit gewisser Massnahmen infrage stellt. Die Reform muss anpassungsfähig sein. Es wäre nutzlos, komplizierte Systeme einzuführen, die bei den internationalen Instanzen schon bald wieder auf Widerstand stossen. Aus diesem Grund ist fraglich, ob es sich lohnt, sich ausführlich mit dem komplexen, bereits umstrittenen System des Schutzzinsabzugs zu beschäftigen. Der Reformentwurf enthält aber noch problematischere Elemente. Strittig scheint insbesondere, unter dem Deckmantel der Unternehmenssteuerreform III auch eine gezielte Teilreform der Besteuerung natürlicher Personen vorzunehmen. Die Änderung des Teilbesteuerungsverfahrens auf Dividenden scheint plausibel, falls die Erleichterungen wirklich der Bekämpfung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung dienen. Anders sieht es bei der Einführung einer Kapitalgewinnsteuer auf Wertschriften aus. Eine solche Massnahme ist unseres Erachtens nur im Rahmen eines Gesamtpakets zur Besteuerung natürlicher Personen in Betracht zu ziehen. Wir halten es in einem modernen Steuersystem für nicht vertretbar, eine Kapitalgewinnsteuer auf Wertschriften einzuführen, ohne gleichzeitig die Besteuerung der Vermögen zu überprüfen. Bereits 2001 erwog die Expertenkommission Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (ERU) eine Beteiligungsgewinnsteuer, jedoch parallel zu einer Steuerbefreiung für das Geschäftsvermögen (Arbeitsinstrument).a Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Thematik würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Grundsätzlich könnte aber eine interessante Lösung in einer Abschaffung der kantonalen Vermögenssteuern bestehen, kombiniert mit der Einführung einer (ausschliesslich) kantonalen Besteuerung von privaten Wertpapiergewinnen, deren zentrale Elemente im Steuerharmonisierungsgesetz festzulegen wären. Damit würde eine international immer weniger konkurrenzfähige Steuer durch eine andere ersetzt, deren wirtschaftliches Substrat näher beim Vermögen läge. Die Festlegung der Steuersätze wäre im Sinne des Steuerföderalismus weiterhin Sache der Kantone. a Expertenkommission Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (ERU): Schlussbericht, Juni 2001.