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Die Botschaft hör ich wohl …

Der Franken ist stärker denn je, die Zweitwohnungsinitiative ist umzusetzen, die traditionellen Absatzmärkte stagnieren: All dies wären optimale Voraussetzungen, um die Regional- und Tourismuspolitik endlich in Richtung Marktorientierung, Innovation und Good Governance zu orientieren. Die Botschaft des Bundesrates zur Standortförderung geht in diese Richtung, bleibt aber leider bei der Governance fast gänzlich beim Alten. Die nachfolgenden kritischen Bemerkungen beschränken sich auf die Themen Tourismus und Regionalpolitik. Das Urteil zur Botschaft des Bundesrates fällt grundsätzlich positiv aus, was die allgemeine Orientierung und einzelne Massnahmen angeht, aber kritisch bezüglich institutioneller Umsetzung und Humanressourcen. Die problematische Annahme hinter der Botschaft ist, dass die gegenwärtig vorhandenen Strukturen, Kompetenzen und Prozesse für die erfolgreiche Umsetzung der Standortpolitik mit geringfügigen Modernisierungen im Bereich der Destinationen genügen. Dies ist aber meiner Ansicht nach weder im Tourismus noch bei der Regionalpolitik der Fall.

Die Botschaft hör ich wohl …

Ein Problem von Ressourcen und Kompetenzen

Der Tourismus stagniert seit den 1970er-Jahren trotz hohem Potenzial. Gründe dafür sind die Globalisierung, zersplitterte Destinationsstrukturen, kleingewerbliche Betriebsstrukturen, die Kosten und Preise sowie die Währungsproblematik. Die vorgeschlagene Modernisierung der Beherbergung mittels Kooperation und Schaffung von Synergien antwortet auf einen Teil des Problems auf der Angebotsseite, die Optimierung von Destinationsstrukturen und Management auf einen anderen Teil. Das Problem besteht im Bereich der Verstärkung der Qualitäts- und Produktentwicklung und der Umsetzung der Stossrichtung «Wissensaufbau und -diffusion». Um die Nachfragebedürfnisse wie vorgeschlagen stärker als bis anhin bei der Produktentwicklung zu berücksichtigen, müsste die geografisch und zielgruppenmässig sehr allgemeine Orientierung von Schweiz Tourismus in eine Destinationsstrategie umgesetzt werden. Eine solche Strategie sollte das spezifische Tourismuserlebnis unter Berücksichtigung der vorhandenen Möglichkeiten und der Beteiligung der Touristen an der Erlebnisproduktion definieren. Dazu sind umfangreiche und detaillierte Kenntnisse des spezifischen Marktsegments sowie seiner Tourismuskompetenz, seiner Zeitallokation, seiner Budgetmöglichkeiten usw. notwendig. Dies gegeben, gilt es alle Stakeholder in eine entsprechende Angebotsstrategie einzubinden, und zwar für unterschiedliche Produkte auf verschiedenen Märkten. Das aber übersteigt die Kompetenz der vorhandenen Humanressourcen in den meisten Fällen.

Die mangelnde Kompetenz hat eine individuelle und eine systemische Seite. Die individuelle Seite betrifft die Ausbildung und Erfahrung, welche zu sehr dem traditionellen Kanon der Berufs- und Fachbildung – und damit der Anwendung von Rezepten und Standardlösungen – folgt. Ohne einen gewissen Grad an akademischem Analysieren und Verstehen können aber die komplexen Aufgaben nicht gelöst werden. Die systemische Seite der mangelnden Kompetenz hat damit zu tun, dass in Tourismus und Regionalpolitik angenommen wird, dass «Beamte» bzw. Sekretäre mit fixen Funktionen für die Realisierung der verschiedensten Projekte in komplexen lokalen und globalen Zusammenhängen kompetent sind.


Zwei Elemente sind zu ergänzen

Tourismus- und Regionalpolitik teilen aber noch ein weiteres «historisches» Problem, welches in der Botschaft nicht angesprochen wird: Sie spielen im institutionellen Leerraum zwischen der Kantons- und der Gemeindeebene. Dies förderte zwar das Regionalbewusstsein, aber kaum die Wirtschaftsentwicklung und half vor allem der Karriere von Subventionsverteilern in der Regionalpolitik und von Destinationsverkäufern ohne messbaren Einfluss in der Tourismuspolitik. Die Situation ist heute mit der Neuen Regionalpolitik und den Bemühungen um neue Ansätze im Destinationsmanagement zwar mancherorts etwas besser, das Grundproblem bleibt jedoch bestehen. Die Umsetzung der neuen Ansätze in der Politik beruht auf Projekten, welche ein Generalist im mehr oder weniger öffentlichen Dienst realisieren soll.

Die Standortpolitik sollte aufgrund des Gesagten dringend institutionell um zwei Elemente erweitert werden: eine Humankapitalstrategie zwischen Ausbildung und kontinuierlicher Weiterentwicklung im High-Skills-Bereich einerseits und den Ersatz sämtlicher Institutionen zwischen Kantonen und Gemeinden durch kantonale Pools von Projektmanagern andererseits.

 


Zitiervorschlag: Rico Maggi (2015). Die Botschaft hör ich wohl …. Die Volkswirtschaft, 10. März.